Zur Diskussion! Metalltarifrunde 2011:10% mehr Lohn und Entgelt, mindestens 250 Euro!

Es sprach jüngst ein Vorstandvorsitzender einer mittleren AG der Metall- und Elektroindustrie im Wirtschaftsausschuss: „ Na ja, für das nächste Jahr rechnen wir mit Lohnkostensteigerung im tariflichen Bereich von etwas mehr als 3 %. Das haben wir auch so in unsre Planung für 2012 eingestellt.“ Kein Witz! Natürlich können wir keine näheren Daten nennen, um unsere Informant/innen nicht zu gefährden. Aber so etwa hat es sich zugetragen. Da macht es einen schon stutzig, wenn am 26.10. folgende Meldung aus dem IG Metall-Ticker kommt:

„Tarifergebnis für Metallbau und Feinwerktechnik in Baden-Württemberg erreicht!

… Die 43000 Beschäftigten in den baden-württembergischen Metallbau- und Feinwerktechnik-Betrieben bekommen mehr Geld: Ihre Löhne und Gehälter steigen ab 1. November um 3,2 Prozent.“

Das wiegt kaum die Inflationsrate auf, ist in Wirklichkeit ein Minusabschluss!!

Eine kleinere Branche innerhalb der IG Metall, die mit ihrer Tarifvertragslaufzeit zwischen „den Stühlen“ sitzt, erzielt 3,2 %, genau, wie man von Vorständlern der Metallindustrie an anderer Stelle zu hören bekommt?! Das sollte man im Auge behalten, wenn die Stahltarifrunde der IG Metall mit folgender Forderung startet:

 

Die Stahl-Forderungen:

19.10.2011 „Wer mehr Wert schafft, hat auch mehr verdient.“ Unter diesem Motto starten am Freitag, dem 21.10.2011 die Tarifverhandlungen für die rund 75.000 Stahl-Beschäftigten in Nordwestdeutschland. Die IG Metall fordert sieben Prozent mehr Geld, die unbefristete Übernahme der Auszubildenden und eine bessere Altersteilzeit.“ (Quelle IG Metall)

Es passt nicht zusammen, wenn einerseits 3,2 % abgeschlossen wird, andererseits 7 % gefordert werden. Wir wünschen den Stahlkolleg/innen viel Kampfgeist, Mut und Hartnäckigkeit, um im Ergebnis ihren Forderungen nahezukommen!

All des passt aber auch nicht mit den Forderungen vieler Kolleg/innen zusammen, die nach Jahren der Minusabschlüsse noch deutlich mehr wollen. Und das zu recht:

 

Wir hinken der Lohnentwicklung hinterher!

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) haben nämlich die Beschäftigten in Deutschland ein regelrecht verlorenes Jahrzehnt hinter sich: Die Löhne fielen gegenüber dem Jahr 2000 – um den Preisanstieg bereinigt – um 4,5 Prozent! Wir verdienen im Durchschnitt also weniger als vor zehn Jahren – trotz Anstieg der Produktivität. Deutschland ist damit Schlusslicht unter 26 entwickelten Industrienationen. Nur in Israel und Japan gab es ebenfalls Reallohnverluste, aber sie fallen geringer aus als in Deutschland. In den übrigen entwickelten Ländern stiegen die Reallöhne, in Norwegen legten sie seit 2000 um 25 Prozent zu. Mit dieser negativen Entwicklung aber haben die deutschen Unternehmer und Kapitalisten ein saugutes Geschäft gemacht. Ihr Lohnstückkosten (LSK) sanken im Vergleich zu den ausländischen Konkurrenten stark ab, was Ihnen unter anderem heute ihren starken Start aus der Krise heraus ermöglichte. Von 2000 bis 2010 sind die LSK im Durchschnitt der Euro-Zone um 20% gestiegen (ohne die BRD um 27%!), in Deutschland lag der Anstieg gerade einmal bei sechs Prozent! Wären im letzten Jahrzehnt die Einkommen proportional zur Produktivitäts- und Preisentwicklung angewachsen, dann lägen die Lohnstückkosten hier um rund 20 % höher. Dann wäre wenigstens der sogenannte verteilungsneutrale Spielraum ausgeschöpft worden, und es hätte keine ständige Enteignung der Beschäftigten zugunsten der Unternehmen gegeben. Sinkende Lohnstückkosten sind ein Stück Umverteilung – von unten nach oben!

Die Inflationsrate, die unsere Löhne direkt und schleichend frisst, wird mit Werten von 2,7% bis 3% gerechnet. Aber auch hier ist Differenzierung angesagt: Der so genannte Warenkorb, mit dem die Kosten für einen privaten deutschen Durchschnittshaushalt (2,3 Personen) ermittelt werden, enthält seit 2004 ungefähr 750 Güter mit ca. 300.000 Preisen, die nach dem vermuteten Durchschnittsbedarf gewichtet sind. Aber:

In den unteren Entgeltgruppen muss das Gewicht der Produktgruppen anders gewertet werden: Menschen geringeren Einkommens geben einen viel größeren Teil ihres Einkommens z. B. für Nahrungsmittel, Wohnung und Wohnnebenkosten aus. Bei diesen Produkten ist die Inflation aber höher als im Schnitt des Warenkorbs. Deshalb sind dort die Reallohnverluste höher.

Deshalb: Eine mutige Forderung in die Diskussion tragen!

Alles Gesagte zusammengenommen, steht man vor der Erkenntnis, dass selbst die 7 % der Stahltarifrunde sehr bescheiden sind. Viele Kolleg/innen äußern sich derzeit spontan zur Forderungshöhe so: 8%-10% seien angemessen! Außerdem wollen viele eine Laufzeit von maximal 12 Monaten! Und das ist angesichts der neusten Profitentwicklung nur gerecht. Aber wir müssten uns mit solch einer hohen Forderung gegen ein offensichtlich schon vorbereitetes 3,x %-Szenario durchsetzen. So tauchen auch bescheidenere, aber diskutable Forderungspakete auf wie: 7 %, mindestens 180 Euro, was in Baden-Württemberg bedeuten würde, dass unter ERA-Entgeltgruppe 8 der Festbetrag, darüber aber 7 % gelten würden. Wir schlagen vor, die Diskussion mit folgender Forderung etwas zu befeuern: Nicht so bescheiden! Wir schlagen vor:

10 % mehr Entgelt, mindestens aber 250 Euro!

Das wären etwa 10% auf Entgeltgruppe 7 in Baden-Württemberg, das ja oft Pilotbezirk war! Wir sollten anspruchsvoll diskutieren und in der Diskussion das sich andeutende Minus-Szenario kritisieren!

Probleme mit den anderen Forderungen.

Es ist nicht falsch, auch andere, qualitative Forderungen aufzustellen. Die Stahl-Beschäftigten

forderten „Unbefristete Übernahme der Auszubildenden und eine bessere Altersteilzeit.“ zusätzlich zu ihrer 7-%-Forderung. Eine ganz andere Debatte läuft in Baden-Württemberg:

Die IG Metall will hier noch vor der Tarifrunde mit den Arbeitgebern Themen wie Übernahme und mehr Mitbestimmung bei Leiharbeit verhandeln. Das hat die Große Tarifkommission der Gewerkschaft einstimmig beschlossen. Aber: Die IG Metall strebt hier ein Ergebnis an, noch bevor im Frühjahr 2012 die kommende Entgelttarifrunde startet. Die Tarifkommission bestätigt damit einen Kurs, dessen Marschrichtung das Gremium bereits auf seiner Sitzung im Juli vorgegeben hatte. Der Vorstand der IG Metall ist dem Forderungsrahmen am vergangenen Montag gefolgt und hat sich ebenfalls für die Forderungen ausgesprochen.

Die IG Metall Baden-Württemberg will erreichen:

* die unbefristete Übernahme von Ausgebildeten im Anschluss an die Berufsausbildung

* tarifliche Regelungen zur Verbesserung des Ausbildungszugangs für benachteiligte Jugendliche, der Ausbildungsbegleitung und der beruflichen Entwicklung

ein wirksames Zustimmungsverweigerungsrecht für Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit im Betrieb mit tariflicher Schlichtungsstelle als Konfliktregulierung

* Regelung von Leiharbeit, insbesondere zu Anlass, Volumen, Dauer, Einsatzbereichen, Übernahme sowie Auswahlkriterien in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung

* Ausweitung der Informations- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten im Betrieb

* Weiterführung und Verstetigung der Regelungen des TV Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigung!.

Alles ehrenwert! Wir unterstützen diese Forderungen, auch wenn wir speziell zu den prekären Beschäftigungen viel weitergehende Forderungen wie „Verbot der Leiharbeit!“ unterstützen (Siehe eigenen Artikel!) Das Problem ist ein anders! Wir alle sind nicht blind und ohne Erfahrungen aus der Vergangenheit. All diese Themen werden dazu dienen, die Lohnforderung kleinzurechnen, gegen diese aufzurechnen und so fort! Wenn man in Baden-Württemberg zu einem vorgezogenen Abschluss kommt, werden wir dagegen ankämpfen müssen, dass das Kapital dann für das Geld einen vorgezogenen Abschluss auf „Verrechnungsbasis“ verlangen wird! Man muss aufpassen, dass überhaupt das „equal pay“ für die Leihkolleg/innen zur Sprache kommt!

Wenn wir uns deutlich aussprechen, dann muss man sagen: die qualitativen Zusatzforderungen werden dazu missbraucht werden, eine deutliche Einkommensverbesserung zu verhindern, aber Ergebnisse für die Jugend, für die Leiharbeitnehmer/innen oder die „Werkverträgler“ sollen ins Ungefähre, ins Unscharfe bzw. in die oft ungewisse Verhandlungsmacht der Betriebsräte vor Ort überantwortet werden. Man kennt das bereits! Deshalb sehen wir das Vorgehen der IG Metall hier kritisch.

Wir brauchen stattdessen einheitliche Tarifverträge, für alle gleich, ohne betriebliche Öffnungsklauseln! Und die hier vorgestellten deutlichen, tarifwirksamen Lohnerhöhungen jetzt! Hierfür können sich aber nur die kämpferische Basis, die aktiven und selbstbewussten Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben stark machen!

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