Leserbrief: Warum „Nein“ zum Transrapid?

Der Einsatz des Transrapid wäre ohne Zweifel ein
wiss.-techn. Fortschritt im Transportwesen der Deutschen Bahn. In der ehem. DDR waren zumindest alle Marxisten immer für
die Weiterentwicklung von Wirtschaft und Technik bis hin zum Weltniveau. Warum sind nun aber auch oder gerade Die.Linken gegen eine
Magnetschwebebahn „Transrapid“?

Bereits schon am 31.12.2002 – vor fünf Jahren – absolvierte
der in Deutschland entwickelte und gebaute Transrapid in der noch VR China
seine Jungfernfahrt auf der Flughafen-Trasse „Schanghai“ mit einer
Betriebsgeschwindigkeit von 430 km/h.

Wenn es auch 2006 auf der Versuchsstrecke im Emsland mit der
Magnetschwebebahn vom Typ TR O8, wegen menschlichem Versagens, zu einem
folgenschweren Unfall kam, so ist und bleibt der Transrapid eine technische
Herausforderung im Verkehrswesen und kann überall auf der Welt zum Einsatz
kommen. Warum nicht auch oder gerade in seinem eigentlichen Ursprungsland BRD?

Wenn Oskar Lafontaine im Bundestag fordert die
Elektro-Großkonzerne zu verstaatlichen, um die Strompreise auch weiterhin
bezahlbar zu machen, warum fordert dann nicht gleich Die.Linke die
Gesamtverstaatlichung des deutschen Monopolkapitals?

Wenn die Konzerne Siemens, Krupp und Tyssen staatliches
Eigentum wären, dann ließe sich auch ein „Metrorapid“ zwischen
Dortmund und Düsseldorf (79 km), sowie das derzeitige Bauvorhaben einer
geplanten Trasse vom Münchner Hauptbahnhof zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen mit
nur 37 km Streckenlänge, mit vertretbaren Kosten und Fahrpreisen, realisieren!
Denn nicht der Rückschritt – Alternativkonzeptionen – sollte Volksbegehren
sein, sondern immer das Höchstmaß an wiss.-schaftl. Fortschritt.

Spätestens in hundert Jahren wird der Transrapid die
„altmodische Eisenbahn“ mit all ihren störanfälligen Strom- und
Gleissystemen als Verkehrsmittel abgelöst haben. Aber auch die Autobahnen
werden mit elektronischen Leitsystemen, wo jedes Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit
daran geführt wird und die Fahrzeugführer „im wahrsten Sinne des Wortes“ Zeitung
lesen, Fernsehen schauen und sogar auch schlafen können. Die Flussschifffahrt
wird sinnvoll durch gebaute Wasserkanäle, die bei Hochwasser auch als Wasserableitsysteme
genutzt werden, umverlegt; und auf den Seefahrtswegen werden nur noch
unsinkbare Schiffe, vor allem solche mit Öl- und Gefahrengut, zum Einsatz
kommen. In der Luftfahrt wird es dann nur noch Hochgeschwindigkeitsflugzeuge á
la „Concorde“ geben, die nicht mehr mit Kerosin, sondern mit einem
Wasserstoff-Luftgemisch angetrieben werden.

Aber all diesen Progress wird es nur geben, wenn im
Interesse der Völker und nicht nach dem Profit des Monopolkapitals das Dasein bestimmt wird!

M.B., Stralsund

Antwort der Redaktion:

Lieber Manfred B.,

vielen Dank für deinen wichtigen Leserbrief. Er zeigt
unserer Meinung nach das Dilemma zwischen der zunehmenden Abwehr von
Umweltzerstörung in zum Teil breiten Volksbewegungen und eben dem
technisch-wissenschaftlichem Fortschritt. Mag der Transrapid eine
fortschrittliche wissenschaftlich-technische Errungenschaft sein, so wird diese
in „unserem“ späten Kapitalismus, wo Investitionen gleich Riesenausmaße
annehmen und entsprechende riesenhafte Profitansprüche freisetzen, wie jede
andere Maschine rücksichtslos gegen die Interessen der passiv Betroffenen
angewandt und möglichst durchgesetzt.

Du selber schreibst, nachdem Du zum Schluss deines Briefes
deine Verkehrs-Zukunftsvisionen dargelegt hast: „..all diesen Progress wird
es nur geben, wenn im Interesse der Völker und nicht nach dem Profit des
Monopolkapitals das Dasein entschieden wird!
“ Dem stimmen wir zu! Genau so
ist es! Wenn so nicht verfahren wird, besteht die Gefahr, dass der Kapitalismus
den Fortschritt bis zum Ruin unserer Welt treibt!

In München wird nach dem Profitprinzip entschieden, nach dem
Profit von Thyssen Henschel (Hersteller), der künftigen Betreibergesellschaft
und der Flughafenbetreiber sowie zahlloser hoch subventionierter
Luftfahrtgesellschaften, denen der Transrapid noch mehr Passagiere in ihre
Umwelt zerstörenden Flugzeuge schaufeln soll.

Auch deiner „bösen“ Fragestellung an die Linke können wir
zustimmen: „Wenn Oskar Lafontaine im Bundestag fordert die
Elektro-Großkonzerne zu verstaatlichen, um die Strompreise auch weiterhin
bezahlbar zu machen, warum fordert dann nicht gleich Die.Linke die
Gesamtverstaatlichung des deutschen Monopolkapitals?
“ Genau!

Letztlich finden wir an Deinem Leserbrief sowieso
erfreulich, dass er geprägt ist von einer ungemein optimistischen Zukunftshoffnung,
dass Verkehr(-stechnik) und die ganze sonstige Technik einmal geplant,
gesellschaftlich durchdacht und in diesem Sinne sinnvoll gestaltet werden kann.
Das streben auch wir an. Dafür ist die von dir geforderte Komplett-Enteignung
die Voraussetzung, aber das findet nicht im Kapitalismus statt, sondern in
einer sozialistischen Wirtschaft.

Aber die Menschen in München, denen der Bau einer 37 km
langen Transrapidstrecke eine Horrorvision ist, sie wollen nicht noch mehr von
ihrer Umwelt zerstört und verhunzt sehen und weiterem Lärm ausgesetzt sein. Zum
sinnvollen gesellschaftlichen Planen: Transrapid, der vielleicht das Potenzial
besitzt, wenigsten den inländischen oder Mittelstrecken-Flugverkehr zu
ersetzen
und damit Millionen Tonnen Kerosin, (das z. T. ja auch einfach vor
Landungen in die Atmosphäre abgelassen wird, um das Brandrisiko bei einem
Landeunfall zu minimieren) sowie massive Lärmemissionen um die Flughäfen herum
– er wird als Zubringer zu diesen Flugzeugen eingesetzt, um noch mehr Menschen
in die Luft zu bringen, was massiv subventioniert wird, zum Schaden der
umweltfreundlicheren Bahn.

Man kann und sollte die technische Kritik am Transrapid
nicht einfach übergehen, birgt sie doch die Chance, dieses Transportmittel
tatsächlich in einen technischen Stand zu bringen, der es gesellschaftlich
nützlich macht. Wie du sicherlich weißt, ist ja schon das erste
Transrapid-Projekt, die Strecke Hamburg-Berlin am Widerstand der
Umweltschutzbewegung gescheitert. Neben dem Lärm, der unter anderem ein Naturreservat
stark beeinträchtigt hätte, spielte auch eine Rolle, dass hunderte Kilometer
auf Stelzen gebaut werden müssen, was ungemein teuer und kostenaufwändig ist.
Zäune durch schöne Landschaften! Das Problem ist ja erstens, dass das
Antriebssystem die „Schiene“ nach unten umgreift, zweitens, dass diese
„Schiene“ der eigentliche Motor ist und besonderen Schutz benötigt, und dass
drittens bei 400 km/h und mehr das absolut tödliche Unfallrisiko, das schon bei
der Eisenbahn kaum noch beherrschbar ist, anders nicht in den Griff zu bekommen
ist.

Außerdem: Zumindestens nach den Aussagen  vom Bund Naturschutz handelt es sich bei der
Technik, mit der die Magnetschwebebahn betrieben wird, um eine veraltete
Technik – nicht um eine total neue, bahnbrechende, mit der man die Menschheit
jetzt beglücken will. Vor allem verbrauche ein Zug der Magnetschwebebahn etwa
3-mal so viel Energie als ein Zug auf normalen Gleisen.

Wenn du von der „altmodischen Eisenbahn mit all ihren
störanfälligen Strom- und Gleissystemen schreibst, die als Verkehrsmittel
abgelöst werden könnte, dann muss allerdings auch darauf hingewiesen werden,
dass gerade beim Transrapid unseres Wissens die Problematik der Weichen und
Kreuzungen gerade noch nicht zufrieden stellend gelöst zu sein scheint.

Aber schon diskutieren wir rational und sachlich. Wir, als
Sozialisten und Kommunisten,  würden
gestützt auf alle kundigen und kompetenten Menschen der Gesellschaft in
geduldiger Forschung das System technisch weiter verbessern, umweltverträgliche
Streckenführungen finden oder vielleicht einen Langfristplan schaffen zur
schrittweisen Ersetzung von geeigneten Bahnstrecken (und natürlich
Luftstrecken!) durch einen optimierten Transrapid, wenn es sich denn als
sinnvoll herausstellen sollte.

Arbeit Zukunft geht es heute darum, den Widerstand
gegen eine rücksichtlose Investitionspolitik des Kapitals und seiner
staatlichen Helfershelfer zu stützen, bekannt zu machen, die vielen
zersplitterten Bewegungen zusammen zu führen und sie an die Seite der heute
noch schwachen Arbeiterbewegung zu führen. Kritik an einer Investitionsmaßnahme
ist keinesfalls identisch mit einer Ablehnung des technischen Fortschritts. Es
war vielleicht einer der größten Fehler in den ehemals sozialistischen, später
entarteten Staaten gewesen, die Chancen dieser Diskussion ausgeschlagen,
Kritiker mundtot gemacht und kriminalisiert zu haben. Das sollte uns nicht noch
einmal passieren.

Redaktion AZ