„Wir müssen die elementaren Fehler korrigieren, die wir in diesen fünf Jahrzehnten des Aufbaus des Sozialismus begangen haben.“
Staatschef und zukünftiger KP- Vorsitzender Raul Castro [1]
Korrespondenz: 14 Jahre nach ihren letzten Kongress hat die KP Kubas (PCC) in Havanna ihren 6. Parteitag vom 16. bis 19. April einberufen. Der 50. Jahrestag der Invasion in der Schweinebucht wurde von der PCC als Termin für diesen Kongress gewählt. Bereits vor diesem Parteitag gab es immer wieder Aussagen von der Parteiführung, die über den zukünftigen Kurs der Partei und des Landes Aufschluss gaben. So kündigte Staatschef Raul Castro an, dass es mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Kuba nicht mehr so weiter gehen könne. Im Grunde sprach Raul Castro keine neuen Probleme oder Erscheinungen in der kubanischen Wirtschaft an. Insbesondere seit dem Zusammenbruch der sozialimperialistischen Sowjetunion sind die ökonomischen Probleme des Landes angewachsen. Wenngleich es seither immer wieder leichte Erholungsphasen, etwa durch Abkommen mit neuen Bündnis- und Handelspartnern wie China gab, so konnten die angewachsenen Probleme nie richtig eingedämmt und zurückgedrängt werden. Weder der Hauptverbündete Venezuela, noch Geschäfts- und Handelspartner wie China, Russland und Brasilien konnten das Land nachhaltig stabilisieren. So stellt beispielsweise ein Strategiepapier der PCC fest, dass von 1997 bis 2009 mehr als zehn Milliarden Dollar bei Importen und Exporten weggebrochen seien. Des weiteren habe das immer noch bestehende US-Embargo und die Folgen von 16 Wirbelstürmen für die weitere Anspannung der wirtschaftlichen Situation beigetragen [2]. Durch die schwerwiegenden Engpässe, selbst in der Grundversorgung mit Lebensmitteln ist ein Schwarzmarkt angewachsen mit all seinen negativen Erscheinungen wie Korruption, Prostitution, Unterschlagung und Diebstahl. Für dieses Jahr wird mit einer Einfuhr von Lebensmitteln im Wert von 1,8 Milliarden Dollar gerechnet [3]. Gleichzeitig ist die Abgabenlast, Preise und Steuerabgaben weiter angewachsen. Zum täglichen Überleben in Kuba gehört schon lange, dass Gegenstände, Materialien, Produkte des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel aus den staatlichen Betrieben und Einrichtungen entwendet werden, teilweise für den Eigenbedarf, teilweise als Tauschmittel für den Schwarzmarkt. Ein immer größer werdender, sogenannter informeller Sektor ist im Laufe der Jahre etabliert worden, indem der Staat seine Kontrolle aufgab und Teile dieses Sektors legalisiert bzw. geduldet hat. Sozialistische Maßnahmen, die seit der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1959 in Kuba durchgeführt worden sind, werden nun mit den Ankündigungen und Beschlüssen dieses 6. Parteitages, mit der Ausweitung des privatwirtschaftlichen Sektors, noch weiter zurückgedrängt. Private Kleinbetriebe sollen mehr Freiheiten erhalten, die staatliche Kontrolle noch mehr zurückgenommen werden und zunächst 500.000, später 1,3 Millionen Staatsbeamte entlassen werden [4] Zum Abschluss des 6. Parteitages wurde erwartungsgemäß der privatwirtschaftliche Sektor für 178 Branchen legalisiert und 171.000 Lizenzen neu vergeben [5] Die geplanten Maßnahmen erinnern an die ökonomischen Veränderungen, wie sie in China und Vietnam längst durchgeführt worden sind. Politisch konnte sich eine Diktatur der Arbeiterklasse in Kuba nie durchsetzen. Warum der aufgeblähte bürokratische Apparat erst jetzt und nicht schon früher abgebaut wurde, liegt wohl daran, dass der Apparat Angst vor den Massen hatte. Entlassungen in Millionenhöhe werden wohl Widerstand hervorrufen. Immerhin war spätestens nach dem Zusammenbruch der revisionistischen Regimes ein aufgeblähter bürokratischer Apparat in diesen Ländern aufgedeckt worden. Auch Kuba begab sich früh und ohne großen Widerstand in Abhängigkeit zur sozialimperialistischen Sowjetunion, beteiligte sich für diese gar mit Söldnertruppen an Stellvertreterkriegen in Angola, Äthiopien, Sambia und Somalia [6]. Für diese Hilfsdienste erhielt das Land zwar u.a. im Austausch gegen Zuckerrohr und Zitrusfrüchte wichtige Rohstofflieferungen, konnte jedoch seine Industrie nie zu Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit ausbauen. Mit der nun offiziellen Machtübergabe auch des Parteivorsitzes von Fidel Castro auf seinen Bruder Raul Castro auf diesem 6. Kongress, findet man sich an die anti-demokratisch-feudalen Praktiken in Nordkorea erinnert. Trotz all dieser Verfehlungen konnte Kuba bisher auch auf die Solidarität von Marxisten-Leninisten zählen, wenn es darum ging, sich gegen die Angriffe des US-Imperialismus (dessen Küste nur 90 Meilen entfernt liegt) zu widersetzen, seine nationale Souveränität zu verteidigen oder um ihre Errungenschaften im Schul- und Gesundheitswesen zu retten. Der Transformationsprozess hin zum Privatkapitalismus erscheint angesichts der Faktenlage, der objektiven Triebkräfte, ganz abgesehen davon, ob die PCC diese Entwicklung nun verhindern will oder nicht, seinen weiteren Verlauf zu nehmen.
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Anmerkungen und Quellenangaben
1 Raul Castro in einer Parlamentsrede vor fünf Monaten; Quelle: SZ vom 16./17.04.2011, „Umsteuern
oder untergehen“.
2 Angaben aus der SZ vom 19.04.2011, „Kapitalismus oder Tod“.
3 ebenda
4 ebenda
5 Vgl. SZ vom 20.04.2011, „Havanna erlaubt Wirtschaftsreformen“.
6 Vgl. z.B. in Enver Hoxha, Die Supermächte, Tirana 1986, S. 547.