Pleitewelle erfasst immer mehr US-Banken und selbst deutsche Kreditinstitute
sind betroffen. Hochrangige Vertreter des Finanzkapitals, wie WestLB-Chef
Stuhlmann geben zu: „Inzwischen ist eine nicht unkritische Situation
entstanden“ (HB 22.8.).
Den Anfang fand die
schwere Finanzkrise, die das Potential für eine globale Rezession hat, im
US-amerikanischen Hypothekenmarkt.
Hypotheken nennt man die Kredite, die zur Finanzierung von
Immobilien verwendet werden. Das Haus des Käufers dient der Bank bekanntlich
als Sicherheit für den Kredit. In Deutschland verhandelt man in der Regel einen
festen Zinssatz, der über mehrere Jahre gilt. In anderen Ländern, wie z.B. Großbritannien,
Spanien und natürlich den USA ist ein variabler Zinssatz üblich, der sich dem
aktuellen Zinsniveau anpasst. Im Zuge
des wirtschaftlichen Aufschwungs sind die Zinsen entsprechend gestiegen und
hunderttausende US-Bürger konnten die Raten nicht mehr zahlen. Kredite an diese
einkommensschwachen Haushalte, also Arbeiterhaushalte, nennt die Finanzwelt
Subprime Kredite.
Die Löhne sind in den USA real in den letzten 25 Jahren
nicht gestiegen, aber die Konsumausgaben dagegen über 80%. Dieser Anstieg lässt
sich natürlich nicht allein mit dem Erwerb von Luxusgütern der Reichen
erklären.
Wenn der Lohn für gewisse Anschaffungen nicht reicht, dann
kauft man eben mit Kredit. Da die Immobilienpreise in den USA stark gestiegen
waren, glaubte man ja einen entsprechend großen Wert als Sicherheit zu haben.
Gleiches gilt auch für die gestiegenen Aktienkurse, die den Gedanken nahe
legten, dass man auch hier werthaltige Depots als Sicherheit hat. So gaben die
Banken recht großzügig Kredite und es entstand in den USA ein Aufschwung auf
Pump.
Auch durch die Welle von hunderttausenden Zwangsversteigerungen
brachen die Immobilienpreise in den USA nun dramatisch ein und die Sicherheiten
entsprachen nicht mehr der Kredithöhe. Das Problem ist nun, dass jede Bank die
Erwartungshaltung hat, dass jeder Kredit auch getilgt werden muss. Angesichts
einer Zunahme der Zwangsversteigerungen um über 90% gegenüber dem
Vorjahresmonat nehmen die Ausfälle für die Banken existenzielle Dimensionen an.
Mittlerweile sind in den USA schon über 70 Firmen im Hypothekenbereich
zusammengebrochen und auch die großen Finanzhäuser sind betroffen.
First Magnus Financial, der zweitgrößte Anbieter von
Hypotheken in den USA, hat mehr als 300
Niederlassungen geschlossen und 6000 Mitarbeiter entlassen. Die US Bank hat im
letzten Jahr Hypotheken im Wert von 30 Mrd. Dollar vergeben und jetzt Konkurs
angemeldet. Nicht nur kleinere Firmen wie Novastar Financial, die 500
Mitarbeiter entlassen, sind betroffen, sondern auch Marktführer Countrywide
Financial hat Entlassungen angekündigt und musste Kreditlinien bei anderen
Banken in Höhe von 11,5 Mrd. Dollar in Anspruch nehmen.
Die Hypothekenkrise der USA breitete sich schnell weltweit
aus, denn es ist üblich Hypotheken von Tausenden Wohnungen und Häusern zu
Paketen zu bündeln und diese Forderungen zu verkaufen. Der Markt für solche
Kredite wird auf 1 Billionen Dollar geschätzt. Gerade Banken, Versicherer und
Fonds suchen Anlagemöglichkeiten für überschüssiges Kapital. Betroffen sind
unter anderem auch zwei deutsche Geldinstitute. So hat die IKB mit der von ihr
geführten Rhineland Funding Capital Corporation 13 Milliarden Euro in besagten
Anleihen investiert. Man geht davon aus, dass etwa 45% abgeschrieben werden
müssen, weshalb neben anderen Banken hauptsächlich die KfW, die an der IKB mit
38% beteiligt ist, mit Milliarden Euro für Deckung garantieren will. Auch die
Sachsen LB hat über zwei irische Gesellschaften über 3 Milliarden Euro in
verbrieften US-Krediten angelegt, die jetzt mit 500 Millionen Euro im Wert
berichtigt werden müssen. Hier wird ebenso die staatliche KfW Bank einspringen
und somit letztendlich der Steuerzahler zur Kasse gebeten.
In Großbritannien sind die Immobilienpreise in den letzten
zehn Jahren um 156% gestiegen, das Durchschnittseinkommen dagegen nur um 35%. Das
bedeutet, dass sich britische Haushalte mehr verschulden müssen, um neuen
Wohnraum zu finanzieren. Betrug die private Schuldenlast der Briten vor zehn
Jahren noch rund die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts, so hat sie 2006 mit ca.
2 Billionen Euro das Bruttoinlandsprodukt überstiegen. Auch in Spanien kann man
Parallelen zur Entwicklung in den USA sehen. Die Preise für spanische
Immobilien haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht.
Durchschnittlich 45% ihres Einkommens müssen die Familien zur Bedienung der
Hypotheken verwenden. Vor drei Jahren waren es noch 35%. Wie in Großbritannien
machen den Hausbesitzern in Spanien die seit zwei Jahren steigenden Zinsen und
damit verbundenen höheren Monatsraten Probleme. Konsumverzicht ist eine nahe
liegende Lösung, aber ab einem bestimmten Punkt sind Zahlungsschwierigkeiten
unausweichlich. In Spanien werden mit 800.000 neuen Wohnungen so viele
Einheiten gebaut, wie in Großbritannien, Frankreich und Deutschland zusammen,
allein 18% des spanischen Inlandsproduktes entfallen auf den Bausektor.
Die Krisenanfälligkeit ist offensichtlich, denn wenn in den
USA, und natürlich auch den anderen Ländern, die Menschen weniger Geld für den
Konsum haben, dann ist der Aufschwung in Gefahr. Lee Scott, Chef des größten Handelskonzerns
der Welt Wal-Mart bringt es auf den Punkt: „Es ist kein Geheimnis, dass
vielen Verbrauchern das Geld vor dem Ende eines Monats ausgeht“ (HB
15.8). Der Kurs der Wal-Mart Aktie brach
entsprechend deutlich ein, ebenso vom drittgrößten Handelskonzern Home Depot,
einer Baumarktkette mit einem Jahresumsatz von 91 Mrd. Dollar.
Eine schwache US-Konjunktur bereitet Exportnationen wiederum
große Probleme, weshalb besonders asiatische Börsen heftig negativ reagierten.
Der Kurssturz an den internationalen Börsen vernichtete Buchwerte in Höhe von
3,8 Billionen Dollar. Banken waren wegen notwendiger Abschreibungen oder noch
versteckter Risiken besonders betroffen. So erlitt auch die Deutsche Bank einen
Wertverlust von über 9 Mrd. Euro.
Um liquide zu bleiben musste zum Beispiel die
US-Hypothekenbank Thornburg Mortgage ein Drittel seiner Vermögensgegenstände im
Wert von über 20 Mrd. Dollar verkaufen. Die Zahlungsfähigkeit drohte dann auch
für die Banken zum großen Problem zu werden, denn über den Geldmarkt besorgen
sich die Banken gegenseitig die notwendigen Gelder. Da die Kreditwürdigkeit der
Banken aber nun fraglich war und die Banken zurückhaltend waren drohte eine
schwere Liquiditätskrise, die die europäische Zentralbank EZB nur mit mehreren
hundert Milliarden Euro zinsgünstiger Darlehen an die Banken vorläufig abwenden
konnte.
Geldmarktfonds haben heute einen Marktwert von 2,5 Billionen
Dollar und galten als sichere und flexible Anlageform, doch allein in diesem
Jahr haben diese Fonds in Subprime Papiere im Wert von 300 Mrd. Dollar
investiert.
Ein eher unbekanntes, aber ebenso bedrohliches Risiko,
stellen die auf Kredit finanzierten Firmenübernahmen dar. So genannte
Private-Equity-Firmen setzen selbst nur sehr wenig Eigenkapital ein und
finanzieren den Rest über Banken. Auch hier werden die Kreditrisiken meist
weiterverkauft. 2006 wurden in diesem Markt 650 Mrd. Dollar ausgegeben. Da die
Banken aber jetzt sehr zurückhaltend gegenüber neuen Krediten sind, sind allein
in den USA Transaktionen im Wert von 300 Mrd. Dollar blockiert. David
Rubinstein, Mitbegründer des Finanzinvestors Carlyle, verwaltet in seinen Fonds
über 71 Mrd. Dollar. In seinen übernommenen Firmen sind weltweit 286.000
Mitarbeiter beschäftigt. Er sieht schon neue Quellen, die seinen Kapitalhunger
befriedigen: „Vielleicht wenden wir uns an Staatsfonds, die könnten die
Fremdfinanzierung arrangieren.“ (HB 22.8.). Das heißt, die Zocker dürfen
weiter spielen und weiter Milliarden verdienen und wenn der Konkurs ansteht,
darf der Steuerzahler alles bezahlen.
Die Hypothekenkrise hat sich zur Liquiditätskrise
entwickelt. Firmen bekommen in nächster Zeit keine günstigen Darlehn. Uwe von
Padberg, Präsident von Creditreform, erklärt, dass das dazu führt „dass die
Mittelzuflüsse geringer, die Konditionen härter werden“. „Ein
Wiederansteigen der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist nicht auszuschließen.“
(HB 21.8.). Somit würde sich die Finanzkrise zur Insolvenzkrise steigern.
Eine Liquiditätskrise kann man mit „frischem“ Geld
vielleicht kurzfristig abwenden, wobei das ganze ein Schneeballsystem ist, denn
wenn der erste Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, wird die
Blase platzen. Im Gegenteil mehr Geld würde die Blase sogar nur weiter
aufblähen. David Rosenberg, Chefökonom von Merrill Lynch stellt treffend fest: „Kein
Konjunkturboom war je so stark auf Kredit und geborgtem Geld aufgebaut wie der
Boom, den wir seit 2001 erlebt haben.“
Eine Rezession ist die einzig logische Folge. Dieser „Boom“
konnte weder die Massenarbeitslosigkeit oder sonst ein dringendes Problem der
Menschheit lösen. Noch nie wurde weltweit ein solcher Berg an Schulden
angehäuft. Die nächste Rezession wird Millionen Familien weltweit in Armut
schleudern. (J.T.)