Korrespondenz: Die Verteidiger des kapitalistischen Systems haben allen Grund zur Besorgnis.
Mit der weltweiten Wirtschaftskrise zeigt sich die Dekadenz des Imperialismus immer offener und ungeschminkter. Der Menschheit wird tagtäglich ein ganzer Katalog an scheinbar unlösbaren Problemen präsentiert. In dieser Situation ist den Herrschenden jedoch bewusst, dass sich immer mehr Menschen mit einem Ausweg aus der drohenden Katastrophe beschäftigen. Auch bürgerliche Ideologen wissen, es gibt nicht zahlreiche Alternativen zum Kapitalismus, sondern nur eine einzige: den Sozialismus! Und so wird es, obwohl schon unzählige Male von bürgerlichen Ideologen besudelt, kein Ende der Angriffe gegen den Sozialismus geben. Dieser soll weiterhin diskreditiert und für unrealistisch, unverwirklichbar dargestellt werden. In der jetzigen Situation nimmt die bürgerliche Presse antikommunistische Publikationen erwartungsvoll zur Kenntnis. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung dürfte diese erwartungsvolle Haltung sicherlich auch gegenüber einer weiteren Darstellung von Stephane Courtois als Herausgeber gehabt haben. Stephane Courtois ist Forschungsdirektor am staatlichen CNRS bzw. am „Groupe d’Etude et d’Observation de Democratie“ in Frankreich. Bekannt geworden ist der ehemalige Maoist Courtois bereits als Herausgeber des sogenannten „Schwarzbuch Kommunismus“ das 1997 aufgelegt und 2004 auch in Deutschland im Piper Verlag erschienen ist. Mit Gerd Koenen, (1) selbst Publizist diverser antikommunistischer Bücher, hat sich für die FAZ ein geeigneter Mann für die Rezension des neuesten Wälzers von Courtois gefunden. Die Neuerscheinung von Courtois ist in Deutschland unter dem Titel „Handbuch des Kommunismus“ wiederum im Piper Verlag erschienen und umfasst 846 Seiten. Sicherlich wollte die FAZ ursprünglich für ein Werk, welches den Sozialismus / Kommunismus angreift, regelrecht Werbung betreiben. Doch das Buch scheint den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Schon Courtois damaliges „Standardwerk“ fiel vor allem durch hasserfüllte Tiraden, fehlende Zitaten- und Dokumentennachweise und fingierte Opferzahlen auf, statt durch seriöse Recherchearbeit eines „unabhängigen“ Journalisten! Obwohl das „Schwarzbuch des Kommunismus“ kräftig propagiert worden ist, haben sich die Schlampigkeiten in der Recherche selbst in bürgerlichen Journalistenkreisen herumgesprochen. So kommt auch Gerd Koenen in seiner Rezension von Courtois neues Buch nicht umhin, auch diesem Werk, dem „Handbuch des Kommunismus“ ein mangelhaftes Zeugnis auszustellen. Gerd Koenen kommt u.a. zu folgenden Einschätzungen:
„Einem Übermaß an Meinungen oder Urteilen steht fast durchweg ein Mangel an Fakten und Daten
gegenüber. Für ein ‚Handbuch’, das auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sollte, fehlen
nicht nur alle Quellenverweise, sondern sogar weiterführende Literaturhinweise.“
„Zu monieren sind auch eine Vielzahl kleinerer Sachfehler und Schlampigkeiten.“
„Zitate sowjetischer oder anderer Führer, angefangen mit Lenin, sind bis an den Rand der
Unkenntlichkeit aus dem Französischen rückübersetzt …“
Mühe, Zeit und Geld lohnen offensichtlich nicht, sich das Buch für fast 50 Euro zu kaufen, sich die Zeit für die über 846 Seiten lange, zusammengeschusterte Darstellung zu nehmen und eine genaue Analyse vorzunehmen. Miserabler kann ein Urteil über ein Buch mit einem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit wohl kaum ausfallen! (ab)
Anmerkungen:
Die Literaturkritik von Gerd Koenen ist erschienen in der Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 09.06.2010.
1 Gerd Koenen hat Geschichte und Politik studiert, war u.a. Mitglied im SDS und später im KBW.
Erschienen ist u.a. von ihm „Das rote Jahrzehnt, Unsere kleine Deutsche Kulturrevolution 1967-
1977, Kiepenheuer & Witsch 2001 und Fischer Verlag 2002