Korrespondenz: Tagelang wettert nun
schon der FDP-Vorsitzende und Außenminister Guido Westerwelle gegen
die Empfänger von Hartz IV- Leistungen. Selten zuvor wurde ein
Angriff von einem Regierungsmitglied der Bundesrepublik auf die
Arbeiterklasse so offen und zynisch geführt.
„Arbeit muss sich wieder lohnen.
Deutschland kann es besser.“
[Slogan der FDP zu den Bundestagswahlen
2009]
Mit dieser reformistischen Losung, die
noch in einem Nebensatz mit nationalem Dünkel garniert ist, zog die
FDP letztes Jahr auf der Jagd nach Wählerstimmen durch das Land.
Nach einem überraschend guten
Wahlergebnis für die FDP und ihrer anschließenden Mitbeteiligung an
der Regierung, warteten jedoch eine Menge Probleme auf die Partei,
die mit billigen und populistischen Losungen nicht gelöst werden
können. Obwohl sich Deutschland in einer schweren Wirtschafts- und
Finanzkrise befindet, warb die FDP für mehr Wachstum, Arbeitsplätze
und Wohlstand durch Steuersenkungen. Trotz einer hohen
Staatsverschuldung, die noch in einem Bankrott enden könnte,
versprach die FDP Steuersenkungen für alle! Bisher konnte dieses
Versprechen vor allem gegenüber den Hoteliers eingelöst werden.
Ansonsten sind die Probleme die Alten und sind gar noch weiter am
anwachsen. Der real existierende Imperialismus zeigt in Deutschland
sein Gesicht nach außen und nach innen vielseitig: durch eine hohe
Staatsverschuldung, durch einen blutig geführten Krieg der deutschen
Besatzerarmee gegen das afghanische Volk, durch weiteren
Arbeitsplatzabbau und durch eine wachsende Armut etc… Gerade die
verheerende Situation am Arbeitsmarkt hat sich der FDP-Vorsitzende
als Thema ausgesucht. Durch Verdienste kann die FDP und ihr
Vorsitzender in ihrer bisherigen Arbeitsmarktpolitik freilich nicht
punkten. Die aktuellen Zahlen sind für eine schmeichelhafte
Selbstdarstellung nicht geeignet. So ist die Zahl „normaler“
Arbeitsverhältnisse mit unbefristeten Vertrag von mindestens 30
Wochenstunden in Deutschland seit 2001 drastisch zurück gegangen.
Gleichzeitig hat die Anzahl der Teilzeitjobs und befristeter
Beschäftigungsverhältnisse, Leih- bzw. Kurzarbeit stark zugelegt
[Vgl. Studie der Bertelsmann-Stiftung und Forschungsinstitut zur
Zukunft der Arbeit (IZA)]
In den bürgerlichen Medien und von
reformistischen Politikern, werden Verschlechterungen auf dem
Arbeitsmarkt, die Zunahme von Zeit- bzw. Leiharbeit gerne mit dem
Begriff der „Amerikanisierung“ umschrieben. Doch die Maßnahmen
auf dem Arbeitsmarkt sind nicht aus den USA importiert worden,
sondern von Monopolpolitikern in Deutschland durchgesetzt worden.
Gerade in der Regierungszeit von SPD und Grünen sind Bedingungen und
Regelungen für die Leih- und Zeitarbeit geschaffen worden, ist Hartz
IV, sind Ein-Euro-Jobs etc. politisch durchgesetzt worden! Die
Einkommen sind für viele Menschen seither weiter eingebrochen,
Hungerlohn-Arbeitsplätze und Armut immer weiter angestiegen. Die
Zahl der Armen in Deutschland ist in vergangenen Jahren auf 11,5
Millionen angewachsen. Das sind 14 Prozent der Bevölkerung und etwa
ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. [Vgl. Studie des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)]
„Wer arbeitet muss mehr haben als
derjenige, der nicht arbeitet. Alles andere ist Sozialismus.“
Guido Westerwelle
Mit den aktuellen Zahlen kann die
derzeitige Regierungskoalition also kaum werben. Eine
Teilverantwortung kann sie (zurecht) auf die SPD/ Grünen- Regierung
abschieben. Der drohenden, weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit,
Nachfragemangel auf dem Arbeitsmarkt, resultierend aus der
Überproduktion, konnte die Regierung durch staatliche
Interventionen vorübergehend entgegenwirken. Beispielsweise konnte
die staatlich geförderte Kurzarbeit den Arbeitsmarkt vor weiteren
Einbrüchen zeitweise schützen. Die Situation für Arbeiter,
Angestellte und Arbeitssuchende jedoch hat sich hierdurch keineswegs
entschärft. Die Angst vor Arbeitsplatzverlust und Armut ist
allgegenwärtig anzutreffen. Tagtäglich erreichen uns Meldungen aus
Betrieben, die weitere Arbeitsplätze abbauen wollen. Eine
bürgerliche Regierung ist dem Finanzkapital unterworfen. Banken und
Monopole, das kapitalistische System können nur durch verstärkte
staatliche Hilfe, durch eine weitere Umverteilung von unten nach oben
am Leben gehalten werden. Darüber ist sich die herrschende Klasse
längst einig. Über die konkrete politische Vorgehensweise, ist man
sich jedoch uneins. Die Möglichkeiten zum Schutz und zur
Stabilisierung der bestehenden Ordnung werden seit jeher auch in
Ablenkungs- und Spaltungsmanövern gesucht. Ein solches hat nun Guido
Westerwelle losgetreten. Auf zynische, holzschnittartige Weise
versucht er arbeitende Menschen gegen arbeitssuchende Menschen
auszuspielen und jongliert dabei mit zusammengeschusterten
Argumenten, spekuliert auf spontane Instinkte, die sich gegen Hartz
IV-Empfänger einstellen sollen. Tatsächlich haben sich Hartz
IV-Bezüge denen von Niedriglohneinkommen angenähert. Nicht jedoch
weil Hartz IV gestiegen ist, sondern weil die Löhne vor allem in den
unteren Einkommensbereichen dramatisch gesunken und auf
Hartz-IV-Niveau gefallen sind. Dies spricht jedoch nicht gegen
Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind. Vielen ist inzwischen der
Arbeitslohn zum Leben nicht ausreichend, immer mehr Menschen sind
trotz eines Arbeitsverhältnisses auf Hartz IV angewiesen. Doch einer
ernsthaften Debatte um Mindestlöhne weicht die Regierung aus. Nur
wenige Menschen beantragen nachweislich Hartz IV-Leistungen zu
Unrecht oder nutzen die Leistungen aus. Eine „römische Dekadenz“,
wie von Westerwelle angeführt, ist selbst bei einem Missbrauch
schwer vorstellbar. Auch sieht das Hartz-IV-Regelwerk längst
Kürzungsmaßnahmen oder eine Einstellung der Leistungen bei
Missbrauch vor. Ein Teil der bürgerlichen Massenmedien hat die
Debatte um Hartz IV schon immer einseitig und populistisch geführt,
was die ruhige und sachliche Diskussion nun erschwert. Doch nicht
alle bürgerlichen Medien halten nun die allzu plumpe Vorgehensweise
von Guido Westerwelle für angemessen und nützlich. So wurde
beispielsweise im TV-Magazin Frontal 21 hingewiesen, dass die
Aufforderung von Westerwelle an Hartz-IV-Empfänger zum
Schneeschippen von der Stadt Berlin längst vor der Hetze von
Westerwelle aufgegriffen worden ist. Auf eine Anzeige der Stadt
Berlin zum Schneeschippen meldeten sich umgehend über 26.000
Arbeitssuchende! – Doch leider bekam nur ein Bruchteil der
Arbeitssuchenden diese Tätigkeit und dies auch nur solange, wie
Schnee vorhanden ist!
BAB