Eurokrise III: Großmacht Deutschland herrscht

15 Minuten später tritt die eigentliche Gewinnerin auf und gibt sich so sachlich wie nur möglich. Im deutschen Briefingraum nebenan referiert Angela Merkel, die dieser Einigung ihren Stempel aufgedrückt hat…“ (Stuttgarter Zeitung, 28.10.11, S.3)

In einem Interview beschwerte sich Jacques Delors: „Meiner Meinung nach ist dies der totale Triumph von Frau Merkel.“ Und weiter: „Das aber ist eine Rückkehr zu den Zuständen des 19. Jahrhunderts, wo die Diplomatie wie ein kaltes Monster Europa zu schaffen machte.“ (Stuttgarter Zeitung, 29.20.11, S.4)

Tatsächlich hat nicht Frau Merkel, sondern die Großmacht Deutschland der EU immer mehr ihren Stempel aufgedrückt. Die deutschen Banken und die deutsche Industrie haben von der Krise profitiert. Im Innern haben sie in einem Bündnis mit den Gewerkschaftsführern die Lohnkosten dramatisch gesenkt, ihre Konkurrenzfähigkeit auf den weltweiten Märkten erhöht. Innerhalb Europas haben sie die schwächeren Konkurrenten an die Wand gespielt. Daher ist das Wirtschaftswachstum in Deutschland höher als in anderen europäischen Staaten. Sie haben sich zu Lasten der Konkurrenz saniert.

Auch in der Eurokrise haben deutsche Banken eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben wie z.B. die Deutsche Bank rechtzeitig einen großen Teil ihrer griechischen Staatsanleihen abgestoßen und kräftig mit gegen den Euro spekuliert. Das hat sich nun gelohnt. Bei dem jetzigen 50%-Schuldenschnitt verlieren sie praktisch nichts, während andere Großbanken in Frankreich, Griechenland usw., die deutlich mehr griechische Staatsanleihen besitzen, Verluste erleiden. Damit erhöht sich das Gewicht der deutschen Großbanken.

Und als Geldgeber vertritt der deutsche Imperialismus in Gestalt von Angela Merkel den Standpunkt: Wer zahlt, bestimmt die Musik!

So schreibt die Stuttgarter Zeitung, 28.10.11, S.2: „Viel Ärger in Griechenland könnte noch auslösen, dass es künftig nicht mehr alle drei Monate Expertenkontrollen durch die sogenannte Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds geben soll. Dies koste ‚zu viel Nerven‘ hatte es vor dem Gipfel in deutschen Regierungskreisen geheißen. Stattdessen soll in Athen eine dauerhafte Präsenz eingerichtet werden, damit es – so Merkel – ‚laufend möglich ist‘, Maßnahmen vor Ort zu überprüfen und notfalls gegenzusteuern.“

Damit wird die griechische Regierung endgültig entmachtet und zu einem Vollstreckungsbeamten des Finanzkapitals, vor allem des deutschen.

Diese Politik des deutschen Finanzkapitals ist brandgefährlich! Es ist eine Politik der Beherrschung der anderen, schwächeren Nationen. Das ist Imperialismus, wie er leibt und lebt.

Die Beherrschung und Ausplünderung anderer Nationen erhöht den Hass und bietet Raum für nationalistische Strömungen. Nationalisten hetzen in Deutschland gegen „die faulen Griechen“. In Griechenland hetzen Nationalisten gegen „die Deutschen“. Das lenkt von der Verantwortung des Finanzkapitals ab.

Die Beherrschung und Ausplünderung anderer Nationen erhöht nun sichtbar die Widersprüche und Konflikte zwischen den imperialistischen und kapitalistischen Staaten. Nicht umsonst hat sich der französische Präsident Sarkozy mit Händen und Füßen gegen einen Schuldenschnitt von 50% gewehrt und musste sich am Ende dem Diktat des deutschen Finanzkapitals beugen. Er hat die Interessen der französischen Großbanken verteidigt, die eben viele griechische Staatsanleihen halten. Was jetzt noch „diplomatisch“, also mit Macht, Druck und Geld geregelt wird, kann aber jederzeit umschlagen. Nicht umsonst hat Delors in seinem Interview vor der Diplomatie des 19. Jahrhunderts gewarnt, die mehrfach zu Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich geführt hat.

Die Arbeiter, Angestellten, alle Werktätigen und fortschrittlichen Menschen müssen sich gegen diese Großmachtpolitik wenden. Sie müssen erkennen, dass die eigenen herrschenden Damen und Herren, auch und gerade die in Berlin, nicht nur beim Lohnzettel, Rentenbescheid, beim Arbeits- und Sozialrecht ihr Feind sind, sondern bei allem und jedem, was sie treiben, im Innern wie International! Denn Arbeiter, Angestellte, alle Werktätigen und alle fortschrittlichen Menschen müssen die Rechnung zahlen – im Frieden und erst recht im Krieg. Heute zahlen sie mit sinkenden Löhnen und Sozialleistungen, damit das deutsche Kapital im wirtschaftlichen Krieg mit seinen Konkurrenten gewinnt. Sollte es aber morgen wieder zu einer solchen Verschärfung der imperialistischen Widersprüche kommen, dass diese militärisch ausgetragen werden, dann wird die Rechnung erheblich höher ausfallen und in Blut geschrieben werden.

dm