Weit über tausend Demonstranten aus allen Teilen der Stuttgarter Bevölkerung trugen zum zweiten mal in dieser Woche den lautstarken Protest gegen das gigantomanische Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ in die Stuttgarter Innenstadt, diesmal direkt vor das Rathaus. Gerade genehmigten im drinnen tagenden Gemeinderat die politisch Verantwortlichen der Stuttgarter Immobilienmafia, die auch Stuttgart 21 durchziehen wollen, einer weiteren Gruppe von Immobilieninvestoren den Bau eines neuen, riesigen Geschäftsviertels, bei dem auch das letzte Stück der alten Stuttgarter Stadtmauer vom Abriss bedroht ist. Scheiß auf den alten Müll, Profit abzocken ist angesagt!
Zu der Protestaktion vor dem Rathaus füllte sich der Marktplatz um 18:45 Uhr schnell mit einer riesigen Menschenmenge. Stadträte auf dem Balkon des Ratssaales wurden ausgepfiffen. Als der SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch, der zwei Tage zuvor aktiv an der Besetzung des vom Abriss bedrohten Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhof teilgenommen und dafür von der Reaktion übel beschimpft wurde, auf den Balkon trat, wurde beklatscht. „Hannes!-Hannes!“- Rufe ertönten.
Zu der Aktion unter dem Motto „Schwabenstreich“ aufgerufen hatten zwei bekannte Stuttgarter Theaterleute, der Schauspieler Walter Sittler und der Regisseur Volker Lösch. Was sich hinter dem Motto verbirgt, wurde vorher nicht verraten. Nun aber ging es los! Lösch und Sittler hatten Sprechchöre organisiert und forderten die Demonstranten auf, eine Minute lang einen infernalischen Lärm zu machen, mit allem, was zur Verfügung stand. Sofort an Ort und Stelle, dann aber auch möglichst jeden Tag um 19:00 Uhr, wo immer möglich in der Stadt. Die Rechnung der Stadtoberen, den Protest in den Sommerferien zu ersticken, dürfe nicht aufgehen!
Dann wurde eine Minute lang totale Stille eingehalten und auf ein Signal von Lösch dann eine Minute lang ein unglaublicher Krach gemacht: Schreie, Pfiffe, Rufe, gebrüllte Sprechchöre, Vuvuzelas und Trompeten, Kochtöpfe und Rasseln, Trillerpfeifen. Die Fenster des Ratssaales müssen gewackelt haben! Eine Minute ist eine erstaunlich lange Zeit.
Es ist zu hoffen, dass möglichst viel Protestler nun den Schwabenstreich über den Sommer weiter treiben und den Protest durch die Sommerferien in allen Stadtvierteln am Leben halten! Toll, wie kreativ der Protest sein kann. Die Aktion war politisch wichtig, setzte sie doch nach der gewaltsam beendeten Blockade am Montag ein wirklich unüberhörbares Zeichen, dass dieser Kampf, gegen Kapital und Spekulation, noch lange dauern wird!
ft
.