So manche Kollegin, so mancher Kollege wundert sich: von Vorbereitungen für das Jubiläum ist in Bochum bisher kaum etwas zu spüren. „Die können das doch nicht stillschweigend übergehen!“ Das Motto für die Feierlichkeiten lautet für sie allerdings:
50 Jahre Opel – 50 Jahre Angst im Nacken.
Der einstmals große Betrieb mit zeitweise mehr als 21.000 Beschäftigten wurde von General Motors seit gut 20 Jahren immer wieder durch angebliches Gesundschrumpfen verkleinert – heute arbeiten dort nur noch etwa 4.000 Menschen, davon etliche bei Fremdfirmen wie Caterpillar, und nicht einmal alle fest angestellt, sondern ein Teil als Leiharbeiter – vorübergehend wurden sogar Werksstudenten eingestellt, die man nach ein paar Wochen schnell wieder loswerden konnte.
Nach einem mehr als zweijährigen Gerangel um den Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen, um das Schicksal von Opel überhaupt schien mit der Zustimmung zum sogenannten „Master Agreement“ im Jahr 2010 zumindest bis zum 31.12.2014 eine Phase der Ruhe gesichert. Im „Master Agreement“ sind betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen bei Erfüllung der Vereinbarungen (!) ausdrücklich ausgeschlossen – diese schriftliche Zusage von GM buchte der Betriebsrat als großartigen Erfolg seines „Kampfes“. Dass es dem Bochumer Betriebsratsvorsitzenden Einenkel gelungen war, die Bochumer Belegschaft von der Ablehnung der Vereinbarungen abzuhalten und sie wieder einmal zum Verzicht zu überrumpeln, kommentierte er anschließend sinngemäß so: „Es ist uns gelungen, die Isolierung der Bochumer zu verhindern.“
Viele in der Belegschaft haben keine Illusionen. Für sie steht ziemlich fest, dass (spätestens) nach dem 31.12.2014 Schluss ist mit dem Werk in Bochum. „Das sitze ich bis dahin aus,“ kommentieren sie etwas resigniert.
Doch seit dem 21.November 2011 und vor allem seit den letzten Wochen sorgen Äußerungen von General Motors wieder für Unruhe. GM hat im letzten Jahr einen Gewinn gemacht von 7,6 Milliarden US-Dollar – mehr als doppelt soviel wie im vergangenen Jahr und ein Rekordergebnis in der mehr als 100jährigen Unternehmensgeschichte; in allen Produktionsstätten in der Welt schrieb GM schwarze Zahlen, nur in Europa nicht. Hier wurden im vergangenen Jahr zwar die Verluste im Vergleich zu 2010 etwa halbiert, doch das reicht GM und seinen Aktionären nicht, das soll sich ändern. Angepeilt wird für 2012 ein Gesamtgewinn von 10 Milliarden US-Dollar und die Kapitalistenlogik kennen wir ja. Der weltweit gemachte Gewinn würde zwar mehrfach ausreichen, um den Verlust in Europa auszugleichen, doch so funktioniert Kapitalismus nun mal nicht. Auch in Europa sollen zukünftig schwarze Zahlen geschrieben werden. Dazu, munkelt man, sollen das Werk in England und das Werk in Bochum geschlossen werden. Dabei ist GM für die Minuszahlen in Europa selbst verantwortlich: die hier hergestellten Fahrzeuge dürfen z.B. nicht auf dem boomenden Weltmarkt, in Indien, Brasilien usw. verkauft werden, zusätzlich macht GM mit dem Verkauf des Chevrolet auf dem europäischen Markt Opel Konkurrenz.
Gegenüber der – wieder einmal – aufkommenden Besorgnis um die Zukunft der Arbeitsplätze, die Zukunft der Kolleginnen und Kollegen, die Zukunft der Stadt Bochum wiegelt Betriebsratsvorsitzender Einenkel – wieder einmal – ab. Mit Hinweis auf das Master Agreement behauptet er, es gäbe ja gültige Verträge für die Sicherheit der Arbeitsplätze bei Opel Bochum und gegen Werksschließungen bis zum 1.Januar 2015.
Der Betriebsrat, die IG Metall hat sicherlich Juristen, die etwas von ihrem Fach verstehen. Doch die hat General Motors auch – wenn nicht noch gewieftere. Den Pferdefuß (eigentlich sind es sogar zwei!) im Master Agreement entdeckten linke, kritische Opelaner schon vor zwei Jahren. Selbstverständlich hat General Motors in die Vereinbarung eine Ausstiegs-Klausel eingebaut, die es – z.B. bei einer veränderten Wirtschaftslage – erlaubt, sich nicht an die Vereinbarungen zu halten. So heißt es im Master Agreement auf S 8 der deutschen Fassung im Abschnitt V.I: „Schlussbestimmung
Sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (erhebliche Steigerungen der Inflationsrate, Nachfrageeinbruch am Automobilmarkt etc.) oder die dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Grundannahmen wesentlich verändern, werden die Parteien einvernehmliche Lösungen über weitere Maßnahmen suchen.“ Das gilt allerdings nur für die Unternehmer, den Belegschaften steht so ein Recht nicht zu. Nach dieser Klausel ist die offizielle Vertretung der Belegschaft dann verpflichtet, in neue Verhandlungen mit dem Ziel der einvernehmlichen Einigung einzutreten…
Mit der bis zum 31.12.2014 erhofften Ruhe im Betrieb könnte es bald vorbei sein – das gilt für jede einzelne Kollegin, für jeden einzelnen Kollegen in Bezug auf ihre nun wieder unsicher werdende soziale Lage, aber vielleicht auch für das Arbeitsklima im Betrieb.