Wieder aufgelebt ist die Diskussion um die Rente mit 67, die für die kommenden Rentnerjahrgänge immer näher rückt und zu weiteren Abzügen bei der Rente führt. Wie zahlreiche Sozialverbände, Gewerkschaften, Arbeitsloseninitiativen haben auch wir uns gegen die Rente mit 67 gewandt.
Die herrschende Klasse, die Kapitalisten sehen die Rente nur als eine Art Gnadenbrot, die ihre Profite schmälert. Daher kürzen sie mit Hilfe ihrer Regierungen, egal ob SPD-Grüne oder CDU/CSU-FDP, seit vielen Jahren an der Rente herum. Vorgeschobenes Argument ist dabei die so genannte Alterspyramide. Weil immer mehr Menschen älter werden und immer weniger jüngere Menschen arbeiten, gerate die Rentenkasse in eine Krise. Einzige Antwort des Kapitals: Kürzen! Kürzen! Kürzen!
Klar, für das Kapital bedeuten sinkende oder wenigstens gleich bleibende Beiträge zur Rentenversicherung Lohnersparnisse. Steigende Beiträge wären indirekt auch steigende Löhne, denn das Kapital muss bis jetzt 50% der Beiträge aufbringen. Das schmälert die Profite. Und sinkende Renten erhöhen die Profite. Die Interessen der Arbeiterklasse und der Angestellten auf der einen Seite und die Interessen des Kapital auf der anderen Seite stehen sich diametral gegenüber. Des einen Freud, ist des anderen Leid und umgekehrt.
Bei der vorgeschobenen Diskussion über die Alterspyramide, die von den Wissenschaftlern und Fachleuten des Kapital kräftig angeheizt wird, werden mit einer scheinbaren Logik einige Fakten verschleiert.
– Erstens ist die Produktivität enorm gestiegen. Das hat den gesellschaftlichen Reichtum gewaltig explodieren lassen. Damit wären angemessene und sogar frühere Renten möglich. Doch das würde die wachsenden Profite des Kapitals schmälern.
– Zweitens haben Rentnerinnen und Rentner in der Regel 30 oder 40 oder gar 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt. Zwar werden diese Beiträge durch die heute übliche Umlagefinanzierung sofort wieder zur Auszahlung der laufenden Renten gebraucht und sind damit weg, das ist aber nicht Schuld der Rentner, sondern liegt in der Verantwortung des Kapitals. Mit der Gründung der Rentenversicherung der Arbeiter am 1. Januar 1891 wurde aus den eingezahlten Beiträgen angespart, um später Renten auszahlen zu können. Doch das Kapital ruinierte die Rentenversicherung immer wieder. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Reserven durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So war das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6% dieser Summe zusammengeschmolzen. Bereits damals begann man, Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen zu finanzieren. In der Weltwirtschaftskrise 1929-33 wurden die angesparten Beiträge erneut massiv durch die Spekulation des Kapitals entwertet. Die Nazis plünderten im 2. Weltkrieg die Rentenkassen für ihren Krieg weiter. Nach dem 2.Weltkrieg konnten bereits 50% der Rentenzahlungen nicht mehr aus dem Vermögen der Rentenversicherung gezahlt, sondern mussten anderweitig, also durch die eingehenden neuen Beiträge oder durch staatliche Zuschüsse finanziert werden. 1957 stellte „Wirtschaftswunder“minister Ludwig Erhard das Rentensystem auf die so genannte Umlagefinanzierung um. D.h. Die Beiträge wurden sofort als Renten wieder ausgegeben. Es wurde nichts mehr angespart, sondern nur noch ein geringes Vermögen übrig gelassen, um die laufenden Rentenzahlungen zu ermöglichen. Damit war alles, was die Arbeiterklasse mit ihrem Schweiß geschaffen und an die Rentenkassen gezahlt hat, endgültig weg – zugunsten des Kapitals. Denn mit dieser Umstellung konnten die Rentenbeiträge in Zeiten des „Wirtschaftswunders“ zunächst sehr niedrig gehalten und damit das Kapital entlastet werden. Zugleich musste das Kapital und seine Regierung für die Plünderung und Ruinierung der Rentenkassen niemals etwas zahlen.
– Drittens steigt die Zahl der Frührentnerinnen und -rentner nicht, weil die Menschen faul sind, sondern weil das Kapital zunehmend die älteren Kolleg/innen ausmustert, nachdem es sie über Jahrzehnte wie Zitronen ausgequetscht hat. Krankheiten, verringerte Leistung sind eine Folge des immer gnadenloseren Produktionsprozesses. Und Menschen, die alt sind und etwas weniger Profit bringen, kann das Kapital nicht gebrauchen. Die werden rücksichtslos aus den Betrieben rausgedrängt und in die Rentenversicherung entsorgt.
– Viertens sorgt das Kapital mit unsicheren Arbeitsverhältnissen wie befristeten Arbeitsverträgen, Leiharbeit, 1-Euro-Jobs, Billigstlöhnen dafür, dass immer weniger in die Rentenkassen eingezahlt wird. So wird das Rentensystem vom Kapital selber für seinen Profit ausgehöhlt.
Das Kapital saugt aus der Gesellschaft heraus, was es nur herausholen kann. Die Rechnung sollen dann die Rentnerinnen und Rentner zahlen.
– Fünftens bietet das Kapital jungen Kolleg/innen kaum noch einen geregelten einstieg in die Arbeit. Zahllose junge Menschen sind arbeitslos und hängen in irgendwelchen Warteschleifen des Arbeitsamtes. Die Einnahmen der Rentenversicherung brechen damit weg. Ebenso erhalten viele junge Kolleg/innen nur befristete Jobs oder Leiharbeit oder Teilzeitarbeit. Sie verdienen damit sehr wenig, oft unterhalb der Existenzgrenze und sind auf staatliche Zusatzleistungen angewiesen. Auch dadurch brechen die Einnahmen der Rentenversicherung weg. Das Kapital hat den Nutzen, während sowohl die Rentner/innen wie auch die junge Generation dafür mit sinkenden Einkommen „beglückt“ werden.
Zum Hohn und Dank hetzt das Kapital, seine Regierung, seine „Experten“ und seine Medien dann noch die Menschen gegeneinander, indem sie verbreiten, die Alten würden auf Kosten der Jugend leben.
Wenn nun die SPD, die ja die Rente mit 67 in der großen Koalition mit CDU/CSU durchgesetzt hat, die Rente mit 67 verschieben will, weil es keine Arbeitsplätze für ältere Kolleg/innen gibt, dann ist das Demagogie pur. Zum einen haben sie dieses Gesetz zu verantworten. Zum anderen ist es nicht gerade neu und originell, dass das Kapital die Älteren gar nicht will und diese daher keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Das war schon zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes so und allgemein bekannt.
Die SPD möchte nur ihre Verbrechen vertuschen und für die nächsten Wahlen Stimmen fangen. Nach den Wahlen werden sie ein „Loch in der Rentenkasse“ entdecken, die Schuld auf die Vorgängerregierung schieben – und kürzen!
Die Arbeiterklasse hingegen braucht nicht solche Täuschungsmanöver von abgehalfterten Politikern des Kapitals, sondern eine Rente, von der man leben kann. Daher fordern wir:
Arbeit für alle!
Schluss mit unsicheren Arbeitsverhältnissen wie befristeten Arbeitsverträgen, Leiharbeit, 1-Euro-Jobs!
Weg mit der Rente mit 67!
Unser Ziel: Rente mit 60!
Das Kapital soll zahlen!
Leserbrief
Guten Tag
In der Ausgabe 5/2010 schreiben Sie "Weg mit der Rente mit 67". Der folgende Artikel enthält einen ausführlichen Rückblick über die Probleme und deren Ursachen. Das ist interessant, aber nicht hilfreich.
Für hilfreich halte ich eine sinnvolle Arbeitsverteilung, dann auch gern bis 67 oder länger. Meine Vorstellung wäre eine Wochenarbeitszeit von maximal 20 Stunden. Um das ganze für Arbeitgeber und -nehmer lohnend zu machen, sollte die Zeit ab 65 Jahren Sozialversicherungsfrei sein. Die Rentenkasse hat dabei auch durch Einsparung von Rentenzahlung, eventuell anteilig, ihren Gewinn. Da nicht jede Arbeit, speziell schwere körperliche, dazu geeignet ist, sollte diese Regelung freiwillig sein.
FT, Neumünster
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