Krawallpolitik
der Pin Group AG
Die
Gewerkschaft ver.di und der Arbeitgeberverband Postdienste e.V. haben
nun in einem Tarifvertrag einen Mindestlohn zwischen 8,00 Euro und 9,80 Euro
für Zusteller zum 1.1.2008 vereinbart.
Die
Bundesregierung hat nach heftigen internen Auseinandersetzungen – der
Wirtschaftsflügel der CDU widersetzt sich jeder Mindestlohnfestsetzung, –
beschlossen, diesen Lohn zum Mindestlohn für die Briefzustell-Branche erklären
zu lassen. Dazu soll er in das so genannte Entsendegesetz aufgenommen werden,
das für bestimmte Branchen solche Mindestlöhne festlegen kann. Der Bundestag
müsste das noch in diesem Dezember beschließen.
Als
Reaktion auf die Mindestlohnpläne hat die zum Axel-Springer-Konzern gehörende
„Pin Group AG“ (rund 9000 Beschäftigte) die Entlassung von zunächst 1000
Mitarbeitern angekündigt. Die Anträge der Firma auf Massenentlassungen
liegen der Arbeitsagentur bereits vor.
Das ist eine
dreiste Erpressung der Beschäftigten, um den so genannten Postmindestlohn noch auf
den letzten Metern scheitern zu lassen.
Zum Hintergrund:
Im Januar
2008 soll nach dem Willen des Kapitals und der Bundesregierung das so genannte
Briefmonopol fallen. Wer inzwischen aufmerksam die Straßen betrachtet, wird
daher sehen, dass sich auf allerhand Fahrrädern, Kleinkrafträdern etc. in
quietschbunten Arbeitsklamotten neue Postzusteller anderer Firmen breit machen.
Die Unternehmen, für die sie zu Niedriglöhnen arbeiten, wollen rein in diesen
Markt!
In den westlichen
Ländern liegen die Löhne bei den neuen Briefdienstleistern im Durchschnitt bei
1.169 Euro brutto, im Osten sogar nur bei 985 Euro. Zum Vergleich: die Post
zahlt Tariflöhne von 1.978 Euro. (Quellen: ver.di und SWR)
Der SWR
meldete im Frühjahr 2007, dass der private Zusteller Jurex in Berlin einem
einzelnen in 40 Stundenwoche beschäftigten Zusteller ca. 800 Euro netto zahlt,
im Dezember 2006 sogar nur 494 Euro. Im Januar seien es 588 Euro gewesen, weil
Jurex ihm noch Geld für einen Schaden am Dienstwagen abgezogen hatte!! Ein
weiterer bei Jurex in einer 40 Stundenwoche Beschäftigter mit Kleinkind und
nicht arbeitender Ehefrau hatte laut SWR 800 Euro netto und musste noch 618
Euro Leistungen nach Hartz IV durchsetzen, damit er einigermaßen leben konnte.
Also ein so genannter Aufstocker, von denen es mittlerweile rund 1,3 Millionen
gibt! Dafür werden mindestens 1,8 Mrd. Euro ausgegeben. 1,8 Mrd. Euro, mit
denen Kapitalisten dabei geholfen wird, Profite zu scheffeln mit Löhnen, von
denen mensch nicht leben kann.
Offene
Erpressung der „neuen“ Zustellfirmen!
Solche
Firmen wie der Pin AG, TNT Post, Hermes -Logistik, Jurex Berlin und andere
setzen in ihren Profiterwartungen schlicht und einfach auf Dumpinglöhne für die
Mitarbeiter/innen!
Die
privaten Briefzustell-Firmen und ihr Arbeitgeberverband „Neue Brief- und
Zustelldienste“, geführt vom früheren Arbeitsagenturchef Florian Gerster,
drohen offen mit Entlassungen in Größenordnungen von 20.000 und mehr
Kolleginnen und Kollegen, wenn der Mindestlohn in der Postbranche komme. Die
Post AG wiederum spricht von 33.000 Arbeitsplätzen, wenn keine
Mindestgrenzen kämen.
Das
Kapital droht also von allen Seiten mit Arbeitsplatzabbau bzw. mit drastischen
Lohnsenkungen bei der Post, unabhängig davon, ob es zu einem Briefzusteller-Mindestlohn
kommt oder nicht.
Für die
Kolleginnen und Kollegen dieser Firmen ist das eine üble Situation! Sie sind
faktisch zu Geiseln dieser Lohnraubverbrecher geworden, deren einziges Ziel
ist, die im Wesen gesellschaftliche Organisation Post zu zerschlagen und
ihre Dienste unter sich aufzuteilen und zur Quelle von Privatprofit zu machen,
auf Kosten der Gesellschaft, der Kunden und der Beschäftigten! Viele
Kolleg/innen dieser Firmen waren lange arbeitslos und haben jetzt erneut Angst
davor.
Aber auch die betroffenen Beschäftigten der Post haben
allen Grund zur Sorge. Der Postvorstand hat sich selbst nur darum auf eine Art
Mindestlohn eingelassen, um Wettbewerbsnachteile gegenüber den anderen EU-Ländern
zu vermeiden, die das Briefmonopol ihrer Post-Unternehmen noch lange nicht
abgeschafft haben. Aktive Post-Gewerkschafter aus der ver.di haben uns
darauf aufmerksam gemacht, dass Postchef Zumwinkel hierbei keinerlei
kollegenfreundliche Motive verfolgt, sondern dass umgekehrt die
Postkolleg/innen die Zeche zahlen sollen; nämlich in der Form, dass Zumwinkel
möglichst viele von ihnen versucht, dann auf dieses Mindestlohnniveau herunter
zu drücken. Zur Zeit liegt nämlich die Mehrheit der Zusteller deutlich über
dem soeben abgeschlossenen Mindestlohn! Dies wirft, nebenbei bemerkt, auch
ein sehr kritisches Licht auf den soeben
von ver.di geschlossenen Tarifvertrag, der offenbar Löhne festlegt, die
für die Löhne der Postler/innen eine Bedrohung darstellen: Tarifvertrag als
Rutschbahn nach unten! Für die Beschäftigten der „Privaten“ aber
wären diese ein Fortschritt!
Die
privaten Briefzustellfirmen andererseits sind keinesfalls „kleine
Fische“, „arme, arbeitsplatzschaffende und aufopferungsvolle
Mittelständler“, wie die rührselige Propaganda von FDP, CDU bis hin zu
allen anderen Wirtschaftliberalen glauben machen will. Hinter TNT steckt die
niederländische Post, hinter Pin der Axel-Springer-Konzern, und auch
Hermes-Logistik, die im Januar in den Markt einsteigen wollte, ist ein Großer!
Auch wurden längst Fusionspläne diskutiert, mal zwischen Hermes und TNT, mal
zwischen TNT und Pin. Fusion heißt Arbeitsplatzverluste!
Angeblich
liegen solche Pläne zwar auf Eis, aber hinter den Kulissen wird brutal weiter
gekämpft. So verkündet Ex-Arbeitsagentur-Chef Gerster, sein „Verband Neue
Brief- und Zustelldienste e. V.“ werde die EU gegen den Mindestlohn, ja
sogar gegen den eingangs erwähnten Tarifvertrag(!) mobilisieren. Die zuständige
EU Kommissarin Kroes hat bereits signalisiert, dass sie das Thema unter dem
Stichwort „unerlaubte Subvention bzw. Marktabschottung“ prüfen
lasse, eine eindeutige Drohung!
Sollten
sich solche Leute wie Gerster durchsetzen, die längst auch von Arbeitgeberpräsident Hundt
unterstützt werden – man sieht, das Kapital ist glänzend organisiert! – dann
kann es auch für die Post-Kolleg/innen schnell wieder ganz ernst werden! Dann
stehen auch bei der Post Arbeitsplätze auf der Schleuder!
Was tun?
Für die
akut bedrohten Beschäftigten der Pin Group AG, aber auch die von TNT u. a., die
in Gersters „Verband Neue Brief- und Zustelldienste e. V.“
zusammengefasst sind, gilt der mit ver.di abgeschlossene Tarifvertrag
nicht! Dabei liegt eine deutliche Lohnerhöhung, wie sie die Einführung des
Mindestlohnes darstellen würde, im einfachen Interesse der Kolleg/innen! Wollen
sie aber in den Tarifvertrag rein, dann müssen sie sich das erkämpfen!!
In der
Masse liegen die Postkollegen wie gesagt deutlich über den Mindestlöhnen, also
haben die „Privaten“ auch mit Mindestlöhnen einen klaren
betriebswirtschaftlichen Vorteil. Ihr öffentliches Gejammer gehört schlicht zu
ihrem Abzockerhandwerk: Natürlich werden ihre Profitaussichten mit jedem Cent
weniger Lohn besser. Aber die Beschäftigten müssen von den Löhnen leben können,
was die diese Damen und Herren aber nicht die Bohne interessiert! Da gibt es
für die Kolleg/innen nur eine Alternative: sich den Gerster und Co. beugen oder
um das eigene Recht kämpfen!
Den
Kolleg/innen und Kollegen der privaten Brief- und Zustelldienste empfehlen wir
deshalb, sich nicht allein auf die Versprechungen der Regierungskoalition zu verlassen
und den Pin- und sonstigen Unternehmern die Zähne zu zeigen. Nehmt Eure Sache
in die eigenen Hände!
*Organisiert
Euch unverzüglich gewerkschaftlich, gemeinsam, koordiniert und möglichst
flächendeckend! Sprecht ver.di an, verabredet Euch, geht gemeinsam hin,
um einzutreten.
Damit allein darf man keinerlei Illusionen auf schnelle Erfolge verbinden. Ohne
Kampf gibt es hier keine Erfolge! Aber organisiert vorgehen ist immer besser
als vereinzelt. Wie stark auch die Kritik an ver.di immer wieder sein
mag: Es gibt sehr kritische und kämpferische Kolleg/innen dort. Wir haben keine
andere Gewerkschaft, die eine vergleichbare organisierte Kraft aufweist als ver.di..
Und das sollte ver.di auch für die Kolleg/innen der Pin und Konsorten
werden!
Ver.di macht keineswegs eine unumstrittene und konsequente Politik. Aber
Mitglieder haben in der ver.di satzungsgemäße Rechte, z.B. das Recht,
selbst Gremien zu bilden und Beschlüsse zu fassen. Hinter ihnen steht die aus
den Mitgliedsbeiträgen gespeiste (Finanz-)Kraft und Kompetenz der ganzen
Organisation.
- Verlangt,
dass eure Betriebsräte Betriebsversammlungen durchführen, auf denen Vertreter
vorn ver.di den Mindestlohn-Tarifvertrag erläutern und mit Euch diskutieren
können. - Stellt
zusammen mit ver.di selbst Tarifforderungen nach Einführung des
Mindestlohnes und zur Verteidigung der der Arbeitsplätze auf. - Löst Euch
von den leeren Versprechungen Eurer Firmen, die nicht die Tinte auf dem Papier
wert sind, auf dem sie (vielleicht) stehen. Glaubt ihre
betriebswirtschaftlichen Rechnungen nicht. Sie sind verlogen! Für die Herren
und Damen in den Vorständen und die Aktionäre ist immer ein Profit drin, selbst
wenn man für Euch nur Hungerlöhne übrig hat! - Bereitet euch
auf Streiks gegen Pin und Konsorten vor! Forderungen müssen die Einführung
der Mindestlöhne und die Erhaltung aller Arbeitsplätze sein! Weg mit
den Kündigungsdrohungen! - Streiks sind die einzige Sprache, die die Herren und Damen in den Unternehmensführungen
vorn Pin und Konsorten verstehen. Auch jetzt, wo ihr Geschäft noch nicht so
brummt, wie sie es sich wünschen, haben sie Aufträge, die sie erfüllen müssen.
Ihnen wird jede Stunde ohne Arbeit zum Schaden! Streiks ohne Schaden gibt es
nicht, sie sind legitim, rechtlich zulässig! Streiks, Organisiertheit und
Solidarität sind in dieser Lage die einzige Waffe, die die abhängig
Beschäftigten überhaupt haben.
Unterstützung
und Solidarität für jeden Widerstand gegen die Krawallpolitik der Pin Group AG,
von TNT und ihres Vormanns Gerster!
Für
einen flächendeckenden, den Lebensstandart sichernden Mindestlohn von 10 Euro!
ft.