Korrespondenz: Ein paar Gedanken zum (noch nicht stattgefundenen) Lokführer-Streik

Die Vorgänge um das Nichtzustandekommen des schon so lange
angekündigten Streiks der Lokomotivführer der DB werfen wieder einmal ein
bezeichnendes Licht auf den Wert der ach so gepriesenen bürgerlichen
Demokratie, deren Segnungen man ja bestrebt ist, auch allen anderen Völkern der
Welt zu Teil werden zu lassen, ja, wenn es denn sein muss, sogar „am
Hindukusch“ zu verteidigen. Tatsache ist aber die so wertvollen „demokratischen
Freiheiten“ wie das Streikrecht stehen erst mal nur auf dem Papier und wenn sie
dann von den „unteren Schichten“ des Volks, den Arbeitern, kleinen
Angestellten, Studenten, Bauern usw. in Anspruch genommen werden sollen, dann
gibt es hundert Einwände und Ausflüchte, warum gerade in diesem konkreten Fall
das Recht nicht gilt. So muss im Fall des Lokführer-Streiks die hanebüchene
Argumentation herhalten, dass der Streik der Bahn angeblich nicht mehr
reparablen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Andrerseits posaunt die DB lauthals
hinaus, dass sie in Schnellkursen Ersatz-Lokführer heranschulen will.

Über die Sicherheit der Fahrgäste, die solchem in
Schnellkursen ausgebildetem Personal anvertraut werden, spricht man nicht, aber
über den wirtschaftlichen Schaden, den die DB durch den Streik erleiden könnte.
Muss man noch erwähnen, dass ein Streik ja genau den Sinn hat, den einzig
ökonomischen Zwang, den abhängig Beschäftigte ausüben können, nämlich ihre
Arbeitskraft zu verweigern und damit wirtschaftlichen Druck auf die Unternehmer
zu machen, anzuwenden? Aber die guten Aussichten, die Bahn-Aktie endlich an die
Börse zu bringen, wiegen offensichtlich schwerer.

So etwas als Begründung für ein Streikverbot herzunehmen,
bedeutet nicht viel anderes, als das Streikrecht generell (entgegen dem
Grundgesetz der BRD) in Frage zu stellen. Bei uns in Deutschland ist das
Streikrecht ohnehin nur in verstümmelter Form (Verbot des politischen Streiks,
des Generalstreiks, Friedenspflicht usw.) gewährleistet und dieser Rest von
Demokratie wird, wenn das Volk sich seiner bedient, dann auch noch skrupellos
vom Tisch gefegt.

W.H.