Wolfgang Schorlaus neuester Krimi „Die letzte Flucht“ ist wieder einmal kein reines Produkt der Phantasie, sondern basiert auf Tatsachen. Und ebenfalls wie immer hat Wolfgang Schorlau sauber recherchiert und dokumentiert. Auf seiner Homepage (www.schorlau.com/Materialien.html) zum Buch findet man eine Unmenge an Hinweisen zu Veröffentlichungen zum Thema – mit direktem Link zu den entsprechenden Internetseiten. Hier wird saubere Arbeit abgeliefert, die weit über einen Krimi hinausgeht.
Das Thema des Krimis sind die kriminellen Machenschaften der Pharmaindustrie. Dabei hat die Geschichte zwei Handlungsstränge. Einmal wird ein hochrangiger Manager eines Pharmakonzerns entführt und in seinem Gefängnis nach den Methoden der Pharmaindustrie ausgefragt. Schorlau nutzt diesen Handlungsstrang dazu, dem Leser in der Form einer spannenden Erzählung die Tatsachen über das reale kriminelle Treiben der Pharmakonzerne in bekömmlichen Häppchen nahezubringen. Allerdings vergeht einem da immer wieder der Appetit. In der komprimierten Form des Kriminalromans wird sichtbar, wie ekelerregend und unmenschlich das Treiben dieser Maschinen zur Profitmaximierung auf Kosten der Kranken ist. Da erfährt man, mit welchen Methoden diese Herrschaften sehr teure, aber nutzlose Medikamente durch das Zulassungsverfahren schleusen; wie sie dann den Umsatz steigern, indem sie massenhaft Ärzte korrumpieren, Selbsthilfegruppen unterwandern, um diese zusteuern und zu benutzen, wie sie todkranke Menschen motivieren, ausgerechnet nach diesen immens teuren, aber nutzlosen Medikamenten zu verlangen.
Im zweiten Handlungsstrang tritt der Privatdetektiv Dengler in Aktion. Ein Medizinprofessor ist beschuldigt, ein Kind entführt, vergewaltigt und umgebracht zu haben. Die Kette der Indizienbeweise ist lückenlos. Der Anwalt des Beschuldigten beauftragt Dengler mit Ermittlungen. Lange findet Dengler keine Anhaltspunkte, die den Professor entlasten könnten, obwohl der Fall merkwürdig wirkt. Am Ende jedoch kommt heraus, dass Indizien manipuliert wurden, um den Professor hinter Gittern zu bringen. Die Auftraggeber: Große Pharmakonzerne, die den Professor ausschalten wollen, weil er sich dafür einsetzt, dass staatlich finanzierte Forschungsergebnisse an den Universitäten nicht zum Schleuderpreis an Pharmakonzerne verramscht werden und diese damit Riesenprofite machen. Auch diese Geschichte hat einen realen Hintergrund, da es beispielsweise an der Charite in Berlin einen solchen Beschluss gibt. Er wurde gegen den heftigen Widerstand der Pharmakonzerne durchgesetzt. Ebenso gibt es eine Initiative von fortschrittlichen Ärzten „Wir zahlen unser Essen selbst“ gegen die Korruption durch die Pharmakonzerne.
Der neue Roman von Schorlau ist allein schon durch die Tatsachen über die Pharmaindustrie spannend, spannender als so mancher aufwendige Krimi. Leider ist der eigentliche Krimi dieses Mal nicht so spannend und glaubwürdig, wie man das bei Schorlau gewohnt ist. Schade! So erscheint es mehr als unglaubwürdig, dass der Partner der in der Mord- und Vergewaltigungssache ermittelnden Kommissarin der Entführer des Pharmamanagers ist. Auch sonst wirken manche Details des Krimis etwas an den Haaren herbeigezogen. Das ist schade! Das wirklich spannende und aufregende Werk verliert dadurch an Glaubwürdigkeit. Trotz dieses Mangels kann der neue Krimi von Schorlau empfohlen werden. Weihnachten naht und so gibt es sicher manche Gelegenheit, diesen Roman zu verschenken oder auf die eigene Wunschliste zu setzen. Und man kann sicher sein: Selbst Tante Margret, die sonst nie was von Politik hören will, wird nach der Lektüre dieses Krimis die Welt anders sehen.
Wolfgang Schorlau, Die letzte Flucht, 351 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 2011, ISBN-13: 978-3462042795, 8,99 Euro
dm