medizinischen Sektor ist berechtigt. Mit jeder so genannten „Gesundheitsreform“
werden Leistungen gekürzt, Honorare gestrichen, bürokratische Belastungen
vermehrt, der Konkurrenzkampf unter den Ärzten und Krankenhäusern verschärft
und damit der Weg für eine profitorientierte Billigmedizin für die Masse der
Arbeiter und Angestellten geebnet.
Daneben entwickelt sich ein beachtlicher Markt der
Privatmedizin für die, die es sich leisten können, für ihre Gesundheit mehr zu
bezahlen. Schon jetzt gibt es daher in Deutschland eine Zweiklassenmedizin. Wer
reich ist, lebt länger, wer arm ist, stirbt früher – so die amtlichen
Statistiken.
Was ist die Antwort auf diese Situation? Welchen Weg muss
der berechtigte Unmut der Ärzte und der anderen Beschäftigten im
Gesundheitssystem suchen? Es gibt im Wesentlichen zwei Antworten:
Der eine Weg heißt, endlich die Reichen zur Finanzierung des
allgemeinen Gesundheitswesens heranzuziehen, die bisher völlig ungeschoren
davon kommen. Das Kapital ist durch zunehmende Arbeitshetze und immer
intensiveren Verschleiß der Ware Arbeitskraft verantwortlich für zunehmende
körperliche und psychische Erkrankungen wie die Volkskrankheiten Rücken,
Herz-Kreislauf, Depressionen und Burn-Out. Bei der industriellen
Massenernährung sind zwar die Profite hoch, aber die Gesundheit der Menschen
wird dadurch nachweislich gefährdet. Das Kapital als Verursacher all dieser
Schäden wird jedoch real immer mehr entlastet. Es zahlt nicht mehr wie früher
die Hälfte der Kosten für das Gesundheitswesen. Durch Zuzahlungen oder
Leistungen und Medikamente, die komplett privat gezahlt werden müssen, hat sich
der Anteil der Versicherten stetig erhöht. Die Herrschenden gehen also den Weg,
das Kapital als Nutznießer des zunehmenden gesundheitlichen Verschleißes zu
entlasten und ihm zugleich durch immer mehr Privatisierung und Konkurrenz im
Gesundheitswesen sogar noch neue und größere Felder zur Erzielung von Profiten
zu eröffnen. Der richtige Weg aber, wäre das Kapital für die Kosten des
Gesundheitswesens und damit für die Schäden, die es anrichtet, stärker
heranzuziehen. Das würde zugleich bedeuten, statt immer mehr Konkurrenz und
Profit Einschränkung der Konkurrenz und Schaffung einer einheitlichen
Versicherung und medizinischen Versorgung für alle. Damit wäre die Möglichkeit
da, die Zwei-Klassen-Medizin zu beseitigen. Und für die Ärzte gäbe es eine
Möglichkeit, ob angestellt oder frei praktizierend, für eine gesicherte Existenz.
Der andere Weg heißt, noch mehr Privatisierung und
Konkurrenz. Kurzfristig kann das einige frei praktizierende Ärzte retten und
ihnen etwas mehr Geld bringen. Langfristig bedeutet das, dass viele kleinere
Arztpraxen in dieser Konkurrenz untergehen werden. Dafür werden
Gesundheitskonzerne, wie es sie bereits im Klinik- und Kursektor gibt, in
diesen Markt vorstoßen und nach und nach Praxisketten aufbauen und durch
Billigkonkurrenz immer mehr freie Praxen vernichten und aufkaufen. Erste
Schritte in diese Richtung sind schon gemacht, indem z. B. Ärzte andere Ärzte
aufkaufen und anstellen dürfen. Davon werden die größeren Praxen mit gut
verdienenden Ärzten profitieren und langsam die nicht so gut verdienenden
Kollegen verdrängen. Auf dem deutschen Ärztetag forderte nun der Ärztepräsident
Jörg-Dietrich Hoppe weitere Schritte in diese Richtung. Statt anzuklagen, dass
das Kapital sich immer weiter aus der Gesundheitsversorgung herausschleicht,
behauptet er einfach, dass viele Leistungen der Krankenkassen nicht mehr
finanzierbar seien und deshalb ausgegliedert und privat gezahlt werden müssten.
Zudem fordert er Geld vom Staat, also von den Steuern zahlenden Arbeiter und
Angestellten. So möchte er erreichen, dass das Honorar für die übrig bleibenden
Leistungen erhöht wird. Das klingt verlockend für viele kleine Arztpraxen, die
heute mit Honorarverlusten um das Überleben kämpfen. Kurzfristig kann dies
tatsächlich mehr Geld in die Arztpraxen bringen. Doch langfristig werden davon
nur die sowieso schon großen Arztpraxen, die rationell und billiger arbeiten,
einen Gewinn haben. Vor allem Arztpraxen in ärmeren Stadtteilen mit nur wenig
Privatpatienten und Kassenpatienten, die sich kaum private Leistungen erkaufen
können, werden damit dauerhaft noch stärker ihrem Untergang entgehen gehen. Was
also kurzfristig wie eine Lösung aussieht, bedeutet langfristig den schnelleren
Untergang. Zudem stellen sich die Ärzte mit diesem Weg gegen ihre eigenen
Patienten statt gemeinsam mit ihnen für eine gesicherte, umfassende Gesundheitsversorgung
aller zu kämpfen. Und statt der Befreiung von einer „regulierten
Staatsmedizin“, wie die Propagandisten dieses Kurses locken, werden viele Ärzte
die Knechtschaft unter große Medizinkonzerne als deren Arbeitssklaven erhalten.
Der Weg, den Ärztepräsident Hoppe vorschlägt, ist sowohl für
den Großteil der Ärzte wie auch der Patienten gefährlich und schädlich. Nur
eine kleine Gruppe von Ärzten wie beispielsweise reiche Ärztefunktionäre á la
Hoppe und Patienten, eben die Reichen, werden davon profitieren. Sie können
Gewinne machen und sich eine gute Gesundheit leisten. Der Rest wird mit einer
Schmalspurmedizin im Akkord leben bzw. sterben oder privat zuzahlen müssen.
dm