Erfolgreiche Antifa-Demo in Neumünster!

Antifa-Demo Neumünster VVN-Transparent„Schluss mit der Repression gegen den Club 88“ war die
Losung von rund 40 (der NDR spricht von 100, der Deutsche Depeschen-Dienst
sogar von 160) Faschos, die am Samstag in Neumünster, einer
schleswig-holsteinischen Stadt mit 78000 Einwohnern, grölend durch die Straßen
zogen. Worum es dabei ging, berichteten wir am 21. November.

Dem Naziaufmarsch stellten sich über 700 Antifaschisten
gegenüber. Da wir Schleswig-Holsteiner seit langem wissen, dass bestimmte Mitarbeiter/innen
vom NDR und von der Kieler Nachrichten in ihrer Schulzeit dem
Mathematikunterricht nicht immer genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben,
wunderte sich auch niemand, dass diese bei 400 Teilnehmer/innen mit dem Zählen
aufgehört haben.

Antifa Demo Neumünster AbschlusskundgebungEin breites antifaschistisches Organisationsbündnis hat sich
gebildet. Da an den Neumünsteraner Schulen aktiv für die Demo geworben wurde,
nahmen viele 14- bis 18-jährige Schüler/innen an der Aktion teil. Die Genossen
von „Arbeit-Zukunft“ verteilten Probeexemplare und konnten viele interessante
Gespräche, besonders mit den jungen Antifaschisten/-innen führen. Die
Demonstranten stellten sich schon am Bahnhof den Anreisenden „Volksgenossen“
entgegen. Leider hatte der Zug Verspätung, so dass die Demonstration fünf Minuten
vor dem Eintreffen des Zuges begann und der Demonstrationszug sich auf der
vorgesehenen Route in Bewegung setzte. Den Empfang der Neonazis übernahm die
Landespolizei Schleswig-Holstein, die dann die „Herrschaften“ auch gleich
sicher zu ihrem Kundgebungsort begleitete. Die Stimmung im Demonstrationszug
war gut und Lieder von Pipi Langstrumpf bis Ton Steine Scherben schalten durch
Neumünsters Straßen. Bei den Zwischenkundgebungen wurden in gewohnter Weise
Reden von verschiedenen Organisationen gehalten, die eines gemein hatten: In
keiner Rede wurde der Kapitalismus als Quelle aller Neonaziaktivitäten benannt
und kein Redner machte auf die zunehmende Faschisierung des Staates durch die
Regierung und ihre Hintermänner aus den Chefetagen der Banken und Konzerne
aufmerksam. So kann, besonders bei jungen Antifaschisten/-innen leicht der
Eindruck entstehen, dass die Hauptgefahr für die Menschen von der, gemessen an
der Bevölkerungszahl, kleinen Gruppen von rechten Organisationen und Parteien
ausgeht. Zu erklären, dass das nicht so ist und zu beweisen, dass die
menschenverachtende kapitalistische Gesellschaftsordnung das Grundübel aller
Ungerechtigkeiten, Ausbeutung und Kriege ist, ist, auch in einem
antifaschistischen Bündnis, die Aufgabe der Kommunisten. Deshalb haben sich
unsere Kieler Genossen vorgenommen, bei ähnlichen Aktionen, künftig nicht mehr
auf einen eigenen Redebeitrag zu verzichten.

Eine erfreuliche Ausnahme war der Redebeitrag der Kieler
Gruppe „Zunder“, den wir nachfolgend vollständig wiedergeben:

„Vorweg eine
Grußbotschaft: Gestern jährten sich die rassistischen Brandanschläge von Mölln
zum 15. Mal. Damals fielen drei Menschen türkischer Herkunft der
neonazistischen Gewalt zum Opfer. Zur Stunde findet deshalb in Mölln eine
Demonstration in Gedenken an die Ermordeten und gegen die (wieder)erstarkende
rechte Szene in der Region statt. Schade, dass unsere Genossen/-innen heute
nicht hier sein können, schade, dass wir uns hier heute um Worch und seine
Idioten kümmern müssen! Aber auch hier heute bei uns sind die Opfer der
rassistischen Anschläge von Mölln nicht vergessen! Ebenso wenig wie der am
vorletzten Wochenende in Madrid von Neofaschisten ermordete Antifaschist
Carlos.

Wie mensch mit
Neonazis umgehen kann, zeigten Tausende von Antifaschisten vor drei Wochen in
Prag: Hier wollten Hunderte von Neonazis (auch aus Deutschland) durch das
jüdische Viertel marschieren mit der Begründung, die dort lebenden Jüdinnen und
Juden sollten nach 1945 wieder schwarz-weiß-rote Fahnen sehen. Diese widerliche
Provokation ist ihnen nicht gelungen und für eine Reihe von Nazis, die ihren
Aufmarsch teilweise bewaffnet durchsetzen wollten, endete der Tag in den
Krankenhäusern der Stadt.

Aber bei aller Wut,
die die Neonazis bei uns auslösen, und bei aller Sorge, die wir uns berechtigterweise
wegen der stärker werdenden Szene in Deutschland und Europa machen können: Wir
sollten nicht vergessen, dass die rechte Gefahr nicht alleine von den Neonazis
ausgeht. Der rechte Rand ist nicht alleine verantwortlich für den Rechtsruck in
Staat und Gesellschaft!

Bis Mitte der 90er
Jahre war die Rhetorik von einem „vollen Boot Deutschland“ das sich vor
angeblicher „Überfremdung“ durch Flüchtlinge schützen müsse, die
Hauptpropaganda deutscher Neonazis. Das hat sich aus einem einfachen Grund geändert:
Quer durch alle Parteien, von der CSU bis zu den Grünen wurden die einstigen
NPD-Parolen in das „demokratische“ Repertoire aufgenommen.

Nach 1945 war man sich
in allen Parteien von der CDU bis zur KPD einig gewesen: Nie wieder sollte
Krieg von deutschem Boden ausgehen. Und damit der Militarismus ein für alle mal
besiegt sei, sollte es auch keine deutsche Armee mehr geben. Mittlerweile haben
öffentliche Rekrutenvereidigungen samt Fackelmarsch und ekelhafter
Zurschaustellung von Kriegsgerät wieder einen festen Platz in der Gesellschaft.

Alljährlich zu Ostern
marschieren deutsche Neonazis unter dem bezeichnenden Motto: „Nie wieder
Krieg – nach unserem Sieg!“. Für den ersten (völkerrechtswidrigem)
Angriffskrieg Deutschlands nach 1945 war aber nicht die NPD verantwortlich:

Mit unhaltbaren Lügen
von angeblichen serbischen „Massenmorden“ und „ethnischen
Säuberungen“ * an Kosovo-Albaner/innen, rechtfertigte die damalige
rot-grüne Bundesregierung die Bombardierung Belgrads durch NATO-Bomber. In
Begründungen hieß es, es sei ein „neuer Holocaust“ zu verhindern, was eine
unerträgliche Verharmlosung der industriellen Ermordung von Millionen Menschen
durch die Nazis bedeutete. Der rot-grüne Krieg war natürlich keine
„Friedenspolitik“ (als die er gern verkauft wurde), sondern war das, was
der CDU niemals so einfach gelungen wäre: das wieder Hoffähigmachen von
deutschem Militarismus und deutscher Kriegspolitik. „Kollateralschäden“ in
der Region sind auf Dauer zementierter ethnischer Rassismus, Intoleranz und Gewalt
in der Region.

Dass die Grüne
Angelika Beer schon 1998 an der Durchsetzung des Kriegskurses (auch) gegen die
Opposition ihrer eigenen Partei maßgeblich beteiligt war, ist kein Geheimnis.

Wenn sie sich jetzt
hinstellt und meint sich vor laufenden Kameras zur Wortführerin unseres
antifaschistischen Protestes machen zu können, ist dies nicht hinzunehmen. Am
29.09. – dem 11. Geburtstag des Clubs 88, stellte sie sich vor die Presse und
behauptete, sie hätte die antifaschistischen Proteste maßgeblich mitorganisiert.
Das entspricht in keiner Weise der Wahrheit und das ist gut so!

Wieso sollten wir auch
einen „Aufstand der Anständigen“ gegen Rechts zusammen mit Leuten
organisieren, die so „anständig“ sind, dass sie rechte Inhalte wie
Nationalismus und Militarismus voranbringen?“

Nach dem Ende der angemeldeten Demo, begaben sich die
Demonstranten in die Neumünsteraner Einkaufszone, in der Hoffnung, dort die
Nazis bei Ihrer Abschlusskundgebung anzutreffen. Neumünsters Innenstadt glich
einer Belagerung. Überall bewegten sich Trupps von Polizisten und motorisierte
Gruppen fuhren mit Blaulicht und Martinshorn mal hier- und mal dorthin.
Unterstützt von Einheiten aus Eutin, Bad Segeberg, Schwerin, München und
Bremen, sprachen sie 300 Platzverweise aus, hinderten 25 Antifaschisten an der
Ausübung des Demonstrationsrechtes, nahmen fünf Antifas fest und stellten neun
Strafanträge. Alles im Dienste der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, um
das Versammlungsrecht von Faschisten zu garantieren. Im Polizeijargon liest sich
das denn so: http://www.polizeipresse.de/p_story.htx?firmaid=47769

Sehr erfreulich war, mit welchen kreativen Ausdrucksformen
sich die jungen Antifas mit Plakaten, Transparenten, Verkleidungen und Sketchen
am Protest beteiligten. Auch die „Front Deutscher Äpfel“ fehlte nicht und
machte gegen die „Überfremdung des deutschen Obstbestandes“ mobil. Hier die
ihre mitreißende Rede:

Front deutscher Äpfel Neumünster„Liebe Kameraden,
liebe Kameradinnen,

Liebe Sympathisanten und
Sympathisantinnen!

Wir, die Front
Deutscher Äpfel, die einzig wahre nationale Kraft des Landes, wissen: So kann
es nicht weitergehen.

Unsere schönen
deutschen Obstsorten wurden in der Vergangenheit immer wieder durch Aufpfropfen
fremder Arten verunreinigt. Das kann doch nicht angehen!

Gleichzeitig
überfluten Südfrüchte unser Land. Manch ein Kind weis den Wert eines guten deutschen
Apfels nicht zu schätzen, weil es mit Bananen aufgewachsen ist!

Aber das Schlimmste
auf den Streuobstwiesen ist das braune Fallobst, das tatenlos unter unseren
starken Apfelbäumen faul herumlungert. Das Fallobst muss einer, der
Gemeinschaft nützlichen, Verwendung zugeführt werden. Macht Fallobst zu Mus!

Und deshalb soll heute
ein besonderer Tag sein. Lasst uns heute gemeinsam, und damit meine ich alle,
denn wir alle müssen dem deutschen Apfel die Ehre entgegenbringen, die er
verdient.

Zweitens, das bitte
ich doch zu beachten, ist es von äußerster Wichtigkeit, wenn nicht sogar von
äußerster Priorität.

Wenn diese Aufgaben,
von irgendjemandem bewältigt werden können, dann von uns. Denn wir, die Front
Deutscher Äpfel, stehen schon seit Jahrhunderten, für die unerschütterliche,
und das meine ich ganz genau so wie es sage!

Denn sehen Sie, liebe
Kameraden und Kameradinnen, es ist doch so: Heutzutage kann man sich doch nicht
mehr sicher sein. Ständig, und das kennen sie, da bin ich sicher, gibt es hier
in Neumünster, ach was in ganz Deutschland!

Und das muss aufhören!
Diese Zustände sind doch unerträglich!

Deshalb, liebe
Kameraden und Kameradinnen, brauchen wir einen sofortigen Wechsel in der
Politik! Wir brauchen heutzutage diese Armut, diese Armut der Volksmassen, die
brauchen wir nicht mehr. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, die
wenigen Reichen, die es hier gibt, reicher zu machen. Denn Reichtum, Kameraden
und Kameradinnen, ist besser als Armut!

Und daher fordern wir,
die Front Deutscher Äpfel:

Erstens: Alle
denjenigen, die gut arbeiten, und sich auch regelmäßig die Zähne putzen, alle
Kosten, die eventuell entstehen, wenn sie, was ja nicht auszuschließen ist!

Zweitens soll jeder,
der nachweisen kann, aber nicht nur mit einer Geburtsurkunde, sondern auch, das
ist ganz wichtig, mit dem Personalausweis.

Drittens: Und das ist
am wichtigsten: Nur wird das von der Politik immer untertrieben dargestellt
oder sogar komplett ignoriert. So, kann es doch mit Deutschland kein gutes Ende
nehmen.

Zum Abschluss noch ein
saftiges:

HEIL BOSKOP“

(siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Front_Deutscher_%C3%84pfel
)

Die Proteste waren erfolgreich, weil durch unsere
Anwesenheit erreicht wurde, dass die Nazis eine kleinere Demonstrationsroute
wählen mussten und vorzeitig wieder abreisen mussten. Neumünsters Bevölkerung
hat gesehen, dass man es nicht hinnehmen muss, dass von der Polizei geschützte
Faschisten mit ihren Hassparolen durch die Straßen ziehen und letztlich hat es
uns Antifaschisten ein Stückchen mehr zusammengeschweißt, was künftige Aktionen
bestimmt fördern wird.

kb

Anhang:

Mehr über den sog. „Club 88“  http://www.gegenwind.info/218/antifa.html

* Anmerkung der Redaktion

In der sonst guten Rede der Gruppe Zunder wird von „unhaltbaren Lügen
von angeblichen serbischen ‚Massenmorden‘ und ‚ethnischen
Säuberungen‘ an Kosovo-Albaner/innen“
gesprochen. Dies halten wir für falsch. Tatsächlich gab und gibt es großserbische, nationalistische Kräfte, die mit Gewalt gegen das Recht der Kosova-Albaner auf Selbstbestimmung vorgingen und auch heute noch gehen. Dabei kam es auch zu Massenmorden und ethnischen Säuberungen. Allerdings gab es auch von Seiten der NATO und der Bundesregierung Lügen und manipulierte Meldungen, um einen Krieg gegen Jugoslawien führen zu können. Wir haben uns gegen diesen Angriffskrieg ausgesprochen, zugleich aber betont, dass eine Lösung nur möglich ist, wenn das Recht auf Selbstbestimmung uneingeschränkt gewährt wird. Dies war sowohl den serbischen Nationalisten als auch der NATO und der Bundesregierung nicht recht. Heute ist Kosova nicht frei und unabhängig, sondern ein Protektorat der NATO.