Die Lohntarifrunde der IG Metall im Herbst muss vorbereitet werden

Wir dokumentieren zunächst die Überlegungen der
„Gewerkschaftslinken“ zur kommenden Lohntarifrunde. Sie müssen nicht in allen
Punkten richtig sein, wir begrüßen sie aber ganz klar, weil sie die Diskussion
um die Forderungen in die richtige Richtung lenken. Eine Antwort auf die
heutige Einkommenssituation in der kommenden Tarifrunde der IG Metall wie aller
anderen Gewerkschaften ist einfach und schwer zugleich:

Es muss eine starke Forderung erhoben werden, denn die
materielle Lage der Arbeiter/innen und Angestellten erfordert das einfach.
An den Erfolg der Tarifrunden sind auch die Erhöhung der Renten wie auch die
Einkommen der Erwerbslosen gekoppelt. An den Erfolg der Tarifrunde(n) ist zu erheblichen
Teilen auch das Einkommen der kleinen Gewerbetreibenden, des Einzelhandels, des
Handwerks der kleinen Bauern gekoppelt, umso mehr, je kleiner deren Unternehmen
sind.

Schwer aber ist es eine solche Forderung
durchzusetzen, in der IG Metall, bei der Mehrheit der Kolleg/innen und in der
gesellschaftlichen Wirklichkeit!

 

Dokumentiert:

 

Wir brauchen eine kräftige Erhöhung der
Einkommen!

 

Ab Oktober läuft die nächste Tarifrunde zu
Löhnen und Gehältern, im Juli beginnt die Diskussion zur Forderungshöhe. Wenn
bis Herbst keine Einigung bei der Altersteilzeit erreicht ist, werden sich
beide Verhandlungen überlagern. Eines muss heute schon klar sein: Unabhängig
von der Altersteilzeit muss bei den Löhnen richtig was rauskommen.

Die offizielle Inflation liegt bei 3,1%, also
deutlich über den 1,7 %, die wir im Juni erhalten sollen. Die
Lebenshaltungskosten steigen aber deutlich höher: Strom soll knapp 7% im Juli
zulegen, die Gaspreise sind seit 2005 im Schnitt um 31 Prozent gestiegen,
weitere 40% drohen im Herbst. Das Statistische Bundesamt meldet einen
Preisanstieg bei Kohle und Öl um 20,7 Prozent.

Preisschübe auch bei Getreide (+ 33 %),
Kaffee (+ 12%) und Milch (+7,5 %) und Diesel (+26,4 %).

Es ist kein Wunder, dass viele angesichts
dieser Zahlen verlangen, dass die IG Metall mit einer zweistelligen Forderung
in die Verhandlungen geht. Die heftigen Steigerungen bei Lebensmitteln und
Energie treffen aber diejenigen am heftigsten, bei denen das Einkommen nur für
die Grundbedürfnisse draufgeht. Das schreit nach einer sozial gestalteten
Forderung, z. B. einen Festgeldbetrag für alle Entgeltgruppen gleich. Eine
Festgeld-Erhöhung von beispielsweise 300 € würde folgendermaßen wirken:

 

EG        1                    16,97%

EG        2                    16,52%

EG        3                    15,69%

EG        4                    14,95%

EG        5                    14,11%

EG        6                    13,36%

EG        7                    12,56%

EG        8                    11,73%

EG        9                    11,02%

EG      10                    10,33%

 

Es wird nicht leicht sein, entsprechende
Forderungen in der IG Metall durchzusetzen. So wie bei der Altersteilzeit
ständig betont wird, dass „man eine Lösung am Verhandlungstisch suche“, wird
die IG Metall-Führung alles tun, damit keine Forderung zustande kommt, die nur
mit Streik zu erreichen wäre.

Dagegen muss klar gesagt werden: Die
Gewerkschaft hat die Bedürfnisse der Beschäftigten, der Mitglieder, zu
vertreten! Wichtig ist deshalb auch, im Vorfeld die Mitglieder zu befragen
und eine breite Debatte um die Forderung zu führen.
Auch hier gilt, wie bei
der Altersteilzeit: Es darf keinen schnellen Abschluss ohne Urabstimmung
oder Mitgliederbefragung geben.

 

 

Kommentar:

Die Forderungsdiskussion:

Auf, in die
Belegschaften, in die Vertrauensleutekörper, in die Betriebsräte, in die
Betriebsversammlungen!

 

Wir haben dem Tarifinfo
der „Gewerkschaftslinken“ von Juni 2008 in dieser Nummer einen recht breiten
Raum gegeben. Dieses Flugblatt bemüht sich, etwas in die Tat umzusetzen, was
wir immer von der Gewerkschaftslinken erwartet haben: dass wir kämpferischen
Kolleg/innen dieser Strömung gemeinsam in die offenen
Klassenauseinandersetzungen eingreifen, uns dem Klassenkampf stellen und uns
darum bemühen, unserer fortschrittlichen Richtung in den Gewerkschaften
Ausdruck zu geben.

Der Vorschlag, in die
Forderungsdiskussion eine massive Festgeldforderung einzubringen – verschämt
als „beispielsweise 300 Euro“ lanciert – sollte die Debatte überall in
Schwung bringen. D.h. alle kämpferischen Kolleginnen und Kollegen, egal ob
einfache Mitglieder, als Vertrauensleute, als Betriebsräte/innen, als
Funktionäre sollten sich für sie einsetzen. 
Sie vereint die Solidarität mit den Schwächsten, den in der Mehrheit
Arbeiterinnen in den unteren Lohngruppen, mit dem Anspruch nicht immer weiter
in die Armut gedrängt zu werden.

Nimmt man die Entgeltgruppe
7 der Tabelle als Ecklohngruppe, dann kann ablesen, wie anspruchsvoll auch die
übliche Prozent-Forderung ausfallen würde: Fast 13 %! Aber gleichgültig, wie
die Forderung laufen sollte, egal ob auch die Prozent-Forderung in der Debatte
nach vorn kommen sollte, sie sollte zumindest lauten (z.B.)12,5%, mindestens
300 Euro, damit die unteren Lohngruppen abgesichert werden.

Das Kapital, die
Öffentlichkeit, die Medien werden uns für verrückt erklären, wenn wir solche
Forderungen einbringen. Sie werden auf die angeblichen Sachzwänge verweisen,
die in der zunehmenden Inflation wirken, die das dokumentierte Papier ja fast
nur andeutet. Sie werden den Egoismus der „Arbeitsplatzbesitzer“, ihre Gier und
was nicht alles geißeln, dabei kämpfen sie für die Armen und Besitzlosen der
Gesellschaft mit. Sie werden zynisch auf die niedrigen Löhne der ausgebeuteten
und unterdrückten Länder in Asien, Afrika, Osteuropa etc verweisen. Lasst sie
schwadronieren! Dort werden die Lohnforderungen nicht geringer ausfallen,
wenn sich die Unterdrückten dieser Länder das Recht auf gewerkschaftliche
Organisation erstritten und ertrotzt haben werden. Und wir unterstützen sie
dabei.

Nicht ein
Lohnzugeständnis der letzen Jahre, nicht eine Flexibilisierung der
Arbeitszeiten auf Kosten unserer Kolleg/innen hat irgendeinen Betrieb
nachhaltig gesichert. Nein, all das hat nur die Gier der Kapitaleigner und
ihrer Manager gesteigert. Haben sie die Sau der Arbeitszeitverlängerung zum
einen Werkstor hinausgejagt, wir der Eber der Lohnkürzung zum anderen Tor
hineingetrieben. Ist der hindurchgejagt, kommt die Drohung der
Werksverlagerung, des neuen Produktionssystems, der neuen Arbeitsplatzbewertung
durch ERA etc., und das geht immer weiter. Die Kolleg/innen haben die Schnauze
voll. Die Kampfbereitschaft wächst.

Wichtig ist aber auch,
dass die Lohnrunde und ihre Forderung nicht mit dem Konflikt um die
Altersteilzeit vermengt werden darf. Kaum sind die ATZ-Verhandlungen in
Böblingen gescheitert, versuchen Leute wie IG-Metall-Chef Huber schon diese
Vermengung, verbalradikal spricht Baden-Württembergs IGM-Bezirksleiter Hofmann
von einem „heißen Ritt im Herbst“, wenn beide Konflikte gemeinsam die
Auseinandersetzungen bestimmen sollen. In Wirklichkeit dient eine Vermischung
beider Kämpfe erfahrungsgemäß(!!) nur dazu, beide Konflikte gegenseitig zu
entschärfen. Der Abschluss trägt eine Pompöse Ziffer von 8, 9, 10 % oder
ähnliches, bloß im Portemonnaie kommt davon kaum was an, weil „kompensierte
Eigenbeitragsforderungen für die Altersteilzeit“ „abgefedert“ werden mussten
oder mit was für Floskeln derlei Rechenkünste noch kaschiert werden. Das wollen
wir, das will die Masse der Kolleg/innen nicht.

Aber diese unsere Debatte
sollte nicht nur die traditionellen kampfstarken Branchen und Großbetriebe im
Auge behalten. Wer 300 Euro als Festgeld ins Gespräch bringt, sollte das nicht
deshalb unterlassen, weil in den kleineren Fabriken bis zu den Klitschen keine
Kampfkraft und Bereitschaft schlummert. Nein, stellen wir diese Idee offensiv
auch und gerade hier zur Debatte! Natürlich ist die Angst hier größer, der
Organisationsgrad geringer. Aber vor allem ist dort die Aufgabe größer!
Überzeugen, agitieren, organisieren, das ist hier noch stärker die Devise, als
in den noch gut organisierten Betrieben. Nutzen wir jede Möglichkeit. Es geht
nicht um die absolute Forderungshöhe. Auch „11 %, mindest 270 Euro!“ oder
„Festgeld 250 Euro!“ wären eine akzeptable Lösung, wenn sie eine breite Basis
unter Gewerkschaftsmitgliedern und Belegschaften haben.

Hinein in die
Belegschaften, in die Vertrauensleutekörper, in die Betriebsräte, in die
Betriebsversammlungen! Das ist die Devise. Lasst die Vorstandschefs auch
unserer kleineren, mittelständischen Unternehmen, die nicht selten beachtliche
Mehrwert- und Profitraten, also eine entsprechende Ausbeutungsintensität
aufweisen, auf der Betriebsversammlung hetzen, wenn eine solche Forderung dort
präsentiert und verteidigt wird. Stellen wir uns der Auseinandersetzung. Gehen
wir im Vorfeld in die argumentative Offensive, machen wir den Kolleg/innen Mut,
ihre Forderungen selbst zu formulieren. Haben wir keine Angst, dass eine solche
breite Debatte vielleicht bescheidener ausfällt, als unsere Ideen, wenn die
Kolleg/innen ihr eigenes Ergebnis nur zu ihrer eigenen Sache machen, für die
sie zu kämpfen bereit sind.

Wir haben gemeinsam, aber
auch nur gemeinsam eine große Macht, deren Handhabung in unserer Hand, in
unserer Verantwortung liegt. Geschenkt wird heute nichts mehr. Hinter der
einmal gefundenen Forderung müssen viele Kolleg/innen stehen, die baldige Urabstimmung
und den vollen Streik fordern. Das Denken muss aufhören, dass „die da oben“ das
schon aushandeln sollen. Die Macht, eine Forderung durchzusetzen, liegt in den
eigenen Händen, und ich kann nicht vom Gewerkschaftsvorstand mehr verlangen,
als wofür ich selber mich zu organisieren, zu kämpfen, zu streiken bereit bin,
und sei es noch so hart und noch so lange. Da liegt die Verantwortung aller
Gewerkschaftsmitglieder, aber auch derer, die noch nicht oder nicht mehr
organisiert sind. Vertreten wir alle gemeinsam unsere gerechten Forderungen in
den Gewerkschaften, gegenüber ihren Vorständen, vor allem aber gemeinsam
gegenüber dem Kapital. Es gibt keinen Tarifvertrag ohne Gewerkschafter/innen,
die ihn gemeinsam verteidigen und keine Tarifforderung ohne Menschen, die sie
entschlossen durchkämpfen. Machen wir dies zur Devise der Wochen, bis im Herbst
die Lohnrunde startet. Es wird Zeit, dass die arrogante Riege der Kapitalisten
und der bundesdeutschen Politik wirklich erschüttert wird durch einen großen Kampf.
Legen wir diese Aufgabe in die eigenen Hände. Es rettet uns kein höheres Wesen,
keine Merkel, kein Beck, kein Oskar Lafontaine.

Das können wir nur selber
tun.

Alle gemeinsam gegen das
Kapital!

 

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