Leserbrief: China reicher als Bayern?
Sicher haben alle Gegner einer Transrapidstrecke vom
Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen mit Sekt angestoßen, als die bayrische
Landesregierung den Nichtbau aus mehreren Gründen verkündete. Und sicher hatte
auch die Protesthaltung der vielen Münchner zu diesem „Express“ einen
wesentlichen Einfluss auf diese negative Entscheidungsfindung der Politiker.
Auf jeden Fall wurde damit der wiss.-techn. Fortschritt im Verkehrswesen in
Deutschland auf Jahre hinaus gebremst. Im Gegensatz zu Bayern, weiß China
genau, was es will und was es kann! Gegen viele Zweifler zum sozialistischen
Weltsystem, wird China die Olympischen Sommerspiele 2002 in Peking ausrichten;
aber das wissen wir ja schon alle. Was ganz bestimmt nicht alle so genau
wissen, ist, der Streit um den „Zankapfel“ Tibet.
Ein großer Teil Tibeter, die meinen keine Chinesen zu sein,
versuchen mit ihrem Drang nach Eigenständigkeit dieses internationale Großsportfest
Olympia zu sprengen und der chinesischen Regierung anzulasten, sie würde die
Menschenrechte mit Füßen treten.
Diese Auseinandersetzung der tibetischen Dalai-Lama-Anhänger
mit der chinesischen Regierung kommt der westlichen Welt, einschließlich der EU,
gerade recht, mit der Tibet-Krise die Olympischen Spiele zu boykottieren – koste
es, was es wolle!
Man unterstellt der chinesischen Regierung, dass sie sich
mit einem brutalen Manchester-Kapitalismus unter kommunistischer Führung in die
Spitzengruppe der Industrienationen katapultiert hat.
Sicher muss China mit seinem wirtschaftlichen Potential als
Wettbewerber im Weltkapitalismus beweisen, dass es auch weiterhin eine bedeutende
Wirtschaftskraft auf dem Weltmarkt ist.
So mir nichts dir nichts, das autonome Gebiet Tibet, welches
das größte Hochland der Erde, das „Dach der Welt“ ist, an die
Religion „Lamaismus“ zu verschenken, wäre gegen alle Regeln der
politischen Wirtschaftsphilosophie des chinesischen Staates.
Wenn auch geschichtlich belegbar ist, dass sich im 7.
Jahrhundert nomadische Hochlandstämme zu einem Staat Tibet (chines. Xizang)
mit der Hauptstadt Lhasa vereinigten, so konnte sich das kleine Land nie wirtschaftlich
selbständig behaupten; und es gab mit den umliegenden Völkergruppen des
Himalaya, auch mit China, Jahrhunderte lang schon immer machtpolitische
Querelen.
Erst als 1949 die VR China gegründet wurde, erneuerte Mao Zedong
den Anspruch Chinas auf das tibetische Land. In einem durch Indien vermittelten
tibetisch-chinesischen 17-Punkte-Vertrag vom 23. Mai 1951 erhielt Tibet
innerhalb des Staatsverbandes der VR China die Autonomie. Der treibende Keil
zur Wiedererlangung der tibetischen Eigenständigkeit ist die buddhistische
Glaubensreligion mit seinem Anführer „Dalai Lama“ (allgem. Namensbezeichnung
der gegenwärtigen Oberhoheit des tibetischen Lamaismus). Auch die Erlangung
der Selbständigkeit der serbischen Autonomie Kosovo ist unter Federführung der,
islamischen Glaubensbekenner zu Stande gekommen. und ohne christlichen Glauben
hätten wir nicht die ständige „Bremswirkung“ von Wissenschaft und
Technik!
M. B., Stralsund
Antwort der Redaktion
Lieber Genosse,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Leserbrief. Wie wir
schon in der Januar-Ausgabe von „Arbeit Zukunft“ dargestellt haben, sind wir
mit Deiner Beurteilung des Transrapid als „fortschrittlich“ nicht einig. Mit
jeder Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit steigt der Energieverbrauch
überproportional. Der Zeitvorteil wird zugleich immer kleiner. Es ist also die
Frage, ob in Deutschland ein Transrapid mit seinem deutlich größeren
Energieverbrauch und den schon bestehenden Umweltschäden sinnvoll ist. Eine
Strecke wie Stuttgart-Hamburg schafft man schon heute in 5 Stunden. Von
Stuttgart nach Paris sind es 3,5 Stunden. Das Fliegen lohnt sich damit zum
Glück nicht mehr. Der Transrapid würde kaum eine Verbesserung bringen und sehr
viel Geld kosten sowie Umwelt vernichten und schädigen.
Zu Tibet:
Als Kommunisten stehen wir nicht auf der Seite des
reaktionären Dalai Lama und der buddhistischen Mönche. Wir sind auch gegen die
Einmischung der imperialistischen Staaten, die in ihrem Machtbereich jede
Unabhängigkeitsbewegung wie in Nordirland, dem Baskenland, Kurdistan brutal
unterdrücken und als terroristisch abstempeln. Dagegen feiern sie es als
„friedlichen“ Protest, wenn in Tibet chinesische Bürger geschlachtet werden.
Trotzdem denken wir, dass man nicht einfach sagen kann, dass
man gegen eine Unabhängigkeit ist, weil das „gegen alle Regeln der
politischen Wirtschaftsphilosophie des chinesischen Staates“ wäre oder weil
es um Tibet „immer machtpolitische Querelen“ gegeben habe. Wir sind der
Meinung, dass die Menschen in Tibet ein Selbstbestimmungsrecht haben, dass
weder von den reaktionären buddhistischen Mönchen noch von der chinesischen
Zentralmacht übergangen werden darf. Nationale, kulturelle Konflikte können nur
auf diesem Wege dauerhaft gelöst werden. Kein Volk darf gegen seinen Willen
gezwungen werden, in einem Staatsverband zu bleiben. Das war übrigens auch die
Haltung von Lenin und Stalin. Eine Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes heißt
ja auch nicht unbedingt Abspaltung, sondern eben, dass das Volk selbst frei
entscheiden kann, was es will.
Zudem halten wir China nicht für ein kommunistisches Land.
Mao Tse-tung hat als Revolutionär China befreit und zu einem unabhängigen Land
gemacht. Im Gefolge der großen Oktoberrevolution und der Erfolge des
Sozialismus in der UdSSR hat er sich auch als Marxist aufgeführt, diesen jedoch
nie konsequent vertreten und angewendet. So hat er immer die chinesischen
Kapitalisten als „Bündnispartner“ für den Sozialismus angesehen. Wie man mit
Kapitalisten den Sozialismus aufbauen will, ist uns schleierhaft. Heute hat das
Kapital in China wieder feste Positionen und viele Fortschritte der
antiimperialistischen Revolution zunichte gemacht. In China gibt es viele
Millionen Arbeitslose. Menschen müssen für 30-40 Euro im Monat für chinesische
Kapitalisten und westliche Konzerne bis zum Umfallen schuften. Das ist reiner
Kapitalismus mit einer angeblich Kommunistischen Partei an der Spitze, die den
Kommunismus in den Dreck zieht. Siehe dazu auch unseren Artikel
„Unternehmerparadies China: Schuften bis zum Tod“, der im Internet unter http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/96
steht.
Redaktion „Arbeit Zukunft“
Leserbrief zum Leserbrief „China reicher als Bayern?“
Schön, dass immer mal wieder Leser der AZ sich zu den
politischen Positionen, die wir in unseren Artikeln beziehen, Gedanken machen
und Stellung beziehen. Der Leser M.B. aus Stralsund bezieht Stellung zu zwei
hochaktuellen Themen: dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt im
kapitalistischen Wirtschaftssystem und
dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen unter den Bedingungen des
Imperialismus.
In einigen Punkten bin ich ganz anderer Meinung als M.B.
Er schreibt: „Sicher haben alle Gegner einer
Transrapidstrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen mit Sekt angestoßen…“
Das glaube ich gerade nicht. Denn 95% oder mehr, so wage ich zu behaupten, der
Gegner der Transrapidstrecke in München sind Menschen wie Du und ich, die sich
nicht zu jeder Gelegenheit Sektgelage
leisten können. Andersherum hätten die Profiteure des Streckenbaus, die
Herren in den Chefsesseln von Siemens, Thyssen-Krupp, DB-AG usw. sicher die
Korken knallen lassen, wenn ihnen ihr profitträchtiger Coup mit dem Transrapid
gelungen wäre. Der oben zitierte Satz unterstellt, dass die Gegner einer
Transrapidstrecke Lobbyisten von irgendwas wären. Aber so ist es nun einmal
nicht. Wenn es zu einem Volksentscheid gekommen wäre (dem bayerische Staatsregierung
und Wirtschaftslobbyisten durch Verzicht auf das überteuerte Projekt
zuvorkamen), dann hätte man gesehen, dass das Volk den Transrapid nicht will.
Der Leser M.B. schreibt weiter: „Ein großer Teil der
Tibeter, die meinen keine Chinesen zu sein…“ Das ist nun meiner Meinung nach
ein ziemlich starker Ausdruck der Missachtung der nationalen Identität eines
Volkes. Wenn man mit reaktionären, nationalistischen Türken spricht, dann
nennen sie die Kurden Berg-Türken oder ganz einfach Verbrecher und Terroristen,
die aber in Wirklichkeit Türken seien. Aber es gibt nun einmal das kurdische
Volk, es gibt Basken, die keine Spanier sind, Iren, die keine Engländer,
Tschetschenen, die keine Russen, und Palästinenser, die keine Juden sind usw.
Wenn man den Tibetern nicht mal zugesteht, ein eigenes Volk zu sein, dann ist
man von Lenin und dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen sehr, sehr weit weg.
Das Volk der Tibeter zählt nach chinesischer Zählung von
2000 allein in den autonomen Gebieten über 5 Millionen, dazu kommen die in
anderen Provinzen Chinas lebenden Tibeter – allein in Peking leben 2000 Tibeter
, in Chengdu über 10000 – und etwa 110 000 Exiltibeter, von denen die meisten
in Indien leben. Es kann gar nicht davon die Rede sein, dass es Tibeter gibt
„die meinen, keine Chinesen zu sein“. Sie sind keine Chinesen!
Was M.B damit meint, wenn er schreibt „So mir nichts dir
nichts, das autonome Gebiet Tibet…an die Religion „Lamaismus“ zu verschenken,
wäre gegen alle Regeln der politischen Wirtschaftsphilosophie des chinesischen
Staates.“ Was ist die „politische Wirtschaftsphilosophie eines Staates“? Gab es
diesen Begriff im Schulungsmaterial der Ex-DDR? Für die Marxisten-Leninisten
steht fest: Die Wirtschaft Chinas ist kapitalistisch und der chinesische Staat
ist imperialistisch. Dafür gibt es eine Menge Beweise, die ich im Rahmen eines
Leserbriefs nicht aufzählen will. Verwiesen sei hier nur als Beispiel auf das
Gebaren Chinas bei der Erlangung von Erdölkonzessionen im Südsudan.
Unser Leser M.B. sieht überhaupt die Hauptkampflinie
zwischen den Religionen, dem „Lamaismus“, dem „Islam“ und dem „christlichen
Glauben“ und der modernen Wissenschaft und Technik. Damit wird sein Blickwinkel
schief. Die wirkliche Hauptkampflinie
verläuft zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, zwischen unterdrückenden
und unterdrückten Nationen (nach Lenin). Unser Leser M.B. täte gut daran, die
Schriften Lenins „Über die Religion“ (erschienen im Dietz-Verlag Berlin 1988),
die Schriften Lenins und Stalins zur nationalen Frage und zum Selbstbestimmungsrecht
der Nationen oder auch unsere Broschüre „China: Leuchtfeuer des Kapitalismus –
Chinas Weg von der bürgerlich-demokratischen Revolution zur imperialistischen
Großmacht“ (herausgegeben von der Organisation für den Aufbau einer
kommunistischen Arbeiterpartei, März 2007) zu lesen.
W.H.