Klassengesellschaft Deutschland: Für Erwerbslose und Arme fällt den Herrschenden immer noch eine Schikane mehr ein!

KarikaturWer gemeint hatte, vielleicht würde sich die Lage der
Ärmsten in Deutschland angesichts des Konjunkturaufschwungs wenigstens nicht
weiter verschärfen, vielleicht sogar etwas verbessern, wird eines Besseren
belehrt:

Kaum ist nach Münteferings Rücktritt die neue Spitze im
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Minister Olaf Scholz und
Staatssekretär Klaus Brandner, beide SPD, besetzt, folgt die erste
sozialpolitische Provokation mit einer Ohrfeige für Hartz IV-Betroffene: eine
neue Verordnung zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II, die bereits zum Januar 2008 in Kraft treten soll. Die Bundesregierung hat
sie am 05.12.07 abgenickt, und Olaf Scholz braucht sie nur noch zu
unterzeichnen. Für eine inhaltliche Diskussion gibt es keine Zeit!

Die neue Verordnung sieht unter anderem eine gravierende
Verschlechterung bei der Einkommensanrechnung bei „Kleinstselbständigen” in
Arbeitslosengeld II-Bezug vor sowie eine 35-prozentige Kürzung der Hartz
IV-Regelleistung, wenn eine Vollverpflegung bereitgestellt wird. Das trifft vor
allem Hartz IV-Empfänger/innen, die sich im Krankenhaus behandeln lassen
müssen.

In der Anrechnung der Krankenhausverpflegung an die
Arbeitslosengeld II-Leistung sieht Harald Thomé, Vorsitzender des
Erwerbslosenvereins Tacheles e.V., eine makabre Provokation kranker Menschen: „Entgegen
den Empfehlungen des Petitionsausschusses des deutschen Bundestages
(!!!)
und einer sich herausbildenden Rechtsprechung der Sozialgerichte wollen die
Bundesregierung und das sozialdemokratisch geführte Ministerium, dass die mit
Leistungskürzungen und anderen Nachteilen verbundene Verordnung
schnellstmöglich durchkommt… Zusätzliche Ausgaben wie z.B. die Besuchskosten
der Familienmitglieder, Ergänzungsernährung, erhebliche Telefonkosten oder die
Anschaffung nötiger Krankenhausbekleidung sollen wohl aus gekürzten Leistungen
bestritten werden.”

Aber diese Bedarfslagen werden von den „Experten” des
Scholz-Ministeriums und Vertretern der Koalition schlichtweg ignoriert. Sie
unterstützen mit dieser Verordnung die vielerorts schon eingerissene
Verwaltungspraxis und münzen die Verpflegung in einer stationären Einrichtung kurzerhand
in einen finanziellen Vorteil um. Sie behaupten er liege oberhalb der so
genannten „Bagatellgrenze”. Folge: Kürzung der Regelleistung!

Vollkommen unverständlich ist diese neue Schikane vor dem
Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung. Thomé: „Diese hat u.a. bereits im
Detail dargelegt, dass es sich bei Krankenhausverpflegung nicht um ein
marktfähiges Einkommen handelt, das leistungsmindernd an das Arbeitslosengeld
II angerechnet werden kann,”

Doch das Ministerium begründet die neuen Verfahrensregeln
zynisch mit dem Argument der Verwaltungsvereinfachung. Dabei ist absehbar, dass
die Neuerung bei jedem Krankenhausaufenthalt zu einem erhöhten Prüfaufwand der
Behörde führt, und damit neben der Einkommenskürzung auch zu weiteren
Verzögerungen bei den Zahlungen an die betroffenen „Kunden“ der Jobcenter und
ARGE-en.

Thome kritisiert zu Recht, dass es im Gegenteil höchste
Zeit gewesen wäre, dieser unsäglichen Leistungskürzung bei
Krankenhausaufenthalten ein für allemal einen Riegel vorzuschieben.

(Quelle: Tacheles – Online – Redaktion http://www.tacheles-sozialhilfe.de)

So geht der Kapitalismus mit den Menschen um, die das
Kapital aussortiert. Das ist das wahre Gesicht der SPD in dieser Regierung.
Olaf Scholz macht gleich deutlich, warum die bürgerlichen Medien ihn mit soviel
Vorschusslorbeeren bedachten, als die SPD ihn nominierte. Er führt den brutalen
Kurs gegen ALG II-Empfänger ungerührt fort und treibt immer mehr Betroffenen in
die bittere Not und Armut; Realität im kapitalistischen Deutschland!

 

Die Armut wächst weiter! Aber auch die Einkommen der
Kapitalisten!

 

Die jüngste Untersuchung des deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) legt den Armutsskandal in Deutschland offen:

Nach dieser Studie

*verfügen rund zwei Drittel der über 17-jährigen über kein
oder nur geringes Vermögen.

*70% der Bevölkerung teilen sich 10 % des Gesamtvermögens
dieser Gesellschaft.

*Die ärmsten 10 % der Gesellschaft haben nur noch Schulden.

Die Einkommen der ärmeren Teile unserer kapitalistischen
Gesellschaft sind gegenüber 1992 um 13 Prozent gesunken. Anders die Reichen:
Die reichsten 10 % der Gesellschaft legten im selben Zeitraum um 31 Prozent zu.
(Quelle. Der Spiegel 51/2007, der auch den Großteil der folgenden Zahlen
publizierte). Auch das DIW bestätigt:

*Das reichste Zehntel der Gesellschaft verfügt über 60 % des
gesellschaftlichen Vermögens

*1 %, die reichste Gruppe der Gesellschaft, nennen 20 % des
Gesamtvermögens ihr Eigen.

Und für diese Reichen hat der Staat „wunderbare“ Bedingungen
geschaffen: Keine Vermögenssteuer, im internationalen Vergleich sehr geringe
Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Alle Daten bestätigen, dass die Klassengesellschaft
Bundesrepublik sich immer klarer zeigt. Reiche werden immer reicher, Arme immer
ärmer – aber das ist nicht alles! Selbst in den „gehobenen“ Einkommensgruppen
grassiert die Angst vor dem sozialen Abstieg. Immer mehr Arbeitsverträge werden
auch dort nur noch befristet abgeschlossen.

Der Beschäftigungssektor, der am stärksten wächst, ist die
prekäre Beschäftigung: Befristet, somit ohne Kündigungsschutz, geringe bis
geringste Einkommen, keine Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, oft
Leiharbeit. Dieser Sektor ist auch hauptsächlich für das Sinken der offiziellen
Arbeitslosenzahl von offiziell 5 Mio. auf 3,5 Mio. verantwortlich, wenn auch
nicht allein. Aber hier herrschen z. T. Löhne zwischen 5 und 7 Euro pro Stunde.
Der Spiegel nennt für

*Zeitarbeit 7,38 Euro, für das

*Bewachungsgewerbe 6,45 Euro, für das

*Friseurhandwerk 6,38 Euro, für das

*private Transport – und Verkehrsgewerbe in Thüringen sogar
nur 5,12 Euro

Es gibt aber auch noch geringere Stundenlöhne.

Sehr viele Beschäftigte müssen ihrem Lohn mit ALG II
aufstocken. Von diesen „Aufstockern“ gibt es mittlerweile insgesamt rund 1,3
Millionen! Dafür werden von der Arbeitsagentur mindestens 1,8 Mrd. Euro
ausgegeben. 1,8 Mrd. aus Beitrags- und Steuermitteln, damit Kapitalisten
Profite scheffeln können mit Löhnen, von denen niemand leben kann.

Trotzdem widersetzen sich das Kapital und die Regierung
hartnäckig der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Die ganze
Streiterei in der Regierung geht nicht um diese Frage, sondern lediglich um die
Festlegung von Branchenmindestlöhnen in einzelnen Branchen, wozu das so
genannte Entsendegesetz genutzt wird.

Andere europäische Länder haben gesetzliche Mindestlöhne.
Beispiele:

*Belgien und Niederlande: 8,08 Euro

*Großbritannien: 8,20 Euro

*Frankreich 8,44 Euro

*Irland: 8,65 Euro

*Luxemburg: 9,08 Euro

Das deutsche Kapital will, wie sich auch schon bei der
Post-Mindestlohnfrage zeigt, die konkurrierenden Volkswirtschaften mit seinem
kruden Hartz – Kombilohnkonzept ausmanövrieren, um den Preis einer brutalen
Verarmung großer Teile der Arbeiterklasse. Arbeit Zukunft vertrat bereits in
der Septembernummer 2007 die Auffassung, dass mit den Reglungen um das ALG II
(Hartz IV) ein brutal niedriger Mindestlohn etabliert wurde, was mit der ganzen
Mindestlohndemagogie von SPD und CDU nur vertuscht werden soll.

Hinzu kommt die Rechtlosigkeit vieler Beschäftigter in
diesen Sektoren, die von den beteiligten Arbeitgebern und Firmen rücksichtslos
ausgenutzt wird. Sie beruht nicht zuletzt darauf, dass die Beschäftigten sich
nicht zu wehren wagen oder oft gar nicht wissen, wie sie das anstellen sollen.
Viele sind nicht gewerkschaftlich organisiert, Betriebsräte gibt es nicht oder
werden mit allen Tricks gemobbt und ausgeschaltet.

Hier noch einige Zahlen, die den Anstieg der prekären
Beschäftigungen unterstreichen. Denn ein großer Teil dieser Beschäftigungsverhältnisse
muss als prekär angesehen werden:

Jeweils von 1994 bis 2005 wuchs die Zahl von

*Teilzeitbeschäftigten von 6,5 auf 11,2 Mio.

*befristet Beschäftigten 1,9 auf 2,7 Mio.

*von (Schein)selbständigen von 3,7 auf 4,4 Mio.

*und von Leiharbeiter/innen von 0,1 auf 0,4 Mio.

Im gleichen Zeitraum wuchs der Anteil der Beschäftigten in
diesen Erwerbsformen von 32,5 % auf 48,2 % an allen Erwerbstätigen.

 

Die Kinderarmut wächst dramatisch

 

Immer wieder wird auf die drastisch zunehmende Kinderarmut hingewiesen,
die eine gesetzmäßige Folge dieser Politik ist. Sie verschärft sich durch das
Kaputtsparen der öffentlichen Dienstleistungen, den Raub an den sozialen
Errungenschaften in Bildungs- und Gesundheitswesen und bei sonstigen kommunalen
Dienstleistungen. Die starke Demoralisierung vieler betroffener Eltern auf
Grund der wachsenden Armut führt zu wachsender Verwahrlosung der betroffenen
Kinder bis hin zur in letzter Zeit dramatischen Zunahme an Kindstötungen. Die
öffentliche Debatte über diese flagranten Missstände macht in aller Regel die
Eltern, manchmal das soziale Umfeld verantwortlich, übergeht aber, dass die
Profitlogik des Kapitalismus alle gesellschaftliche Fürsorge für Familien und
Kinder jeden Tag mehr zerstört.

Schon verlangen SPD-Bundestagsabgeordnete die Einrichtung
kostenloser Schulspeisungen, häufen sich Berichte, dass Kinder in großer Zahl
hungrig und ohne Schulbrot o. ä. bzw. ohne Geld in die Schule kommen. In
Berlin, Hamburg und München unterhalten Kirchen inzwischen große Betreuungseinrichtungen
für Armutskinder, wo kostenloses Essen, Schularbeitenhilfe und sonstige Hilfe
organisiert wird. Tendenz steigend.

Die letzte Pisa-Studie über das Bildungswesen machte
deutlich: In keinem entwickelten kapitalistischen Staat entscheidet die soziale
Herkunft so sehr über den schulischen Bildungserfolg wie in Deutschland. Wer
arm zur Welt kommt, hat statistisch schon verloren. Und arm kommen immer mehr
Kinder zur Welt. Auch hier entwickelt sich alles zum Schlechteren:

Von 1982 bis 2006 wuchs an den Hochschulen einzig und allein
die Gruppe der Studierenden *aus finanziell am besten gestellten
Gesellschaftsschichten: von 17 % auf 38 %.

*Aus „gehobenen“ Schichten nahm er von 26% auf 24 % ab,

*aus „mittleren Schichten von 34 % auf 25 %.

*Aus der „Unterschicht“ nahm er von 23 % ab auf nur noch 13
%.

Das zeigt deutlich den Klassencharakter des Bildungswesen,
das sich in der Tendenz zum Schaden der Kinder aus der Arbeiterklasse und aus
den unter Angestelltenschichten, zu Ungunsten der Erwerbslosenkinder weiter
verschlechtert.

Jeder weiß mittlerweile, dass das Aussieben der Kinder der
Armen schon früh beginnt. Das berüchtigte dreigliedrige Schulwesen ist
international nahezu isoliert und trägt entscheidend zum mittelmäßigen
Leistungsstand des herrschenden Schulwesens insgesamt bei wie zu der
furchtbaren Benachteiligung der Kinder der armen Klassen und Schichten. Es
gehört abgeschafft und durch ein Einheitsschulsystem ersetzt, das wenigstens
bis Klassenstufe 10 die Kinder jeder sozialen Herkunft ohne Unterschied
erfasst.

Besonders zu leiden haben im herrschenden reaktionären
System die Migrantenkinder. Sie sammeln sich mit vielen andern benachteiligten
Kindern vorwiegend in den Hauptschulen, bilden dort aber oft die Mehrheit und
erreichen oft noch nicht einmal hier einen Abschluss. Ihre „Karriere“ als
Erwerbslose, ständig vom Abgleiten in die Kriminalität gefährdet, ist
vorgezeichnet.

Dieser grobe Überblick, keinesfalls vollständig zerreißt den
Schleier aus sozialem Geschwätz und übler Diffamierung verarmter Menschen als
angebliche soziale „Schmarotzer“ (Noch-SPD-Mitglied Clement) oder
verantwortungslose Eltern, hinter dem sich die Fratze des kapitalistischen
Ausbeutungssystems verbirgt, speziell der Variante, wie sie in Deutschland
betrieben wird.

Diese Zustände sind von Menschen gemacht, sie werden im
vollen Wissen um die Folgen bewusst herbeigeführt; von Menschen, die in den
Parteien, Regierungen, Parlamenten oder in den Interessenverbänden des Kapitals
sitzen und dort Entscheidungen fällen. Sie sind Täter, die sich um die Profite
der Monopole und Banken, der Aktionäre, der Mittel- und Kleinkapitalisten
verdient machen. Dafür machen sie das Leben all derer zunehmend unerträglich,
die für diese „hehren Ziele“, für das Wohlergehen des Kapitals, ausgebeutet,
unterdrückt, erwerbslos gemacht werden.

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