diesem Jahr jährt sich der Geburtstag des albanischen Kommunisten und
Staatsmannes Enver Hoxha zum 100. Mal. Das ist Grund genug, sich erneut mit
seinem Wirken und seiner Person auseinander zu setzen.
Enver Hoxha war einer der außergewöhnlichsten
marxistisch-leninistischen Führer der internationalen kommunistischen Bewegung.
Mit seinem Namen verbunden ist der Aufbau des Sozialismus in
Albanien und sein unbeugsamer Kampf für den Marxismus-Leninismus sowie die
Verteidigung des Erbes von J.W. Stalin. Er war maßgeblich beteiligt an der
Gründung der Kommunistischen Partei Albaniens am 8. November 1941, später
Partei der Arbeit Albaniens.
Er war der wichtigste Führer des antifaschistischen
nationalen Befreiungskampfes der albanischen Partisanen gegen die italienischen
und die deutschen Faschisten im Zweiten Weltkrieg, der mit der Unabhängigkeit
und der Gründung der Volksrepublik Albanien
gekrönt wurde.
Enver Hoxha und die von ihm geleitete Partei kämpften um die
Unabhängigkeit Albaniens auch gegen Titos Versuche, Albanien Jugoslawien
einzuverleiben.
Unvergessen ist auch die Auseinandersetzung mit Maos China,
die 1978 in der dramatischen Trennung gipfelte, nachdem der Revisionismus in
China offen zu Tage trat und von Enver Hoxha entlarvt wurde.
Bemerkenswert bleibt gerade auch in diesem Zusammenhang der
hohe Rang offener Kritik in Öffentlichkeit und Medien Albaniens, die Einführung
der Arbeiter- und Bauernkontrolle sowie des Instruments der öffentlich
ausgehängten Blitzbriefe („flete rrufe“), die sich an die Wandzeitungen
in China anlehnten. Sie waren die Konsequenz aus der Auseinandersetzung mit der
chinesischen Konterrevolution: Alle Kritisierten, gleich ob einfacher Bürger,
Regierungsmitglied oder Parteifunktionär waren zur Antwort auf gleiche Weise
verpflichtet.
Über einen weiteren hochdramatischen und in seiner
historischen Bedeutung für Kommunisten kaum zu überschätzenden Zeitraum, über
ungeheuer erregende, teilweise erschreckende Erfahrungen hat Enver Hoxha 1980
seine Erinnerungen in einem Buch unter dem Titel „Die Chruschtschowianer“
zusammengestellt und veröffentlich.
Weil
die deutschsprachige Ausgabe aus dem albanischen Verlag „8. Nëntori“
(Achter November) von 1980 praktisch vergriffen ist, wurde jetzt das Werk
erneut herausgebracht (Enver Hoxha: „Die Chruschtschowianer – Erinnerungen“,
London 2007, Red Star Press; 270 Seiten. Vertrieb in Deutschland: Verlag AZ,
Postfach 401051, 70410 Stuttgart, 12 Euro).
Das
Buch ist eine scharfe, zum Teil ausgesprochen persönliche Abrechnung mit dieser
Clique.
Es erzählt zahlreiche Begebenheiten aus diesem herausragend
mutigen Kampf des damals gerade erst 50jährigen und seiner engen Kampfgefährten
gegen den Revisionismus der Clique um Nikita Chruschtschow. Dieser breitete
sich wie ein Flächenbrand in der kommunistischen Weltbewegung aus, nachdem
Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU (1956) mit dem offenen Angriff
auf Stalin die revisionistische Offensive eröffnet hatte.
Revisionistische Thesen wie die vom angeblich friedlichen,
gewaltlosen, ja sogar parlamentarischen Übergang zum Sozialismus, vom
friedlichen Zusammenleben mit dem Imperialismus, Praktiken wie die offene
Abhängigmachung verbündeter sozialistischer Länder durch die Sowjetunion sowie
die immer offenere Einmischung in deren innere Angelegenheiten alarmierten die
albanischen Kommunisten.
Auge in Auge mit den Moskauer Machthabern, nicht zuletzt auf
den historischen Konferenzen aller Kommunistischen und Arbeiterparteien in
Moskau 1957 und 1960, kämpften sie, unterstützt von nur relativ wenigen
verbliebenen Marxisten-Leninisten, gegen den von Chruschtschow und Konsorten
vertretenen Revisionismus in der Theorie, der schnell zu einer zunehmend
imperialistischen, mit sozialistischen Phrasen verbrämten Praxis überging. In
Albanien sahen die neuen Herren Moskaus zunehmend nur noch ein abhängiges
Touristen- und Südfrüchteland sowie einen strategisch wichtigen
Marinestützpunkt mitten im NATO-Operationsgebiet des Mittelmeers.
Diese Auseinandersetzung sollte nur um Haaresbreite an einem
offenen militärischen Konflikt mit der Sowjetunion vorbeischrammen.
Enver
Hoxha schildert sehr persönlich und lebendig diese für das sozialistische
Albanien ausgesprochen gefährliche Zuspitzung. Geraffte, kritische Porträts
einer Vielzahl der beteiligten historischen Personen (u. a. Mao Tsedong, Kim Il
Sung(!!), Breschnew, Mikojan, Suslow, Gomulka, Ulbricht, und natürlich Nikita
Chruschtschow) wechseln mit Ausblicken auf die internationale politische Lage
der Zeit. Mit Sympathie, freilich niemals unkritisch charakterisiert er
Genossen wie den polnischen Kommunisten Bierut, den Tschechen Gottwald, den von
allen Imperialisten verteufelten ungarischen Parteichef Rakosi oder Bulgariens
Dimitrow.
Wie
ein Roter Faden durchzieht die ganze Darstellung seine unversöhnliche Kritik an
der Politik Titos und der titoistischen Ideologie. Unversöhnlich und
prinzipiell enthüllt er, wie die Sowjetunion und die KPdSU unter Chruschtschow
erst die Kritik an Tito abschwächten, dann einstellten, schließlich zur mehr
oder weniger offenen Zusammenarbeit übergingen. Er enthüllt, manchmal auch
sarkastisch, oft in bitterer Ironie, manchmal in satirischem Spott, wie die
sowjetischen Führer eins ums andere Mal von Tito über den Tisch gezogen werden,
von diesem Diener des westlichen Imperialismus, dem Stalin 1948 noch öffentlich
die Maske vom Gesicht riss. Im Gegensatz zu den revisionistischen Führern stand
Enver Hoxha unverrückbar zu dieser Haltung.
Einer
der dramatischen Höhepunkte des Buches, wo auch dem heutigen Leser manches Mal
noch der Atem stockt, ist die Schilderung der Geschehnisse um den so genannten
„Ungarnaufstand“, die offenen Konterrevolution gegen den Sozialismus in Ungarn
1956, der tausende ungarische Kommunisten zum Opfer fielen. Konterrevolutionäre
Banden mit Unterstützung und Waffen aus den USA und anderen imperialistischen
Ländern übten systematisch Terror gegen Kommunisten aus, ermordeten sie, hängten
sie öffentlich auf, jagten und erschlugen sie auf der Straße. Enver Hoxha
enthüllt, wie der Chruschtschow-Revisionismus einerseits in totaler
Blauäugigkeit (sowohl bei der sowjetischen Führung, als auch bei vielen
ungarischen Kommunisten) andererseits in übelstem Moskauer Intrigenspiel zum
Schaden der wenigen verbliebenen Marxisten-Leninisten in Ungarn um Matyas
Rakosi intervenierte, so dass die Konterrevolution ermutigt und gefördert
wurde, deren Häupter Kardinal Mindszenty und Imre Nagy immer offener agieren
konnten. Enver Hoxha, damals mehrfach in Budapest zu Besuch, versuchte immer
wieder, seinen ungarischen Genossen die Augen zu öffnen.
Enver
Hoxha berichtet über die beiden internationalen Konferenzen der kommunistischen
Parteien 1957 in Bukarest und schließlich 1960 in Moskau, wo er den
Revisionismus Chruschtschows persönlich in einer berühmten Rede offen angriff,
schließlich über den endgültigen Bruch 1961.
Das
Buch ist ein „Muss“ für alle, die sich ernsthaft mit der Entwicklung des
Sozialismus auseinandersetzen wollen. Es erinnert alle daran, dass die sozialistische
Revolution ein scharfer, oft brutaler Klassenkampf ist. Lenin zeigte, dass der
Begriff von der Diktatur des Proletariats absolut ernst gemeint ist, denn gegen
zum Kampf entschlossene Gegner helfe nur eine genauso entschlossene,
nötigenfalls auch auf Gewalt gestützte Herrschaft der Arbeiterklasse. Wie er
berichtet, forderte Enver Hoxha von den ungarischen Kommunisten genau diese
Haltung, was bei ihnen wie auch bei den Moskauer Revisionisten auf
Unverständnis stieß. Leseprobe, Mitte 1956:
„Am
Abend gaben sie“ (Mitglieder des ungarischen Politbüros) „in einem Saal
im Parlamentsgebäude ein Essen für uns. … Wir unterhielten uns erneut über
die in Ungarn gärende schwierige Lage. Doch man merkte, dass sie den Kopf
verloren hatten. Ich sagte:
`Warum seht ihr tatenlos zu, wie die
Konterrevolution heraufzieht? Warum ergreift ihr keine Maßnahmen?´
`Was
für Maßnahmen sollen wir denn ergreifen?´…
`Schließt unverzüglich den
Petöfi-Klub, verhaftet die Hauptunruhestifter, schickt die Arbeiterklasse
bewaffnet auf die Straße und umstellt das Esztergom“ (Sitz von Kardinal Mindszenty). „Wenn ihr Mindszenty nicht inhaftieren könnt, könnt
ihr dann nicht wenigstens Imre Nagy verhaften? Lasst einige von den Häuptern
dieser Konterrevolutionäre erschießen, damit sie begreifen, was Diktatur des
Proletariats heißt.´
Die
ungarischen Genossen rissen die Augen auf und blickten mich verblüfft an …
`Wir
können nicht so vorgehen wie Sie sagen, Genosse Enver. Für so alarmierend
halten wir die Lage nicht. Wir haben die Situation unter Kontrolle. Das
Geschrei im Petöfi-Klub, das sind Kindereien. Und wenn ein paar Mitglieder des
Zentralkomitees zu Imre Nagy gegangen sind und ihm gratuliert haben, dann nur,
weil sie schon lange mit ihm befreundet sind und nicht, weil sie etwas dagegen
haben, dass das Zentralkomitee Imre ausgeschlossen hat.´
`Ich
glaube, ihr nehmt die Sache auf die leichte Schulter´, entgegnete ich. `Ihr
habt gar keine richtige Vorstellung von der großen Gefahr, die auf euch
zukommt. Glaubt uns, wir kennen die Titoisten genau und wissen, was sie
vorhaben, diese Antikommunisten und Agenten des Imperialismus.´
Doch ich blieb ein Rufer
in der Wüste.“ (Enver Hoxha.
„Die Chruschtschowianer …“, S. 151 f.)
Enver Hoxha vertritt, dass es in Situationen der offenen
Gefahr für den Sozialismus kein Zögern geben kann. Es habe verheerende Folgen,
wie der offene, politische wie militärische Ausbruch der ungarischen
Konterrevolution nur wenige Wochen später bewies.
Er und die Partei der Arbeit verbaten sich jede
Einmischung von außen und gingen gegen die auch in Albanien tätigen
Parteigänger Chruschtschows mit Härte vor. Verschiedentlich intervenierten
Mikojan, Suslow und Chruschtschow selber zu deren Gunsten, ohne Erfolg. Eine
damalige Widersacherin der Linie Enver Hoxhas, Liri Belishova, hetze erst vor kurzem
in den Medien des heutigen, kapitalistischen Albanien erneut gegen Enver Hoxha.
Enver Hoxhas Erinnerungen sind eine gute Lehre für alle
diejenigen, die sich über den Aufbau des Sozialismus unter den Bedingungen des
noch existierenden Kapitalismus und Imperialismus Illusionen machen. Er bleibt
ein Kampf ohne Ende, ein Klassenkampf im Inneren wie im Äußeren unter
ausgesprochen gefährlichen, harten und komplizierten Bedingungen. Enver Hoxha
und die Partei der Arbeit Albaniens verstanden es, sich in diesem Kampf auf die
Massen der Werktätigen ihres Landes zu stützen, waren nicht isoliert und
genossen in der Auseinandersetzung mit den Chruschtschowianern breite
Unterstützung, im eigenen Land wie auch weltweit bei allen Marxisten-Leninisten
und ehrlichen Revolutionären. Auch dafür geben Envers Erinnerungen „Die
Chruschtschowianer“ zahlreiche Hinweise.
ft
Enver Hoxha, Die Chruschtschowianer, 270 Seiten,
Paperback, 12 Euro zuzüglich Porto, jetzt bestellen bei Verlag AZ, Postfach
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