Auf Einladung der KPCh besuchte eine dreiköpfige Delegation
der DKP China. In zwei Ausgaben im März diesen Jahres erschien ein Reisebericht
in der Zeitschrift „Unsere Zeit“ (Zeitung der DKP), verfasst von einem der
Mitreisenden. Dieser gab die Erlebnisse und Einschätzungen der
DKP-Reisedelegation wieder. Auf dieser einwöchigen Reise, von der Hauptstadt
Peking in die Provinz Jiangxi und anschließend nach Schanghai, zeichnet dieser
Bericht, trotz einiger kritischen Anmerkungen, ein insgesamt positives Urteil
über dieses, unserer Meinung nach kapitalistisch-imperialistische Land.
Der Reisebericht zeigt recht deutlich auch den allgemeinen
opportunistischen Charakter der DKP auf. Nachdem sie aus dem Zusammenbruch der
revisionistischen Regimes in der Vergangenheit keine marxistische Analyse
vorgenommen hat, zeichnet die DKP ein oberflächliches und hoffnungsvolles Bild
vom Weg der KPCh, und ihrer „weisen Führer“ für die Zukunft. Als die KPCh, noch
unter Führung von Mao Zeodong, die Revisionisten der Chruschtschowianer, wenn
auch nicht konsequent, mit berechtigten Gründen angriff, da stellte sich die
DKP ideologisch auf die Seite Moskaus. Für die DKP war der Maoismus eine
kleinbürgerlich-konterrevolutionäre Ideologie und Politik [1]. Einige
Einschätzungen der DKP damals, über die Politik Maos (z.B. über die Kulturrevolution
etc.) mögen heute durchaus diskutabel sein, wenngleich beachtet werden muss,
dass berechtigte Kritik der DKP am Maoismus meist von einer Parteinahme für die
Verräter unter Chruschtschow begleitet ist. Über viele Jahre hinweg griff die
DKP die Politik der KPCh undifferenziert und einseitig an.
Einen Kurswechsel mit China hat es wohl bei der DKP zum
Zeitpunkt der Annäherung der SED zur KPCh gegeben, als die SED kurz vor dem
Zusammenbruch der DDR in China auf einen wirtschaftlichen Partner hoffte. Auch
die DKP ist bei der Wahl nach neuen Partnern nicht wählerisch und biedert sich
mit Lob und Anerkennung an die KPCh an, – ohne ihr Verhältnis zur KPCh
ausreichend zu reflektieren und sich die Situation der Arbeiterklasse in China
heute ehrlich einzugestehen.
Teilweise gewinnt man sogar den Eindruck, dass sich die
Lobeshymnen des Kapitals in ökonomischer Hinsicht mit denen der DKP ziemlich
gleichen! Der Reisebericht zeigtt des
weiteren unsere antagonistischen Widersprüche und unüberbrückbaren Differenzen
zur DKP, in diesem Fall, mit ihren haarsträubenden Einschätzungen zu den
gesellschaftlichen Verhältnissen in China.
Von Schwindel befallen…, von diplomatischen
Aufmerksamkeiten…
Natürlich ist man als Gastgeber bemüht, seine Gäste zu
beeindrucken. Dies ist der KPCh offenbar von Anfang an leicht gelungen. Die
DKP-Reise-Delegation ließ sich gleich bei der Ankunft durch ein paar kleine
komfortable Aufmerksamkeiten beeindrucken. Über die Ankunft in Peking heißt es
im Reisebericht: „Umso mehr ist unsere Ankunft in Peking am nächsten Morgen
im wahrsten Sinne des Wortes eine Landung in einer anderen Welt: Gleich nach
dem Verlassen der Maschine steht unsere chinesische Delegationsleitung mit
einem Pappschild auf dem groß ‚Wolfgang Teuber’ gemalt ist, bereit. Sofort geht
es (ohne Pass- und Sicherheitskontrolle) in die VIP-Lounge.
Erfrischungsgetränke werden serviert, man stellt uns das detaillierte Programm
unserer Reise vor und nachdem unser Gepäck abgeholt und verstaut ist, fahren
wir mit einem großen Buick ins Hotel [2].“
… und über eine
schnellwachsende Wirtschaft in China
Diese „andere Welt“, womit
die Reisegruppe wohl die Welt, in der sich angeblich, so lt. DKP und anderer
Revisionisten, in Transformation zum Sozialismus befindliche chinesische
Gesellschaft meint. Diese „andere Welt“ zeichnet sich nicht nur durch
preisgünstiges Essen in Peking aus, dass eine saubere Stadt ist, wie es weiter
im Reisebericht heißt, sondern vor allem durch eine schnellwachsende
Wirtschaft: „China ist unter den großen Nationen das wirtschaftlich am
schnellsten wachsende Land. Das Wachstumstempo in den letzten Jahren war
sieben, acht mal so schnell wie das der USA. Behält China dieses Tempo bei,
dann überholt es spätestens 2025 die USA an Volumen des Bruttoinlandsprodukts
[3].“
Natürlich ist die
DKP-Reisedelegation, von dieser Entwicklung vom Schwindel befallen, nun endlich
die USA überholen zu können, wenn schon damals nicht im Bündnis mit der
revisionistischen Sowjetunion, so dann doch mit China. Eine Begeisterung über
den „Aufschwung“ stellt sie selbstverständlich in der Bevölkerung fest:
„Dieses Land mit 1,3 Milliarden Mensch, flächenmäßig so
groß wie Europa, wird von einer großen Aufschwungsstimmung getragen, der wir im
Kontakt mit den Menschen immer wieder begegnen [4].“ Diese Aufbruchstimmung in China
wird uns nicht nur von Revisionisten mitgeteilt, sondern bekanntlich zuhauf
auch von Kapitalvertretern. So zum Beispiel vom ABB-Chef Fred Kindle: „Wenn
man in Shanghai war und dann wieder nach Zürich zurückfliegt, schlägt einem
schon beim Verlassen des Flugzeugs eine gedrückte und abwehrende Stimmung
entgegen, während in Asien allerorts Zuversicht und Aufbruch spürbar ist [5].“
…bleibt man mit
Kritik zurückhaltend
Neben dieser „großen
Aufschwungsstimmung“ im Lande, weiss die DKP-Delegation natürlich auch über
einige soziale Missstände im Wirtschaftswunderland. Im Gespräch mit Vertretern
des All-Chinesischen Gewerkschaftsbundes (ACGB) in Peking, stellt die
Reisegruppe aus Deutschland dann doch noch in aller Vorsicht eine kritische
Frage, die ihnen „unter den Nägeln brennt“.
Angesprochen wurde, die bei der Förderung von Kohle enorm hohe Anzahl von
Arbeitsunfällen mit Todesfolge. Allein im Jahr 2003 verunglückten nach
offiziellen Angaben über 6.000 Kumpel! Mit der Antwort des
Gewerkschaftsvertreters konnte selbst die von Land und Leuten begeisterte
DKP-Delegation nicht ganz zufrieden gestellt werden. Denn dieser machte neben
der zurückgebliebenen technischen Entwicklung, „China sei nach wie vor
ein Entwicklungsland“, dass „niedrige
Bewusstsein der Beschäftigten“ und die
Profitorientierung der Unternehmen für die zahlreichen Arbeitsunfälle
verantwortlich! Die unzureichende Arbeitssicherheitsausstattung in den
Betrieben und die enorme wirtschaftliche Entwicklung passen nicht recht
zusammen, dass passt auch nicht in die „dialektische Untersuchung“ der DKP-Delegation, nachdem sich dies Land doch auf
dem Pfad zum Sozialismus befindet!
Übrigens bewegten sich
auch im Jahr darauf, im Jahr 2004, die Zahlenangaben über verunglückte
Minenarbeiter, wieder um mehr als 6.000 Tote, nach inoffiziellen Angaben wird
sogar von bis zu 20.000 Todesopfern pro Jahr ausgegangen [6]!
Die Arbeitsbedingungen
sind katastrophal, laut diverser Reiseberichte ziehen Maultiere und Pferde die
Loren in den Schächten, die Bergarbeiter schuften wie Sklaven, die gewonnene
Kohle bringt Riesengewinne! Seit Jahren wird die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen von der Regierung versprochen. Passiert ist so gut wie
nichts.
Die so offene Erwähnung
von Profitinteressen, von einem Vertreter einer Gewerkschaft, die als
staatstragend, regierungsfreundlich gilt, lässt die DKP-Delegation nicht
gelten: „Was die Profitorientierung der Unternehmen angeht, kann dies
u.E. für ein sozialistisches Land nicht als Entschuldigung gelten. Vielmehr
erscheint es dringend notwendig, gesetzliche Vorgaben etwa in Form eines
Arbeitsgesetzbuches zu schaffen [7].“
Scheinbar haben die
Genossen der DKP die gesetzlichen Vorgaben, die Gesetzesänderungen dieses
„sozialistischen Landes“ wenig Beachtung geschenkt oder aber ignoriert. Denn
diese zielten und zielen auf den weiteren Ausbau und der Rechtsicherheit des
Privatkapitalismus ab! Aber offensichtlich sind Hinweise auf eine
privatkapitalistische Profitwirtschaft, für die Delegation aus Deutschland,
nicht so wichtig und haben nach ihrer Meinung keine Auswirkungen auf die
Hegemonie der Arbeiterklasse. Denn im Gegensatz zur Arbeitssicherheit ändert
sich im Rechtssystem und in den Gesetzen zugunsten der Privatwirtschaft ständig
etwas. Und das wird auch von westlichen Politikern und Konzernbossen gewürdigt.
Diese Entwicklung wird
anscheinend von den Revisionisten ignoriert oder aber als nicht allzu ernst und
alarmierend abgetan!
…und begegnet den Revisionisten mit Lob und Anerkennung
Denn nach diesen, im ersten Teil des Reiseberichts
geäußerten Kritikpunkt, kommt es im zweiten Teil, nach Bedenken über die hohe
Anzahl an Wanderarbeitern, zu Lob und Anerkennung. Zudem hat die DKP-Delegation
Hoffnung auf eine sozialistische Entwicklung in China! Eindrucksvoll für die
DKP’ler sind folgende angebliche Errungenschaften:
– die Gestaltung der Wohngebiete samt Infrastruktur.
– die „zentrale Weichenstellung“ des 16.Parteitages der KPCh
seit 2002, mit dem Ziel der schrittweisen Beseitigung der sozialen Unterschiede
zwischen Arm und Reich und Stadt Land.
– dass Umweltgesichtspunkte zunehmend an Bedeutung gewinnen.
– das ausländische Kapital soll vor allem benutzt werden, um
wirtschaftliches und damit soziales Wachstum zu ermöglichen. Vor allem legt man
Wert auf Beschäftigungsmöglichkeiten durch das Kapital. Jährlich werden 120.000
Arbeitsplätze geschaffen.
Zwar kommt es beim letzten hier von der DKP-Reisegruppe
genannten positiven Gesichtspunkt noch zu einer kritischen Hinterfragung, wenn
es heißt: „Wir können uns- gerade nach dem Besuch bei VW des Eindrucks nicht
erwehren, dass die Interessen der Beschäftigten vielfach den ausländischen
Konzerninteressen untergeordnet werden [8].“
Trotz einiger von der Reisegruppe vorsichtig angesprochener
Missstände und einzelner Kritikpunkte ist der Reisebericht weitgehend positiv,
heuchlerisch und blauäugig. Der Reisebericht ist geradezu exemplarisch ein
Dokument des Opportunismus der DKP. So kommt es abschließend, wie zu erwarten,
zu einer unmarxistischen Gesamteinschätzung der DKP-Reisedelegation.
…und hat endlich wieder, mit der KPCh, eine starke
Bruderpartei!
Angeblich, so das Fazit des Reiseberichts in der UZ sind
beide Optionen offen. Gemeint ist damit, dass sich das kapitalistische
Gesellschaftssystem in China noch nicht durchgesetzt hätte. Im Reisebericht der
UZ vom 16.März heißt es hierzu u.a.:
„Die Weichen wurden mit dem 16. Parteitag 2002 sicher
richtig gestellt, und die Ergebnisse der wirtschaftlichen Entwicklung in den
letzten Jahren stehen für sich [9].“
Zwar wird von der DKP- Delegation eingeräumt, man habe auch
oft in den zahlreichen Begegnungen auf dieser Reise, Blauäugigkeit gegenüber
den Gefahren des ausländischen Kapitals vernommen, dass sich in China zunehmend
einnistet. Doch insgesamt kommt die
Delegation zu einem haarsträubenden Urteil. Da heißt es im
Wortlaut „China versucht als sozialistisches Land einen neuen Weg zu gehen.
Vorwärts über den Fluss gehend, Stein auf Stein tastend, wie uns gesagt wird.
Einen Weg, den Lenin mit seiner Theorie zur Neuen Ökonomischen Politik zwar
skizziert hat, den aber bislang kein sozialistisches Land vor China erfolgreich
beschritten hat [10 .“
Im Gegensatz zu Lenin und der bolschewistischen Partei,
denen die Gefahren der NÖP bewusst waren und deshalb nur für die notwendige
Zeit der Erholung der Ökonomie in Kauf genommen wurden (zeitweise wurde die
Freiheit des Handels, ein Wiederaufleben des Kleinbürgertums und damit des
Kapitalismus zugelassen), benutzen die Ideologen der
KPCh und der DKP die NÖP für ihre Rechtfertigung aus, den
blanken Kapitalismus über Jahrzehnte hinweg im Land auszubauen und durch
Phrasen zu kaschieren!
[rab]
Anmerkungen und Quellenangaben
- Zu dieser Einschätzung kam die DKP z.B. in: Opportunismus
heute, Marxistische Taschenbücher 1974, Kapitel V. Maoismus – links
verkleideter Antimarxismus, S.124. Autoren damals waren Willi Gerns, Robert
Steigerwald und Günter Weiß - Zitiert aus dem Reisebericht „China im Umbruch und
Aufbruch“, Unsere Zeit, 09.März 2007, Teil 1 des DKP-Reiseberichts. - ebenda
- Zitiert aus dem Reisebericht „China im Umbruch und
Aufbruch“, Unsere Zeit, 09.März 2007, Teil 1 des DKP-Reiseberichts. - ABB- Chef Kindle im Interview mit der Wirtschaftswoche,
Sonderheft China 2006, S.11. - Angaben lt. Greenpeace Magazin 6.05, „Todesfallen unter
Tage“, S.51 und S.52. - ebenda
- Zitiert aus dem Reisebericht „Vorwärts über den Fluss
gehend, Stein auf Stein tastend…“, Unsere Zeit, 16.März 2007, Teil 2 des
DKP-Reiseberichts. - ebenda
- ebenda
Literaturempfehlung:
China: Leuchtfeuer des Kapitalismus, Chinas Weg von der
bürgerlich-demokratischen Revolution zur imperialistischen Großmacht,
erschienen im Verlag AZ, März 2007.