Wieder hat Jürgen Roth ein spannendes Buch veröffentlicht. Schon 2007 besprachen wir von ihm „Anklage unerwünscht – Korruption und Willkür in der deutschen Justiz“. Diesmal beschäftigt sich Roth mit der Verschmelzung der legalen kapitalistischen Profitwirtschaft mit diversen kriminellen Clans wie der Mafia.
Jürgen Roth hat fleißig Material gesammelt. Im Vorspann prangert er an, dass die Regierungen mit dem Schutz von Firmendaten eine „Kultur der Illegalität“ geschaffen haben, die es den weltweiten Gangstersyndikaten erleichtert, sich in den normalen kapitalistischen Wirtschaftsbetrieb zu integrieren.
„Die Kultur der Illegalität, die sich wie Mehltau über eine lebendige demokratische Gesellschaft legt und zur Gangsterwirtschaft führt, floriert in Deutschland – wie in anderen europäischen Ländern.“ (S.7)
Er kritisiert, dass viele Konferenzen zum Thema mafiöser Strukturen in der Wirtschaft abgehalten und eine Aktivität vorgetäuscht wird, ohne dass real etwas unternommen wird.
Dann folgen viele Beispiele, so z.B. die Zusammenarbeit des Baukonzerns Phillip Holzmann mit der Mafia in Sizilien beim Bau eines Staudamms in Corleone, Sizilien (S.24).
Er zitiert den Innsbrucker Politologen Anton Pelinka: „Jetzt erleben wir zum ersten Mal, dass die Wirtschaft sich die politischen Eliten an der Leine hält. Stromach (ein österreichischer Kapitalist, die Redaktion) kauft sich mit einer überraschenden Direktheit, man könnte sagen Schamlosigkeit, die politischen Eliten. Und die lassen sich das gefallen.“ (S.80)
Ganz neu ist das allerdings nicht. Schon Lenin analysierte, dass im Imperialismus als höchstem Stadium des Kapitalismus die großen Monopole sich ihre Politiker und ihre Parlamente auf den verschiedensten Wegen einkaufen. Lenin hatte darauf hingewiesen, dass Imperialismus parasitärer, faulender Kapitalismus ist. Das Buch von Jürgen Roth bestätigt dies mit aktuellen Beispielen eindrucksvoll. Übrigens: Ein ganzes Kapital widmet Roth allein der „Bayerischen Gangsterwirtschaft“ mit vielen Fakten zu den kriminellen Verquickungen der BayernLB und anderen „seriösen“ bayrischen Institutionen.
Im Schlusswort beklagt Roth, dass es zunehmend unmöglich werde, über die Verquickung von legaler kapitalistischer Wirtschaft und kriminellen Strukturen zu berichten. Zum einen würden Journalisten immer häufiger mit Mord bedroht. Zum anderen würden Gerichte bei Namensnennungen immer öfter den Klagen von Mafiafiguren auf Schadensersatz wegen Beleidigung oder Geschäftschädigung Recht geben. Das finanzielle Risiko sei mittlerweile so hoch, dass es zum Ruin eines Autors führen könne. Sogar Gefängnis drohe.
Das Buch ist eine wichtige Materialsammlung. Es zeigt, wie verfault und parasitär unser System bereits ist.
Jürgen Roth, Gangsterwirtschaft – Wie uns die organisierte Kriminalität aufkauft, Eichborn-Verlag, April 2010, 304 Seiten, 19.95 Euro, ISBN:9783821856803