Es ist ja wahrlich kein
schlechter Urlaubseindruck: Ich sitze auf dem Deich bei Husum in der
Morgensonne und beobachte die fantastischen Wolken. Da schiebt sich ein kleines
Fluzeug in den Blick, das mühsam gegen den Nordweststurm eine riesiges
Werbebanner schleppt: „Kein Lohn unter 7,50 Euro! Gesetzlicher
Mindestlohn von 7,50!“
Und genauso wenig ist es
falsch, wenn ver.di- und DGB-Kolleg/innen mit einem großen Werbe-Truck durch
norddeutsche Städte touren. Laut „Insel-Bote“ vom 21.08.07 sammelten
sie allein in Wyk auf Föhr, am 20. August in der Fußgängerzone 1000
Unterschriften unter die genannten Forderungen. Ihre
„Hungerlohn-Ausstellung“ sei auf große Sympathie gestoßen, so Helmut
Hartmann, der mitreisende Vorsitzende der DGB-Region Nord. Er habe die
Erfahrung gemacht, dass die Forderung nach 7,50 Euro Mindestlohn „den Nerv
der Leute getroffen habe.“
Ich finde es gut, dass
solche Aktionen stattfinden, obwohl es besser wäre, für 10 Euro Mindestlohn zu
streiten, wie die Gewerkschaftslinke es verlangt hat. Aber es beginnt sich
etwas zu bewegen. Die Straße, das flache Land werden politisiert, ja, auch der
Urlaub, warum nicht?
Deshalb hat nun auch die
SPD den Mindestlohn mal wieder entdeckt. Aber da muss man doch sagen: Der Dieb
schreit: „Haltet den Dieb“. Und es wird gelogen, getrickst und
betrogen. Bedenkt man den Einfluss, den die SPD speziell im DGB ausübt, kann
man nur sagen: da werden die von den Gewerkschaftsmitgliedern bezahlten
Kollegen des DGB missbraucht!
Sammelte die SPD doch
selbst vor Monaten Unterschriften für den Mindestlohn. Als die Links-Partei im
Bundestag denselben Text zur Abstimmung stellte, stimmte die SPD dagegen!!
Und nun wieder die SPD! In
Wirklichkeit will sie gar nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Sie will zunächst
einmal eine Aufnahme der Postbediensteten in das so genannte Entsendegesetz, in
dem bereits tarifliche Mindestlöhne der Bauarbeiter und Haus- und
Gebäudereiniger zu Branchenmindestlöhnen erklärt werden. Über die Höhe ist da
gar nichts ausgesagt. Nun also die Beschäftigten der Postbranche. Ihre
Werbeabteilung gibt das dann als Einsatz für einen Mindestlohn aus.
Hintergrund ist der Wegfall
des letzten Post-Beförderungsmonopols, des Briefmonopols. Wer aufmerksam die
Straßen betrachtet, wird aber bereits jetzt sehen, dass sich auf allerhand
Fahrrädern, Kleinkrafträdern etc. neue Postzusteller anderer Firmen breit
machen. Auf Nachfrage weigerte sich eine Angestellte der PIN-Agentur in
Stuttgart, ihren Lohn zu nennen. Das sei ihr verboten. PIN ist einer der neuen Postkonkurrenten.
Unschwer lassen sich die Hungerlöhne erahnen, die sich hinter einem solchen
Verbot verbergen. Wenn das letzte Beförderungsmonopol fällt, sehen sich die
Post-Kolleg/innen endgültig einer ruinösen, Lohn-, Leistungs- und
Qualitätskonkurrenz ausgesetzt. Ziel ist die Zerschlagung der sowieso
zerlöcherten Tarifverträge.
Weil sich Deutschland in
der EU zum Vorreiter in der Deregulierungsfrage gemacht hat, liegt es mit der
Auflösung des Briefmonopols zeitlich weit vor der EU-Konkurrenz. So hat sich
sogar der Postvorstand der Forderung nach einem Mindestlohn halbwegs
angeschlossen, „um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden“. Daher weht also
der Wind bei der SPD. Und dazu die Wahlen des nächsten Jahres…
Die SPD versteckt sich
hinter ihrem Koalitionspartner CDU. Mit dem seien nur Veränderungen im Rahmen
des Entsendegesetzes zu machen. Das heißt im Klartext: für einzelne Branchen,
wenn sich die „Tarifpartner“ auf solche Mindestlöhne eignen und die
Bundesregierung sie dann für die betreffende Branche verbindlich macht.
Ursprünglich war dies Gesetz nur gemacht, um Mindeststandards für vom Ausland
auf den deutschen Arbeitsmarkt „entsandte“ Kollegen halbwegs zu
regeln. Daher der seltsame Name. Es spricht Bände, dass dies jetzt – in
Einzelbranchen – auch für „inländische“ Beschäftigte gelten soll.
Aber das sind keine Mindestlöhne.
Das sind schon deshalb
keine, weil in anderen Branchen der Skandal um derartig miese Bezahlungen
herrscht, dass Vollbeschäftigte dort trotz Lohnzahlungen Leistungen aus Hartz
IV beantragen. Laut „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) sind das zusammen 1,1
Millionen so genannte „Aufstocker“.
344.000 Menschen stockten
nach den Zahlen der SZ Löhne von über 800 Euro mit Hartz-IV-Leistungen auf,
wenn auch nicht immer mit dem vollen Satz. 191.000 Menschen stockten Löhne
zwischen 400 und 800 Euro auf, 558.000 Einkommen lagen unter 400 Euro.
Und die SZ erinnert: „Etwas zu kurz kommt in
der Debatte, dass das Aufstocken in gewissem Umfang vom Gesetzgeber gewollt
war. Die Regeln sollten Erwerbslose ermutigen, notfalls lieber einen niedrig
bezahlten Job als gar keinen anzunehmen. Das hat teilweise aber zu Missbrauch
geführt, weil Arbeitgeber ihre Beschäftigten zu niedrig bezahlen und ihren
Mitarbeitern raten, sich das nötige Geld vom Staat zu holen. Viele Betroffenen
bekommen von ihren Arbeitgebern zu hören: Hol dir den Rest vom Amt…“
Besonders betroffen von
solchen Zuständen seien Dienstleistungsbranchen wie Steuerberatungsfirmen,
Architekten, PR-Agenturen oder das Gastgewerbe, soziale und medizinische
Einrichtungen und Dienstleistungen sowie der Einzelhandel. Die Beschäftigung
der „Aufstocker“ wird deren Arbeitgebern mit 1,8 Mrd.Euro per Hartz
IV bezuschusst, so die Bundesregierung in aller Unschuld.
Und dann die eigentlichen
Ein-Euro-Jobs: Anja Kettner, Mitarbeiterin des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung der Agentur für Arbeit weist laut „Evangelischem
Pressedienst“ epd auf folgenden, von „Arbeit Zukunft“ bereits in der
Märzausgabe („Hartz IV – das ist offner Strafvollzug“) dargestellten
Sachverhalt hin: Ein Fünftel aller die Hartz IV-Jobber ausnutzenden Betriebe
nutzt die öffentliche Förderung nur dazu, um die zu erledigenden Aufgaben immer
neuen Zusatzjobbern zu übertragen, gerade einmal 7 % beschäftigten sich mit dem
Gedanken, solche Beschäftigte in feste Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. Das
ist die Realität, begründet von der SPD-Erfindung Hartz IV!
Immerhin geben Leute in der
SPD wie z.B. der schleswig-holsteinische Innenminister und Landes-SPD-Chef
Klaus Stegner zu, dass zwischen Hartz IV und der Mindestlohnproblematik
„ein Zusammenhang“ besteht, und tun dabei so, als befänden sie sich
in Opposition innerhalb der Partei. Aber
den eigentlichen Zusammenhang vertuschen oder verschweigen sie:
Mit dem ganzen Hartz
IV-Unwesen ist in einer im Einzelnen undurchschaubaren,Weise der Mindestlohn
alla Peter Hartz (Verurteilter Korrupter), Gerhard Schröder und Wolfgang
Clement („Viele Arbeitslose sind Schmarotzer!“), allesamt
SPD-Mitglieder, längst da und wirkt! Er wirkt sich aus wie in einem System
kommunizierender Röhren. Das heißt, seine durch HatzIV gesetzte ungefähre Höhe
beeinflusst auch Lohnhöhen dort, wo Hartz IV nicht gezahlt wird. Er wirkt sich
aus in der Herausbildung einer statistisch nicht klar erfassten Schicht
arbeitender Armer. Der Mindestlohn ist längst auf unterster Stufe da, nur kann
ihn niemand im Einzelnen beziffern. Er dürfte bei zwei bis drei Euro liegen,
wofür Löhne in dieser Höhe in einigen Branchen sprechen.
Erst wenn dieses unsägliche
Hartz-IV-Gesetz abgeschafft wird und wenigstens wieder eine menschenwürdige,
bedarfsgerechte Versorgung arbeitslos gemachter Menschen gesetzlich etabliert
ist, kann sich die SPD wieder ernsthaft an einer Mindestlohndebatte beteiligen.
Mit Hartz IV hat sie ihr Votum zum Mindestlohn längst in gesetzesgültiger Form
abgegeben. Ihr oben erwähntes Abstimmungsverhalten im Bundestag beweist das nur
zu gut. Sie weiß, dass gerade sie längst einen schamlosen Mindestlohn
geschaffen hat.
Der deutschen Linken, den
Gewerkschafter/innen und uns Kommunist/innen bleibt die Aufgabe, sich weiter
für die Abschaffung von Hartz IV, für 10 Euro pro Stunde Mindestlohn
einzusetzen. Und wir haben Forderungen und Konzepte für eine menschenwürdige
Grundversorgung zu entwickeln.
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