Nein zum Vertrag von Lissabon!

La Forge, die Zeitung der PCOF, der Kommunistischen Arbeiterpartei
Frankreichs, Januar 2008:

Zwei Ereignisse machen den neoliberalen Charakter der
europäischen Verfassung offensichtlich. Zwei Argumente für ein „Nein“ zum
Vertrag von Lissabon.

Das Vaxhalm-Urteil: der europäische Gerichtshof als Hüter
der neoliberalen Orthodoxie.

Im Jahr 2004 hatte ein lettisches Unternehmen (Laval)
Baumärkte in Schweden erworben. In diesem Land, wo kein gesetzliches
Mindesteinkommen besteht, verhandelt die Gewerkschaft die Löhne und andere
Modalitäten der Kollektivverträge. Ganz eindeutig waren die Löhne, die von der
lettischen Filiale von Laval bezahlt wurden, viel niedriger als die der
schwedischen Arbeiter.

Die Gewerkschaft der Bauarbeiter und dann die der Elektriker
haben eine Blockade der Baustellen begonnen, um die Firma zu zwingen, sich den
im Land geltenden sozialen Regeln unterzuordnen. Sie nahmen zu Recht an, dass
es sich um einen Akt des Sozialdumpings handelte, der dem Prinzip „gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“ zuwiderliefe. Der Knackpunkt in diesem Kampf war die
Möglichkeit, dass ein Unternehmen sich der sozialen Regeln, die in einem Land
gültig sind, wo es eine „Dienstleistung“ anbietet, mit Hilfe von entsandten
Beschäftigten entledigt.

Einige Monate später sollte diese Frage wieder aufgeworfen
werden anlässlich der Mobilisierung gegen den europäischen Verfassungsvertrag
und ganz besonders um die Bolkestein-Direktive über die „Liberalisierung der
Dienstleistungen“.

Die Chefs von Laval wollten nicht verhandeln und haben den
Fall vor den europäischen Gerichtshof gebracht wegen Behinderung der freien
Dienstleistung und um die Tatsache, in Schweden die schwedischen
Kollektivverträge anwenden zu müssen, zu bestreiten. Der europäische
Gerichtshof als treuer Gralshüter des neoliberalen Tempels hat den Chefs von
Laval Recht gegeben. Er „rechtfertigt“ seine Entscheidung damit, dass es in
Schweden keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt und ist der Ansicht, dass ein
ausländisches Unternehmen die von den Gewerkschaften ausgehandelten
Kollektivverträge nicht anwenden muss.

Einige Monate zuvor hat er eine ähnliche Entscheidung in der
Angelegenheit eines finnischen Fährunternehmens 
erlassen, das ein Schiff unter estnischer Flagge mit schlechter
bezahlten Seeleuten fahren ließ.

Diese zwei Ereignisse zeigen, dass das Prinzip der „freien
und unverfälschten Konkurrenz“ eines der neoliberalen Dogmen ist, das die
europäischen Instanzen den Arbeitern aller EU-Länder pausenlos aufzwingen. Es
ist eine Kriegsmaschine gegen die sozialen Rechte der Arbeiter, eine permanente
Bedrohung ihrer Errungenschaften, die alle Formen des Sozialdumpings,
insbesondere im Bereich der Löhne und Gehälter, zulässt.

Das sind weitere Gründe, um den Vertrag von Lissabon zu
bekämpfen, der ein Abklatsch des 2006 zurückgewiesenen europäischen
Verfassungsvertrags ist.

Die EU gebärdet sich als neokoloniale Macht.

Es gibt Vorkommnisse, deren sich die Verteidiger der
neoliberalen EU und des Vertrags von Lissabon nicht rühmen. Während sie noch
die Annahme des „Vertrags von Lissabon“ durch die Staats- und Regierungschefs
auskosteten, mussten sie anlässlich der Versammlung der 53 Staatschefs Afrikas
im Dezember den Ball flach halten.

Der zweite europäisch-afrikanische Gipfel brachte nicht die
erwarteten Ergebnisse. Der Gegenstand dieses Treffens war die Diskussion der
neuen wirtschaftlichen Verträge, welche die EU den Ländern Afrikas aufdrücken
wollte. Da die alten, so genannten Verträge von Cotonou auslaufen, wollte die
europäische Kommission, die im Namen von 27 Mitgliedsstaaten spricht, eine
totale Öffnung der afrikanischen Märkte durchsetzen als Gegenleistung für die
Öffnung der europäischen Märkte. Diese „Gegenseitigkeit“ ist nichts anderes als
ein schrecklicher Köder: da die jeweiligen Ökonomien nicht vergleichbar sind,
fällt die „freie und unverfälschte Konkurrenz“ immer zu Gunsten des Stärkeren
aus. Wie soll man „konkurrenzfähig“ sein, wenn es einerseits eine
subventionierte Lebensmittelindustrie mit hohen Renditen gibt und andrerseits
eine traditionelle Landwirtschaft? Wie kann man konkurrenzfähig sein, wenn
Firmen wie Bolloré den Import und Export der wesentlichen Waren kontrollieren?
Wie kann man konkurrenzfähig sein, wenn 
sogar die Beherrschung der Währung den afrikanischen Staaten der
CFA-Zone entgleitet und das Bankensystem in den Händen der europäischen,
besonders der französischen, Banken ist? Die Folgen dieser Art von Konkurrenz
für die beherrschten Länder sind nur zu bekannt: Liquidierung der Kleinbauern,
Zerstörung des industriellen Gefüges, explosionsartige Zunahme der Not und der
Armut, Landflucht.

Mehrere afrikanische Staatschefs, nämlich die von Senegal,
Südafrika und Namibia, weigerten sich, diesen neuen Vertrag zu unterschreiben
und warfen der EU vor, sich als koloniale Macht zu gebärden.

Diese Opposition, die einen Teil der Wut und der großen
Befürchtungen der Völker dieser Länder, die vor allem Bauern sind,
widerspiegelt, hat die Vertreter der EU überrascht. Barroso und L. Michel, der
mit diesem Vertragsentwurf betraute EU-Kommissar, wollten verhindern, dass
dieser Protest anschwillt und sich die Konkurrenten Nordamerika und China sich
seiner bedienten, um den Einfluss der EU zu untergraben.

Sarkozy verpasste nicht die Gelegenheit, sich als „Freund
der afrikanischen Völker“ darzustellen. Er verurteilte die „Beraubung der
Länder, die darüber hinaus nichts mehr haben“. Er wollte sich offensichtlich
vom Image eines Kolonialisten reinwaschen, das ihm seit seiner Rede in Dakar
anhaftet. Aber er fürchtet vor allem, dass diese aggressive Politik für die
Interessen des französischen Imperialismus zum Nachteil wird, indem sie die
Regierungen dazu treibt, sich anderen, wie China, zuzuwenden. Es ist sein
Pragmatismus, erhellt durch die Ratschläge gewisser Freunde, wie Bolloré, der
einen Teil seines Vermögens aus dem Handel mit Afrika bezieht.

Derweilen findet die konkrete Entlarvung dieses Aspekts der
neoliberalen Politik der EU gegenüber Afrika Eingang in die Kampagne gegen den
Vertrag von Lisabon, wovon sie ein integraler Bestandteil ist.