immer wieder Schlagzeilen:
Nokia verabschiedet sich aus Deutschland. Weder
Vermittlungsversuche noch wütende Proteste konnten die Nokia-Bosse umstimmen.
2300 Menschen an diesem Standort werden in eine unsichere Zukunft entlassen.
Damit wird die Handy-Herstellung in Deutschland in Kürze ganz eingestellt.
Motorola hat im August 2007 seinen Rückzug bekannt gegeben. Von einst 3000
Arbeitsplätzen sind nur mehr 200 geblieben. Im September 2006 hatte BenQ Mobile
die Werke in Kamp Lintfort und in Bocholt dichtgemacht und 2500 Arbeitsplätze
vernichtet!
Unsentimental und
skrupellos, ohne Vorwarnung……..
Unsentimental, skrupellos und ohne Vorwarnung, nur nach
etwas mehr als einem Jahr, nachdem die Verpflichtungen des Konzerns gegenüber
dem Land Nordrhein Westfalen abgelaufen sind, hat nun der letzte
Handy-Produzent in Deutschland, der finnische Konzern Nokia die Schließung für
das Werk in Bochum beschlossen. Verpflichtet war der Konzern gegenüber dem Land
Nordhein Westfalen bis 15. September 2006, weil dieser umfangreiche
Staatssubventionen entgegengenommen hat, mit dem Versprechen Arbeitsplätze zu
schaffen. Knapp 90 Millionen Euro Steuergelder hat der Konzern insgesamt dafür
kassiert, dass er um die 2300 Arbeiter und Angestellte beschäftigt hat! Mit
großen Hoffnungen für viele Menschen hat sich der Konzern Nokia in Nähe der
Bahnstation Bochum Graetz angesiedelt. Selbst der Bahnhof wurde in Bochum Nokia
umbenannt. Anfangs übernahm Nokia den angeschlagenen Fernsehproduzenten Graetz
und baute zunächst selbst weiter Fernseher. Ab 1989 wurden die ersten, noch
sehr klobigen Geräte gebaut. (Vgl. ND, 22.01.2008)
Die Ansiedlung sollte als ein Musterbeispiel für das
Ruhrgebiet gelten, mit zukunftssicheren und sauberen Arbeitsplätzen sollte der
Abschied von Kohle und Stahl für die Menschen erträglicher sein. Mitte Januar
verdichteten sich Meldungen über die Einstellung der Produktion im Werk Bochum.
Am 22.01.2007 gingen in Bochum etwa 15.000 Menschen auf die
Straße, um gegen die geplante Schließung zu demonstrieren. Mit Slogans wie
„Nicht ohne Kampf ins Aus!“, „Bochum wehrt sich!“ und „Wir sind hier, wir sind
laut, weil man uns die Zukunft klaut!“, versuchten die Menschen eindrucksvoll
die Pläne des Managements aufzuhalten.
Doch trotz alledem wird Nokia wohl in Kürze 2000 Kilometer
weiter ostwärts produzieren lassen, im rumänischen Ort Jucu. Dort werden die
Arbeiter sich für weitaus weniger Geld verkaufen müssen. Laut Medienberichten
sollen die Löhne im neu entstandenen Werk zwischen 170 und 250 Euro betragen.
Viele bürgerliche Politiker machen nun eine böse Miene zu
diesem bösen „Spiel“. Sie schalten sich erzürnt in die Diskussion ein, erklären
sich solidarisch mit den Beschäftigten von Nokia, fordern gar Subventionsgelder
von Nokia zurück, werfen demonstrativ, wie Kurt Beck und Peter Struck ihre
Nokia-Handys weg und nennen Nokia, wie der Ministerpräsident von Nordrhein
Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), eine „Subventions- Heuschrecke“! Interessant
bei dieser Äußerung Rüttgers ist dabei der Umstand, dass der Begriff der
Heuschrecke auf produzierende Unternehmen wie Nokia ausgeweitet wird. Auch das
die immer noch anhaltende Bankenkrise nicht von schillernden Hedgefonds
ausgelöst wurde, sondern von „seriös“ geltenden Banken fördert diese
Begriffsausweitung auf sämtliche kapitalistische Unternehmungen
zusätzlich. Auch andere Monopolpolitiker
geben sich derzeit „Anti- kapitalistisch“, zumindest in der Tonart.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück spricht von „Karawanen-Kapitalismus“ und
Gewerkschafter, wie der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber sprechen vom
„Wild-West-Kapitalismus“. Dies reiht sich ein in Äußerungen wie von einem
„globalisierten Killer-Kapitalismus“ (Jean Ziegler, Schweizer Soziologe) und
von einem „Gefräßigen Kapitalismus“ (Gerhard Armanski, Sozialwissenschaftler in
Osnabrück), von einem „Superkapitalismus“ (Robert Reich, Ex-US
Arbeitsminister), von einem „Turbokapitalismus“ (Anselm Grün). Doch lassen wir
uns nicht täuschen, diese Auftritte kommen und gehen, wie schon die Beispiele
von Arbeitsplatzvernichtung der jüngsten Vergangenheit, die Veräußerung Siemens
an BenQ und die Schließung des AEG-Werkes in Nürnberg zeigten!
….aber eine normale
Angelegenheit im staatsmonopolistischen Kapitalismus
„Trotz Bankenkrise und
Nokia-Schließung können wir weiter zuversichtlich sein: Der Aufschwung am
Arbeitsmarkt hält an. Es gibt einen robusten Aufwärtstrend.“
Scholz, SPD, Arbeitsminister
Unsentimental und skrupellos ist Nokia vorgegangen. Dennoch
ist es in ökonomischer Hinsicht ein Vorgang, der keineswegs etwas Einzigartiges
oder Besonderes im imperialistischen System darstellt. Es ist auch nicht der
erste und auch nicht der letzte Vorfall
der sich in Deutschland ereignet und wie das obige Zitat von
Olaf Scholz zeigt, kein Grund für die Monopolpolitiker tiefgreifende Änderungen
für das kapitalistische System einzufordern. Stattdessen hält Arbeitminister
Scholz mit geschönten Arbeitslosenzahlen unbekümmert an der
Aufschwungspropaganda fest.
Aufgeschreckt durch den plötzlichen Abzug von Nokia aus
Deutschland schlagen zwar derzeit vereinzelt Monopolpolitiker, Gewerkschafter,
Journalisten und Sozialwissenschaftler Alarm. Ihre Hitzigkeit darf uns jedoch
nicht über das Wesen dieses menschenverachtenden Systems täuschen. Denn die
Nokia-Werksschließung ist eine ganz normale Angelegenheit im staatsmonopolistischen
Kapitalismus in Deutschland und anderswo. Volker Rieble, Professor für
Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der LMU München erklärt hierzu
unsentimental und trocken: „Die geplante Schließung des Nokia- Werkes in Bochum
sorgt für kollektive Empörung. Das ist zwar gut fürs Gemüt, vernebelt aber den
Verstand. Rechtlich ist zumindest alles ganz einfach: Jedes Unternehmen ist
frei darin, einen Standort aufzugeben.“ An anderer Stelle führt Volker Rieble
dann noch etwas konkreter aus: „Niemand regt sich auf, wenn Unternehmen in
Deutschland umziehen oder aus dem Ausland hierher kommen. Deutsche Städte und
Regionen betreiben offensiv Standortpolitik, auch mit Subventionen. Wer am
Spiel teilnimmt, muss aber auch verlieren können, wenn andere einen Wettbewerbsvorteil
ausspielen. Rumänische Arbeitnehmer, die künftig anstelle ihrer deutschen
Kollegen Nokia-Handys bauen sollen, profitieren in diesem Fall von ihrem
niedrigen Lohnniveau.“ (SZ, 31.01.2008)
Sicherlich, im Gegensatz zu anderen Herstellern ist der
Konzern Nokia derzeit in keiner allzu großen Bedrängnis. Nokia ist gegenwärtig
der weltgrößte Hersteller von Mobiltelefonen, in der Branche unangefochtener
Marktführer und produziert nach eigenen Schätzungen 39 Prozent aller weltweit
verkauften Handys. Im dritten Quartal 2007 erwirtschaftete der Konzern einen
Vorsteuergewinn von 1,272 Milliarden Euro (SZ, 17.01.2008). Vor Steuern hat der
Konzern im vergangenen Jahr rund 134 Millionen Euro Gewinn eingefahren. Das
Wirtschaftsmagazin „Capital“ wusste des Weiteren davon zu berichten, dass damit
jeder der 1500 Produktionsmitarbeiter für das Werk Bochum einen Gewinn von
90.000 Euro erwirtschaftet hat! Doch der Konzern hat trotz dieser schwarzen
Zahlen knallhart kalkuliert. Die Argumente von Nokia sehen ungefähr so aus: Die
Roboter im Werk Bochum sind rund zehn Jahre alt und müssen erneuert werden, um
die immer komplexer werdenden Geräte noch günstiger als bisher fertigen zu
können. Wir haben der Belegschaft in den letzten Jahren immer wieder etwas an
Lohnkosten abringen können. Wir haben kräftig Staatssubventionen eingestrichen
und konnten damit unsere Profite weiter steigern. Doch die anderen Hersteller
haben den Standort verlassen, haben ihre Zelte hier abgebrochen, um
kostengünstiger in Osteuropa, China und anderswo zu produzieren. Wir wollen
unsere Stellung verteidigen und gegebenenfalls weiter ausbauen, deswegen werden
wir nachziehen und unsere Zelte in Deutschland abbrechen. Wir kaufen
kostengünstig ein Areal in Rumänien, dort gibt es den Quadratmeter Bauland ab
ein bis zwei Euro! Auf einem ehemaligen Kartoffelacker nahe der Ortschaft Jecu
bauen wir ein neues und modernes Werk. Fördergelder sind in Aussicht. Die Leute
werden für einen Bruchteil der Löhne in Deutschland für uns arbeiten, denn die
Gegend ist ökonomisch ziemlich ausgebrannt! Die Institutionen dort werden uns
zu Füßen liegen, ebenso, wie uns die Behörden in Bochum zu Füßen gelegen sind,
damals 1989!
So oder ähnlich waren wohl die Überlegungen der Nokia-Bosse,
die zum Schließungsbeschluss führten.
Staatliche Eingriffe
als Lösungsmodell – der bürgerliche Staat als Bündnispartner der
Arbeiterklasse?
Die Situation für die Arbeiterklasse in Deutschland spitzt
sich anhand solcher Ereignisse wie jetzt in Bochum sicherlich weiter zu. Und
doch ist diese Situation nichts anderes als die alltägliche Normalität im
imperialistischen System im 21. Jahrhundert! Dieses System, erinnern wir uns,
war auch in der Vergangenheit, bevor Begriffe wie „Globalisierung“,
„Neoliberalismus“ und „Heuschrecken“ etc. zur Alltäglichkeit geworden sind, ein
menschenverachtendes und profitorientiertes System. Wohin wollen, wohin treibt
es die Verfechter dieses Systems?
Ein ideologischer Vertreter dieses Systems, der Leiter des
Münchner Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Heinz Werner Sinn, erklärt
ganz lapidar: tendenziell müssten „Industriearbeiter in allen Branchen
langfristig um ihre Jobs fürchten“. (SZ vom 21.01.2007) Neben denjenigen die
uns Angst machen und weiter unter Druck setzen, gibt es auch diejenigen, die
gutgemeinte Vorschläge machen, um den „globalisierten Killer-Kapitalismus“, wie
ihn beispielsweise Jean Ziegler (s.o.) nennt, zu zügeln. Und dennoch führen
manche dieser gutgemeinten Vorschläge in die Sackgasse und schüren Illusionen
unter der Arbeiterklasse.
Heinz Bontrup, Wirtschaftsprofessor an der Fachschule
Gelsenkirchen und Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaft, etwa warnt
im Zusammenhang mit der Debatte über Staatssubventionen an Nokia davor, das
Kind mit dem Bade auszukippen, und sieht weiterhin in Subventionen an Konzerne
ein Mittel für den Aufbau und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Allerdings geht er
sodann darüber hinaus und fordert:
„Der Staat sollte vielmehr eine Kapitalbeteiligung
anstreben. Denn so erhält die Politik auch ein Mitsprache- und Informationsrecht,
dann säße Politik im Aufsichtsrat und könnte mit den Arbeitnehmervertretern
eine Mehrheit gegen die Arbeitgeberseite bilden.“ (ND vom 22.01.2008) Doch auch diese Vorschläge
verkennen die Machtverhältnisse. Nicht der Staat plant, kontrolliert und
bestimmt den ökonomischen Kurs. Ein jeder Versuch die uneingeschränkte Macht
der Monopole zu stören wird mit dem Vorwurf torpediert, man möchte den
Sozialismus einführen u.s.w. Staatliche Eingriffe werden selbst von der
bürgerlichen Presse als Illusion zurückgewiesen: „Der Staat taugt nicht als
Reparaturbetrieb der Marktwirtschaft. Schon gar nicht kann er die Rolle eines
Dompteurs der globalisierten Finanzpolitik spielen. Es ist die Illusion von der
Allmacht der Politik, die eingesetzt werden soll, um Hoheitsrechte über die
Wirtschaft zu erringen.“ (SZ vom 31.01.2008) Natürlich sind die bürgerlichen
Politiker bestrebt, zu behaupten oder den Eindruck zu fördern, der Staat stelle
immer noch eine entscheidende Kraft in der kapitalistischen Wirtschaft dar oder
handle zumindest im Interesse der Mehrheit der Menschen. Doch das
Wirtschaftsleben wird von elementar wirkenden Gesetzen bestimmt. Die Beispiele
Bundespost und Bundesbahn sollten zu Denken geben und in Erinnerung gerufen
werden. Der Staat selbst verschachert Staatsbetriebe, wenn sich Nachfrage
einstellt. Es ist alter Wein in neuen Schläuchen, wenn man davon träumt, der
bürgerliche Staat möge sich wieder stärker ökonomisch in staatsmonopolistischen
Unternehmen engagieren! Etwa mit korrumpierten SPD- oder
Gewerkschaftsfunktionären, Arbeiterverrätern a la „Zwickel“ in den
Aufsichtsräten von Konzernen? Natürlich kämpfen wir als Marxisten-Leninisten
auch gegen Privatisierungsvorhaben, machen uns aber über den Charakter dieses
Staates keine Illusionen. Von Fall zu Fall, beispielsweise bei der Deutschen
Bahn, mag die weitere Mitbeteiligung des Staates das kleinere Übel vor der
völligen Preisgabe an Privatunternehmen
sein.
Doch längst haben sich die kapitalistischen Monopole den
Staatsapparat untergeordnet. Die Monopole nutzen die Staatsmacht für ihre
Interessen aus, wo es nur geht. Dieser Staat ist selbst längst degeneriert,
verschachert Staatseigentum, schützt Monopolinteressen. Dieser Staat setzt sich
nicht für Arbeiter- und Volksinteressen ein, sondern ist vielmehr längst zum
Verfechter für Monopolinteressen geworden.
Ehemalige Monopolpolitiker wie beispielsweise Gerhard
Schröder, Werner Müller und Otto Wiesheu etc. wechseln nicht selten nach ihrer
Amtszeit zu Unternehmen, denen sie während der Amtszeit treu ergeben waren!
Dieses System ist verfault und parasitär. Es gibt keine soziale
Marktwirtschaft. Für den Sozialismus allerdings, für den wollen wir
streiten!
[absr]