Zur Zeit befindet sich ein Genosse der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands auf Einladung der PCOT in Tunesien und nimmt am Parteitag teil. Hier ein erster Bericht:
Zur Eröffnung ihres ersten Parteitages in der Legalität nach 25 Jahren illegaler Arbeit organisierte die PCOT am 22.7.11 eine Großkundgebung im Sportpalast von El Manzeh. Nach Angaben der PCOT kamen fast 4.000 Menschen zu dieser Eröffnungsveranstaltung. Die Gruppe „Al bahth el Mousiqi eröffnete ihren Auftritt mit der Internationalen. Es folgten zahlreiche Lieder der tunesischen Revolution. Die Stimmung stieg. Die Menschen, viele sichtbar aus dem einfachen Volk, sangen begeistert mit, tanzten, erhoben die Fäuste im Takt. Die bekannte Sängerin Rym Banna trat unter großem Jubel der Halle auf. Sie war mit einer tunesischen und einer palästinensischen Fahne geschmückt.
Die Menschen im Saal waren bunt gemischt. Hier eine alte Frau mit Kopftuch, die voller Enthusiasmus die Faust ballte, daneben ein junges Mädchen, locker gekleidet, dass tanzte. Menschen von Folter gezeichnet, ganze Familien, einfache Bauern und deutlich sichtbar die Arbeiterklasse Tunesiens. Dabei ist es für die Menschen gar nicht so einfach, zu so einer Veranstaltung zu kommen. Viele Menschen sind arbeitslos und können sich die Fahrtkosten nicht leisten. Die herrschende Klasse hat den Menschen das Leben nach der Revolution noch verschlechtert.
Die Gäste aus dem Ausland waren auf dem Podium untergebracht. Als dann die Führung der PCOT mit Genossen Hamma Hammami eintraf, war der Jubel riesengroß und es erklang erneut die Internationale. Hamma Hammami griff in einer kämpferischen Rede alle Versuche, die Revolution in Tunesien klein zu reden, sie zu bremsen und zu stoppen, an. Er forderte eine neue Verfassung – vom Volke geschrieben und verabschiedet. Er forderte wirkliche Demokratie statt der jetzigen Regierung aus Elementen des alten Regimes, der Diktatur. Er forderte eine Demokratie nicht nur mit politischen, sondern auch mit sozialen Rechten. Er erinnerte an die zahllosen Menschen insbesondere aus den Reihen der PCOT, die ihr Leben für die Revolution, für die Befreiung des Volkes gaben. Er erinnerte an den 26 Jahre langen Kampf der PCOT in der Illegalität, an die Genossen, die jahrelang in den Gefängnissen waren, die gefoltert wurden. Immer wieder wurde seine Rede von Begeisterungsstürmen unterbrochen.
Nach ihm verlas Genosse Raul Marco im Namen aller marxistisch-leninistischen Bruderparteien und –organisationen eine Grußbotschaft. Er beglückwünschte die tunesische Arbeiterklasse, die Jugend, die Bauern und das Volk zum Sturz des Tyrannen. Die tunesische Revolution habe auf zahlreiche Länder ausgestrahlt und die Völker ermutigt. Die Diktatoren zittern, wenn sie die Parole der tunesischen Revolution „Abtreten!“ hören. Es folgten Redner verschiedener fortschrittlicher und revolutionärer Partei z. B. aus Benin, Elfenbeinküste, der PFLP aus Palästina, Frankreich, Griechenland. Aus Deutschland war auch die MLPD zu dieser Eröffnungsveranstaltung eingeladen. Höhepunkte waren die Reden eines Vertreters des tunesischen Gewerkschaftsbundes und der Front des 14. Januars.
Zum Abschluss wurde allen gedankt, die mitgeholfen hatten, den Teilnehmern, den Parteien und Organisationen aus aller Welt. Und dann erscholl aus tausenden Kehlen die Internationale in arabisch, aber auch in französisch, englisch, deutsch, dänisch, schwedisch, griechisch, spanisch usw. Ein eindrucksvoller Abend ging zu Ende.
Parteitag: Endlich können wir reden!
Am 23.7. wurde dann der eigentliche Parteitag in Anwesenheit der marxistisch-leninistischen Bruderparteien und –organisationen eröffnet. Das alte Zentralkomitee machte Platz für ein neu gewähltes Parteitagspräsidium aus 2 Frauen und 2 Männern, die den Parteitag leiten. Nachdem der Arbeitsablauf geklärt war, erstattete Genosse Hamma Hammani einen Bericht über die 26 Jahre der illegalen Arbeit mit ihren Schwächen und ihren Stärken, über die zahllosen Opfer, über den entschlossenen, unbeugsamen Kampf der PCOT für den Sturz der Diktatur. Er betont erneut, dass die Revolution nicht zu Ende ist. Viele reformistische Parteien würden sich mit dem neuen Regime arrangieren, die PCOT nicht. Sie wolle den Kampf bis zu Ende führen, bis zu wahrer Demokratie, bis das Volk Herr im eigenen Haus ist. Die anschließende Aussprache war sehr lebhaft. Man spürte, die Genossinnen und Genossen sind nach den Jahrzehnten der Illegalität froh, dass sie endlich ungehindert miteinander diskutieren, ihre Meinung sagen können. Sie genießen es und am ersten Tag geht der Parteitag weit über die geplante Zeit hinaus. Da berichtet ein junges Mädchen mit tränenerstickter Stimme über die Genossinnen und Genossen, die für die Revolution ihr Leben ließen. Ein Genosse, der lange in Haft war, fordert die Partei auf, auch unter den neuen Bedingungen hart zu kämpfen. Immer wieder begrüßen Genossinnen und Genossen die neue Etappe der legalen Arbeit, warnen aber zugleich vor Illusionen und völliger Offenlegung aller Strukturen. Das wird von der Parteiführung auch deutlich unterstrichen. Es ist schwierig, in einem kurzen Bericht, alle Facetten dieses Prozesses wiederzugeben. Es wurde jedoch noch deutlicher: Hier ist eine Partei, die fest im Volk verankert ist, die die Realität analysiert und ihre Taktik entsprechend ausarbeitet, ohne auf ihre programmatischen Ziele zu verzichten. Eine lebendige Partei, die sich den neuen Anforderungen der Revolution stellt, ihre Schwächen sieht und sich auf ihre Stärken stützt.
Am morgigen Tag sollen Arbeitsgruppen einzelne Gebiete wie das Statut, das politische Programm, die Arbeit in der Massenbewegung durcharbeiten und dann im Plenum des Parteitages präsentieren. Wir werden weiter berichten.