Der volle Durchblick: zur IGMetall-Kampagne „Gemeinsam für ein gutes Leben“

Dass es ein gutes Leben für alle Menschen geben kann, das
erhoffen sich wohl viele. Dass es im Kapitalismus, und noch gerade in einer
Zeit, wo dieses System von einer schweren Krise geschüttelt wird, ein gutes
Leben für alle geben wird, das glaubt wohl kaum jemand.

Oder doch? Die IG Metall-Führung hat vor Kurzem die Kampagne
„Gemeinsam für ein gutes Leben“ gestartet. „Wir wollen gemeinsam unsere
Ansprüche gegenüber der Politik und gegenüber den Unternehmen formulieren.“ schreibt
Detlef Wetzel, der zweite Bevollmächtigte der IGMetall, in der Nr.4/2009 der
metallzeitung. Als ob es mit dem „Wollen“ und „Formulieren“ schon getan wäre,
um unsere Interessen, die Interessen der Arbeiter und Angestellten, gegen die
Krisenpläne des Kapitals zu verteidigen. Aber die IG Metall-Führung wendet sich
ja nur an uns…um möglichst viele Fragebogen „Deine Stimme für ein gutes Leben“,
die als Beilage zur metallzeitung verschickt wurden, zurück zu bekommen.

Als eigentlich Handelnde sehen die Gewerkschaftsbonzen
nämlich nicht uns (sonst hätten sie uns vielleicht ja auch vorher zu ihrer
geplanten Kampagne befragt – es sind ja schließlich unsere Mitgliedsbeiträge,
die sie in Hochglanzbroschüren etc. großzügig verbraten), sondern „die
Politik“, sprich die Spitzenpolitiker der Regierungsparteien, die das ganze
Krisenschlamassel mit zu verantworten haben. O-Ton Wetzel: „Im Wahljahr 2009
geht es nicht zuletzt darum, dass wir unsere Anforderungen an eine gute Politik
laut und deutlich formulieren. Mit den Ergebnissen der Befragung wollen wir die
Politik konfrontieren, um sie zu einem Handeln im Interesse der Menschen zu
bewegen.“

Aha. Man muss „der Politik“ nur die richtigen Argumente
liefern, dann macht sie schon das, was wir wollen. Man fragt sich nur: Sind die
IG Metall-Bosse tatsächlich so blöd, dass sie einen solchen Stuss glauben? Das
kann nicht sein! Viele der Gewerkschaftsführer, so auch Berthold Huber, haben
ihren Marx und Lenin gelesen und sind vielleicht auch in linken Kreisen
verkehrt. Sie wissen genau, was im Kapitalismus gespielt wird: dass nicht „die
Politik“ über die Wirtschaft bestimmt, sondern das Kapital den Ton angibt und
„die Politik“ nach seiner Pfeife tanzt. Und sie wissen auch, dass die Sprache,
die „die da oben“ verstehen, Streiks, Demonstrationen, betriebliche Aktionen,
Wahlboykott usw. und nicht zahnlose Fragebogen- und Unterschriftsaktionen sind.

Aber sie wollen nicht, dass wir das wissen! Und dafür sind
ihnen die Mittel für eine solche Kampagne nicht zu schade. Es sind ja, wie
gesagt, nur unsere Mitgliedsbeiträge.

S.N.