Gerade werden überall für die Hungernden in Somalia, Äthiopien und Kenia Spenden gesammelt. Viele Menschen geben Geld, weil sie helfen wollen, weil die grausamen Bilder von sterbenden Kindern sie aufrütteln. Diese Hilfsbereitschaft ist positiv und zeigt, wie stark Gefühle der Solidarität sind.
Doch die Krise ist ein Ergebnis des Profitstrebens des Kapitals und die Hilfsaktionen werden vom Kapital sogar genutzt, um die Profite zu erhöhen.
Nahrung ist nämlich nicht nur ein Bedürfnis, sondern auch ein Medium, mit dem sich vortrefflich Profit machen lässt. Seit in anderen Bereichen die Spekulationsblase geplatzt ist, haben sich Milliarden schwere Investoren zunehmend auf Spekulationen im Bereich Nahrungsmittel und Rohstoffe verlegt. So wirbt die Landesbank Baden-Württemberg auf ihren Internetseiten ausdrücklich: „Sogenannte ‚Soft Commodities‘ (Baumwolle, Kaffee, Kakao, Lebendrind, Magerschwein, Mais, Mastrind, Sojabohnen, Sojabohnenöl, Weizen, roter Weizen und Zucker) können wir ebenfalls – in Form von Termingeschäften – absichern.“
(siehe http://www.lbbw-international.com/international/1000015198-de.html)
Das Kapital schreit förmlich: „Hurra, der Hunger ist da! Wer Lebensmittel hat, kann sie nun teuer und profitabel verkaufen!“
Wie heißt es so treffend im „Song von der Ware“ von Bertolt Brecht?
„Reis gibt es unten am Flusse.
In den obern Provinzen brauchen die Leute
Reis.
Wenn wir den Reis in den Lagern lassen
Wird der Reis für sie teurer.
Die den Reiskahn schleppen, kriegen dann
noch weniger Reis
Dann wird der Reis für mich noch billiger.
Was ist eigentlich Reis?
Weiß ich, was ein Reis ist?
Weiß ich, wer das weiß!
Ich weiß nicht, was ein Reis ist
Ich kenne nur seinen Preis.“
Genau! Das ist Kapitalismus!
Daher kommt überhaupt erst der Hunger in Somalia, Äthiopien, Kenia. Denn tatsächlich sind diese Länder fruchtbar und könnten die Bevölkerung ernähren. In Eritrea beispielsweise hat die Regierung große Getreidevorräte anlegen lassen und sich damit vom Weltmarkt und von Ernteeinbrüchen unabhängig gemacht. Während in den umliegenden Staaten die Nahrungsmittelpreise um bis zu 140% gestiegen sind, sind sie in Eritrea stabil. Dazu kommt, dass in Ländern wie Äthiopien und Kenia ausländische Spekulanten immer mehr fruchtbares Land aufkaufen, die kleinen Bauern vertreiben und auf großen Plantagen Nahrungsmittel anbauen, die dann als Viehfutter für die Fleischzucht nach Europa oder in die reichen arabischen Ölstaaten gehen. Zudem werden diese Nahrungsmittel auch für die so genannten „Bio“-Kraftstoffe genutzt. 2005 wurde für die „Bio“-Ethanol-Produktion eine Menge benötigt, die rund einem Drittel der US-Getreideernte entsprach. Da mittlerweile „Bio“-Kraftstoffe wie E10 in der EU gesetzlich vorgeschrieben sind, steigt der Verbrauch von Lebensmitteln für die Produktion von Kraftstoffen.
Erstaunlich: Äthiopien, in dem Menschen verhungern, hat 2010 allein nach Saudi-Arabien über 10.000 Tonnen Reis exportiert. Eine kleine Clique von Reichen verdient gut daran, während das Volk verhungert.
Wenn heute von Somalia gesprochen wird, dann von Piraten, die westliche Handelsschiffe kapern und Lösegeld verlangen, oder von islamistischen Milizen. Geschwiegen wird darüber, dass westliche Fischfangflotten die Küstengewässer vor Somalia – und nicht nur dort – fast leer gefischt haben. Da an der Küste sehr viele Menschen von Fischfang gelebt haben, ist deren Lebensgrundlage weitgehend zerstört worden. Die wahren Piraten und Räuber sind die westlichen Nahrungsmittelkonzerne, die die Menschen in Elend und Armut stoßen. Über sie wird jedoch im Zusammenhang mit der Hungerkatastrophe kein Wort verloren.
Der Hunger ist also keine Naturkatastrophe, auch wenn eine extreme Dürre herrscht. Denn wenn man all das Getreide, das für Fleischzucht oder „Bio“-Ethanol exportiert und verbraucht wird, gelagert hätte, gäbe es genügend Reserven. Wenn westliche Nahrungsmittelkonzerne ihren Bedarf an Fisch nicht u. a. vor den Küsten Afrikas decken würden, hätten die Menschen dort eine zusätzliche wichtige Nahrungsquelle. Dürren wird es immer wieder geben. Das kann man bewältigen. Aber der Kapitalismus profitiert vom Hunger. Tatsächlich reiben sich nun all die Spekulanten, die in Getreide investiert haben, die Hände. Mit den Hilfsaktionen ist ihr Profit sicher. Durch die verstärkten Aufkäufe von Nahrungsmitteln wird deren Preis steigen, sodass viele der Hilfsgelder für diese Preissteigerungen drauf gehen.
Hilfe und Solidarität für die Hungernden ist wichtig. Doch die wichtigste Hilfe besteht darin, langfristige Maßnahmen zu fordern und das kapitalistische System selber zu beseitigen.
Wir fordern:
Verbot der Produktion von „Bio“-Kraftstoffen!
Verbot der Fischerei mit industriellen Großfangflotten vor Hungergebieten!
Die Menschen brauchen keine Almosen, sondern haben ein Recht auf Leben in Würde und Freiheit!