Von Erdogans Soldaten und importiertem Faschismus

Am 23.10.11 hallen Parolen wie „Wir sind Kemals Soldaten“ und „Nieder mit der PKK“ neben islamischen Kriegstreiberparolen durch Stuttgarts Straßen. 2500 Türken, größtenteils Jugendliche, versuchen ihrer Stimme Gehör zu verschaffen und wieder einmal gegen den „Terror“ zu marschieren.

In den vergangenen Monaten fanden in mehreren Städten, darunter in Berlin, Dortmund, Mannheim, Essen, Hamburg und auch in Stuttgart mehrere derartige Demonstrationen statt, die bei jungen, türkischstämmigen Nationalisten ziemlich gut anzukommen scheinen.

Die Demonstration am 23.10.11 bildete den emotionalen Höhepunkt, da viele Jugendliche über die Tötung von 26 Soldaten durch PKK-Aktivisten empört sind und nun Rache fordern. Nur ein kleiner Teil der Demonstranten war gekommen, um gegen Spaltung und Rassismus zu marschieren, jedoch waren deren Rufe nach Brüderlichkeit und Zusammenhalt gegen den Imperialismus zum Verstummen verurteilt.

Auffällig war, dass das aggressive Verhalten und die provokativen Parolen der Menschen in Stuttgart sehr an die Ausschnitte aus den türkischen Medien erinnerte, diese sogar übertraf. Schamlose Parolen, die auf die Mütter der kurdisch-stämmigen abzielten, wurden von jungen Türken im Chor gesungen. Von Rücksicht gegenüber den mitdemonstrierenden und zuschauenden Müttern keine Spur!

Dass es jede Menge Handgemenge und Schlägereien gab, war kein Zufall, denn der türkische Staatspräsident hatte erst kürzlich „Rache“ angekündigt. Die türkischen Medien zeigen Kriegsbilder, Schießereien und Schlägereien, dann Väter und Mütter, die lauthals bei der Beerdigung ihrer Söhne schreien, dass sie bereit sind, auch den jüngeren Sohn und sich selbst für den Staat zu opfern.

Demonstrationen für Frieden und für die Anerkennung der Kurden und deren Sprache sind in den Medien nicht zu sehen. Nur einige wenige Medien gehen an die Grenzen ihrer Pressefreiheit und schaffen es die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Kurz gesagt: Sie riskieren ihre Existenz.

Die Wahrheit sieht anders aus: Denn viele verurteilen den Staatsterror und fordern eine friedliche Lösung und ein Ende der Bombardierungen der kurdischen Dörfer. Doch von der Solidarität der kurdischen und türkischen Menschen in der Türkei ist in den Medien nichts zu sehen. Warum auch? Die Menschen würden auf die Idee kommen, die Gemeinsamkeiten, die sie als Menschen in diesem System haben, hervorzuheben und könnten somit eine Gefahr für das vorherrschende System und dessen Herrschende darstellen. Eine weitere Wahrheit ist leider auch, dass die regierende AKP als rechts-konservativ eingestuft werden kann und den Terror auch einerseits braucht, um wichtige Wählerkreise nicht zu verlieren. Der Widerstand der Kurden gegen die Unterdrückung wird als Gefahr für die Nation dargestellt und die Kriegsführung als einziger Weg in den Medien prophezeit.

In Stuttgart wurden heute die Antifaschisten und Kurden von der wütenden Stuttgarter Polizei und den Rufen aus dem „Anti-Terror“ Block provoziert und dann größtenteils eingekesselt und festgenommen. Erdogan und Gül haben somit ihr Ziel erreicht und Hass unter den Menschen geschürt. Auf die deutschen Beobachter der Demo machte dieses Szenario den Eindruck, als wären die in Stuttgart lebenden Menschen mit Migrationshintergrund generell aggressiv und gewaltbereit. Viele türkische und kurdische Beobachter kannten dieses Theaterstück vom Regisseur Erdogan bereits aus dem Fernsehen und reservierten sich deswegen Sitzplätze in den hinteren Reihen des Schlossplatzes während Merkels Tontechniker in Grün Ehrenplätze in der ersten Reihe bekamen.

Die kurdischen und türkischen Jugendlichen, die erst kürzlich gemeinsam am Jugendaktionstag der IG Metall teilnahmen und bessere Arbeitsbedingungen und eine unbefristete Übernahme forderten, laufen Gefahr sich für die Interessen von Recep Tayyip Erdogan und Angela Merkel instrumentalisieren zu lassen. Um diese Gefahr abzuwenden, ist es wichtig, dass jetzt erst recht gemeinsam und lautstark mit Forderungen wie Verbot der Leiharbeit, Ende des Krieges in Kurdistan, Afghanistan etc. und ein besseres Bildungssystem und die Übernahme nach der Ausbildung auf die Straße gegangen wird. Der am 17.11.2011 stattfindende Bildungsstreik könnte somit eine große Chance für alle in Deutschland lebenden Jugendlichen darstellen um nochmals gemeinsam gegen die Sparprogramme im Bildungssystem vorzugehen. Die Erfolge der vergangenen Bildungsproteste sind klar zu sehen und gerade deswegen dürfen wir uns jetzt nicht spalten lassen!!

E.D.