Russische Förderation: Wachsender Protest auf Russlands Straßen

Korrespondenz: Nach den Parlamentswahlen am 4. Dezember fanden in Russland die größten Kundgebungen und Demonstrationen seit 20 Jahren statt. Diese waren Reaktion gegen die Regierungspartei „Einiges Russland“, die sich nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse mit massiven Vorwürfen konfrontiert sah. Unfaire Wahlen, gefälschte Wahlen („schmutzige Wahlen“) und der Ausschluss von Oppositionellen haben dem Vorsitzenden Putin und Präsident Medwedjew, der als Spitzenkandidat antrat, den Wahlsieg eingebracht, so die Vorwürfe. Natürlich weiß niemand um das Ausmaß der Wahlfälschung. Eine Wiederholung der Wahlen wird bislang kategorisch von den Herrschenden ausgeschlossen. Offiziell, so das amtliche Ergebnis, rutschte die Regierungspartei von einer Zwei-Drittel-Mehrheit auf 49 Prozent ab. Zudem soll es in den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im April zu einer Rochade kommen, Putin soll Medwedjew als Präsident wieder ablösen. Nicht nur der Strohmann-Deal sondern auch das Geschacher um ein „neues Regierungsteam“ aus dem alten Regierungsteam macht vor aller Welt den Eindruck einer Scheindemokratie mit abstrusen Momenten und hat die Protestbewegung zusätzlich befeuert. Seit Anfang letzten Jahres wurde mit der Gründung einer „Allrussischen Volksfront“ schon versucht dieser Entwicklung entgegenzuwirken und neue Menschen für die Partei im Niedergang hinzuzugewinnen. Mehrmals gingen im Dezember vergangenen Jahres mehrere zehntausend Menschen auf die Straßen, um gegen Wahlfälschung und für mehr Demokratie zu protestieren. Die Staatsmacht reagierte zunächst mit brutaler Gewalt. Wie derzeit in vielen anderen Teilen der Welt versuchte die Regierung zunächst den Protest schnellstmöglich mit knüppelnden Spezialeinheiten und Wasserwerfern niederzuwerfen. Erst als sich die Protestbewegung als stabiler als von der Regierung erwartet zeigte, lenkte diese etwas ein. Man wolle den Demonstranten zuhören, die Proteste respektieren und die Vorwürfe prüfen lassen, so die Verlautbarungen von russischen Regierungsvertretern. Die Regierungspartei Einiges Russland  unter Putin konnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und nach der Ära Jelzin mit Stabilität und Berechenbarkeit für sich werben. Doch Stabilität und Berechenbarkeit können nicht gepachtet werden. Immer mehr Menschen in Russland fühlen sich betrogen. „Niemand wünscht ein Chaos“ ,ließ Ministerpräsident Wladimir Putin zu Beginn der Proteste verlauten. Doch die meisten Menschen in Russland leben in einer Art von Chaos, weil sie tagtäglich ein Leben in Armut führen, das gerade mal zum Leben reicht, während sich eine Schicht von Superreichen sehr schnell herausgebildet hat und diesen Reichtum auch schamlos vorführt. Dabei wird die Ökonomie der Russischen Förderation immer noch beträchtlich vom Handel mit Öl und Erdgas bestimmt. Neben dem zurückgebliebenen militärisch-industriellen Komplex gibt es noch eine Reihe von Investoren, wie z.B. in der Automobilindustrie, die in Russland produzieren lassen. Die nationale Innovation und technische Entwicklung Russlands bleibt dabei jedoch auf der Strecke. Ausländische Banken und Konzerne sind vor allem am eigenen Profit interessiert. Noch sind es in erster Linie junge Leute, Schüler und Studenten, die städtische Mittelschicht und die bürgerliche Opposition die es auf die Straßen und Plätze treibt. Beteiligte Organisationen wie Nationalisten und die revisionistische KPRF lassen zwar auf eine große Bandbreite schließen, doch soll sich die gesellschaftlich wichtigste Kraft, die Arbeiterklasse, bisher eher zurückhaltend beteiligen. Dies mag mehrere Gründe haben, was untersucht werden sollte. Das Fehlen von einer marxistisch-leninistischen Organisation mit Masseneinfluss jedoch zeigt auch in Russland wie anderswo auch, die Defizite in Organisation, Führung und Ideologie der Arbeiterklasse an.
ab