Die Unzufriedenheit mit dem offen reaktionären Kurs zugunsten des Kapitals durch die CDU/CSU-FDP-Regierung wächst sichtbar an.
Schon die Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Sachsen-Anhalt zeigten die Richtung. In Hamburg verlor die CDU glatt die Hälfte ihrer bisherigen Stimmen und kam nur noch auf 21,9% der abgegebenen gültigen Stimmen. Die FDP kam knapp rein. In Sachsen-Anhalt verlor die FDP fast die Hälfte ihrer bisherigen Stimmen und flog aus dem Landesparlament raus. Die CDU hatte ein Minus von 3,7% der Stimmen. Überall legten die Grünen zu. In Hamburg gewann die SPD aufgrund lokaler Besonderheiten kräftig, während sie in Sachsen-Anhalt trotz der Schwäche von CDU und FDP stagnierte.
Nun haben die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz diesen Trend bestätigt. Die CDU verlor in Baden-Württemberg nach 58 Jahren an der Regierung die Macht und sackte um über 5% auf 39%. Das war und ist für Baden-Württemberg eine Sensation, denn hier hatte sich die CDU in den sechs Jahrzehnten fast völlig mit dem Staatsapparat verschmolzen und diesen als Futterkrippe für ihre Parteimitglieder genutzt. Der baden-württembergische Filz geht weit über das hinaus, was es sonst an Filz in Deutschland gibt. Für die FDP war die Halbierung ihres Stimmenanteils auf knapp über 5% ein heftiger Schlag ins Gesicht. Denn auch die FDP hatte in Baden-Württemberg jahrzehntelang praktisch ein Abonnement auf 10% und darüber. Am Wahlabend zitterte sie stundenlang, ob sie überhaupt wieder über 5% und damit ins Parlament kommt. Erstaunlich ist, dass dabei die SPD von der Schwäche dieser beiden bürgerlichen Parteien überhaupt nicht profitierte, sondern sogar um 2% auf ihr niedrigstes Wahlergebnis, das sie je in Baden-Württemberg hatte, absackte. Sie feierte das als „Sieg“, weil sie nun an der künftigen Regierung der Grünen beteiligt sein wird. Alleine die Grünen konnten ihre Stimmenanteil verdoppeln und werden damit zum ersten Mal eine Landesregierung führen.
In Rheinland-Pfalz konnte die CDU etwas über 2% Stimmenanteile gewinnen. Verdankt hat sie das allerdings nur den zahllosen Skandalen, in die die SPD-Regierung verwickelt war und ist. Da, wo die SPD an der Regierung ist, zeigt sie nämlich schnell ihr wahres Gesicht. So verlor die SPD in Rheinland-Pfalz 10% – eine Riesenkatastrophe! Trotzdem präsentierte sich SPD-Ministerpräsident Kurt Beck als strahlender Sieger, weil er noch einmal eine SPD-Grünen-Regierung führen darf. Die FDP halbierte ihren Stimmenanteil auf 4,2% und flog aus dem Landesparlament raus.
Nimmt man diese Ergebnisse zusammen, so wird deutlich, dass die Unzufriedenheit der Menschen mit der reaktionären Politik der Bundesregierung wächst. Bei der Gesundheitspolitik wird die Privatisierung vorangetrieben und zugleich die Versorgung der Bevölkerung ständig verschlechtert sowie die Beiträge erhöht. Dazu kommen die Beschäftigten im Gesundheitswesen immer mehr unter Druck. Sie müssen immer mehr schuften und die realen Einkommen sinken. In der Bildungspolitik wurden gegen den Widerstand der Jugend und der Eltern Studiengebühren, eine Förderung der Eliten und eine Verkümmerung und Verwahrlosung der öffentlichen Schulen durchgepeitscht. Die Renten stagnieren bei steigenden Preisen und werden damit permanent real gekürzt. Bei Hartz IV hat die Regierung drastische Verschlechterungen erzwungen. Dafür gibt sie das Geld mit vollen Händen an das Kapital. Milliardenschwere Großprojekte wie z.B. Stuttgart 21 sollen gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung durchgeknüppelt werden. Für die „Rettung von Banken“ oder die „Rettung des Euro“ sind hunderte Milliarden Euro da. In der Europäischen Union kämpft die deutsche Regierung an vorderster Front für Sozialabbau, Lohnkürzungen, mehr Privatisierung. Sie wollen, dass die Arbeiterklasse und das Volk die Krise des kapitalistischen Systems bezahlt.
Auch für Aufrüstung und Kriegseinsätze der Bundeswehr ist immer Geld da. Dabei lehnen über 70% der Bevölkerung zum Beispiel den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ab.
Besonders hervorgetan hat sich die Bundesregierung bei einer reaktionären Energiepolitik. Als „großen Erfolg“ verkaufte sie ihr Projekt der Laufzeitverlängerung. Obwohl auch hier rund 70% der Bevölkerung ein Ende der gefährlichen Atomkraft wollen, waren für die CDU/CSU-FDP-Regierung nur die Profite der Energiekonzerne wichtig. Denn durch die Laufzeitverlängerung sollten diese je nach Strompreisentwicklung zwischen 58 und 100 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne einsacken. Um dies zu ermöglichen, wurde auf notwendige Sicherheitsmaßnahmen verzichtet.
Gegen diesen Kurs, die kapitalistische Krise auf den Rücken der Arbeiter und Angestellten, der Jugend, der Rentner, der Frauen usw. abzuwälzen, gibt es schon länger Widerstand, der stetig wächst.
Zigtausende sind in den zurückliegenden Jahren bei Demonstrationen, Kundgebungen, Streiks gegen Sozialabbau aufgestanden. Hunderttausende demonstrierten gegen Atomkraft und die Castor-Transporte. Zigtausende standen gegen Großprojekte wie Stuttgart 21 auf. Die Wahlergebnisse sind daher nicht das Ergebnis eines Augenblicks, wie die dramatisch abgerutschten Parteien wie CDU, FDP und SPD unter Verweis auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima, Japan behaupten. Das war nur der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat. Denn Wut und Zorn auf diese Politik hat sich über Monate und Jahre angesammelt und nach einem Weg gesucht, sich zu zeigen.
Dass die SPD trotz der akuten Schwäche von CDU und FDP verloren hat, ist ebenfalls Ausdruck des Zorns auf eine Partei, die mit den Hartz-Gesetzen den Weg zu radikalen Lohnkürzungen und Sozialabbau frei gemacht hat. Bei einer Kundgebung gegen Sozialabbau in Stuttgart riefen zahlreiche Teilnehmer/innen der Rednerin der SPD zu: „Hartz IV, das wart ihr!“. Es ist der Zorn auf eine Partei, die Militäreinsätze der Bundeswehr im Ausland durchgesetzt hat. So sind die großen Parteien des Kapitals in den Augen vieler Wähler nicht mehr glaubwürdig und verbraucht.
Die Grünen konnten diesmal profitieren, weil sie trotz ihrer aktiven Beteiligung an den Hartz-Gesetzen und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr noch nicht völlig entlarvt sind. Ihr beständiger Kurs gegen Atomkraft und für erneuerbare Energien hat ihnen einen Rest an Glaubwürdigkeit erhalten. Gegenüber den anderen Parteien des Kapitals wirken sie auf viele Wählerinnen und Wähler immer noch zuverlässig und fortschrittlich.
In der Realität sind sie das nicht und das werden die Wähler auch merken, sobald die Grünen in Baden-Württemberg die Regierung führen. Schon warnt die bürgerliche Presse davor, dass die Grünen derzeit noch glaubwürdig seien, aber an der Regierung bald „entzaubert“ werden könnten. Und die bürgerlichen Medien betonen, dass „die Wirtschaft“, d.h. das Kapital sehr wohl mit einer Grünen-Regierung leben könne.
Die Grünen zeigten schon am Wahlabend, wohin die Reise mit ihnen geht. Der künftige Grüne Ministerpräsident Kretschmann wurde von einem Reporter gefragt, ob er denn die 4 Atomkraftwerke, die der mittlerweile wieder im Landesbesitz befindlichen ENBW gehören, abschalten werde, da er ja nun als Ministerpräsident sozusagen der Chef der ENBW sei. Statt zu antworten, er werde die Möglichkeiten prüfen und alles dafür tun, was in seiner Macht liege, geriet Kretschmann ins Stottern und meinte dann, da müsse nun die Bundeskanzlerin Angela Merkel tätig werden und ein Konzept vorlegen. Schon vor der Wahl hatten die Grünen angekündigt, dass sie zur Sanierung des Haushaltsdefizites, dass durch Milliardenzahlungen an die angeschlagene Landesbank in die Höhe geschnellt ist, die Pensionen und Zulagen für Beamte und Angestellte kürzen wollen. Wir sind sicher, dass die Grünen noch klarer zeigen werden, dass auch sie eine Partei des Kapitals geworden sind. Der Prozess der Enttäuschung und das Anwachsen der Wut und des Hasses auf dieses kapitalistische System wird daher weitergehen.
Zugleich hat das Wahlergebnis unter den Parteien der herrschenden Klasse kräftig Staub aufgewirbelt. In CDU und FDP ist der offene Machtkampf ausgebrochen. Verschiedene Fraktionen kämpfen um Posten und Einfluss. Die FDP ist gerade dabei sich etwas „grün“ und „sozialliberal“ zu schminken und neue Leute zum Aushängeschild zu machen. Bei der CDU mussten Mappus und Gönner, die Vertreter des reaktionären Flügels, verschwinden. Auch die CDU ist dabei, sich etwas mit „Grün“ zu schmücken. Im Stundentakt gehen Meldungen durch die Presse über den Abgang von Politikern oder über „neue Konzepte“. Auf einmal sind alle Parteien „Anti-Atom-Parteien“. Das Milliardenprojekt Stuttgart21 steht schon nach wenigen Tagen auf der Kippe. Auf einmal rechnet die Bahn neu und entdeckt Kostenrisiken, die ihr von den Gegnern des Projektes schon seit Jahren vorgerechnet werden. Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) macht Kompromissangebote.
Das ist gut. Denn es entspricht dem Willen der Arbeiterklasse und des Volkes, dass endlich Schluss mit dem Atomwahnsinn und den Milliardengroßprojekten ist. Glaubwürdig werden diese Parteien jedoch dadurch nicht. Es ist zu offensichtlich, dass sie nur nach Wählerstimmen schielen. Da es 2011 noch 3 Landtagswahlen in Bremen (22. Mai), Mecklenburg-Vorpommern (4. September) und Berlin (18.September) gibt, hoffen sie so, die Menschen beruhigen und betrügen zu können.
Wir hingegen sind uns sicher, dass der Kampf weiter gehen wird. Die Regierungsbeteiligung der Grünen kann vorübergehend Hoffnungen wecken und zu einer abwartenden Haltung führen. Dadurch kann es sein, dass zeitweise Aktionen etwas schwächer werden. Doch die Angriffe des Kapitals werden auch mit Beteiligung der Grünen weitergehen. Damit wird der Prozess der Enttäuschung und der Abwendung von diesem System vorangehen und der Kampf voranschreiten. Wir werden aktiv daran teilnehmen und mit aller Kraft diesen Kampf gegen das Kapital und für den Sozialismus als die einzige Alternative ausrichten.
dm