Mehr als 5
Wochen streikten tausende Kolleg/innen der Telekom gegen den Plan der
Konzernführung um den Vorstandsvorsitzenden Obermann, 50.000 Telekomkollegen in
so genannte Servicegesellschaften aus zu gliedern und massiven Lohnsenkungen
einschließlich unbezahlter Arbeitszeitverlängerung auszusetzen. Begründung: die
inzwischen aufgeblühte Konkurrenz sei so viel kostengünstiger, dass ohne diese
Maßnahmen die Telekom nicht länger wettbewerbsfähig sein könne.
Das nun erzielte
Verhandlungsergebnis zwischen der Gewerkschaft Ver.di und dem Telekomvorstand
bedeutet für die betroffenen Beschäftigten der Telekom-Servicebereiche eine
deutliche Niederlage, deshalb kann es in der Urabstimmung nur ein „Nein!“
geben.
Der
Telekom-Vorstand dagegen kann das Ergebnis als klaren Erfolg verbuchen. Er
behauptet denn auch, dass die mit dem Abschluss erzielbaren Einsparungen bis
2010 voll im Plan lägen: zwischen 500 und 900 Millionen Euro! Und selbst
Ver.di-Verhandlungsführer Schröder räumt ein, dass derartige Einsparungen nicht
zuletzt auf die zugestandene Arbeitszeitverkürzung zurückgehen würden.
Hier die
Kernpunkte des 70seitigen Tarifvertrages:
- Der Ausgliederung der Kolleg/innen
in drei geplante neue Unternehmen wird grundsätzlich zugestimmt. - Unbezahlte(!)
Arbeitszeitverlängerung auf 38 Stunden. - Samstag Regelarbeitstag!
- Entgeltreduzierung um 6,5%.
- Die Lohnsenkung wird 42 Monate lang
angeblich „sozialverträglich“ stufenweise abgefedert. Nur Teile künftiger
Tariferhöhungen werden an die Mitarbeiter/innen weitergegeben, der andere
Teil einbehalten, so dass die Absenkung des Lohnes etwas verlangsamt
eintritt. Folge: Minimale Lohnzuwächse auf längere Zeit, was einer
Reallohnsenkung gleichkommt. - Volle Anrechnung eventueller
Tariferhöhungen bis Ende 2008. - Keine weitere Ausgliederung und kein
Verkauf der aktuell zur Ausgliederung vorgesehene Unternehmensteile bis
Ende 2010 und Kündigungsschutz bis 2012 für Mitarbeiter der geplanten 3
Service-Gesellschaften – d.h. nach zweieinhalb Jahren kann die Telekom die
3 Service-Bereiche durchaus verkaufen! - Personalabbau wird auf freiwillige
Maßnahmen beschränkt, kann von der Telekom also durchaus weiter
durchgeführt werden. - Die so genannte
„Beschäftigungsbrücke“ für so genannte Nachwuchskräfte. Diese sieht zwar
die Einstellungen von mehr als 4000 Auszubildenden vor. Die
Einstiegsgehälter werden dann aber um mehr als 30 Prozent(!!) auf 21 bis
23 Tausend Euro Jahresgehalt abgesenkt. Das gilt aber auch für
Kolleg/innen, die ab jetzt vom Arbeitsmarkt her neu eingestellt werden.
Ein beliebter Trick des Kapitals bei der Durchsetzung von Lohnsenkungen
gegen breiten Widerstand! Folge auf längere Sicht: Nettogehälter wenig über
1000 Euro pro Monat, also Armutslöhne, die sich im Lande immer mehr
ausbreiten, auch bei der Telekom.
Rund 50 000
Kolleg/innen waren von den Telekom-Plänen betroffen. Und sie waren
streikbereit, Kolleg/innen, die einen wirksamen und breiten Widerstand wollten.
Angesichts dieser Streikbereitschaft und dieses Streikwillens der Betroffenen
wäre bei entsprechender Streikführung durch Ver.di mehr möglich gewesen. Auch
hatte der Streik durchaus Sympathie und Solidarität in der Bevölkerung. Das ist
auch deshalb bemerkenswert, weil die weit verbreitete Kritik am Service. bzw.
dem Preis-Leistungsverhältnis bei der Telekom in der öffentlichen
Auseinandersetzung von den Medien immer wieder in diffamierender Absicht den
Telekomkolleg/innen angelastet wurde und nicht den Vorständen, die wirklich die
Verantwortung für diese Mängel tragen, die Qualifikationen und
Stellenbesetzungen kürzen und die unternehmensinternen Strukturen durch ihre
Maßnahmen verwüsteten und die Arbeit bei der Telekom zunehmend unerträglich
machen.
Doch der Verlauf
des Streiks – der nur zögerliche Auftritt der Streikenden in der Öffentlichkeit
durch Demos und Kundgebungen, die Nichteinbeziehung der Beschäftigten des
ganzen Unternehmens Telekom, die absichtliche Einschränkung des Streiks durch
die Gewerkschaftsführung haben das Ergebnis vorgezeichnet. Wenig wurde auch von
der Führung unternommen, um die Streikenden durch Solidaritätsstreiks der
Belegschaften aus der ganzen Branche, geschweige denn über die Branche hinaus,
zu unterstützen.
Diese Begrenzung
des Streiks durch die Ver.di-Streikführung ist kein Zufall. Für sie war der
Streik von vornherein nur darauf angelegt, taktischen Druck auf die
Telekom-Führung auszuüben, um ins Geschäft zu kommen oder im Geschäft zu
bleiben. Gleichzeitig sollte die Aktion aber „im Rahmen und unter Kontrolle
bleiben“, wie immer wieder und nicht nur bei Ver.di.
Ein ganz
entscheidender Fehler aber war es, dass es keinerlei Versuch gab, eine
Solidaritätsfront mit den Beschäftigten
in den Konkurrenzgesellschaften, die teils weit weniger verdienen, oder
den Leiharbeitern zu schaffen. Hier zeigt sich in schöner Offenheit die
Achillesferse der heutigen Streiktaktik und –strategie. Nichts wird
unternommen, um die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen, die gerade in
einer Zeit der Kapitaloffensive sehr stark ist, zu mindern und diese zu
neutralisieren. Zig Telefonanbieter tummeln sich mittlerweile auf diesem
„liberalisierten Markt“, der nicht zuletzt deswegen von den herrschenden
Parteien und dem Kapital liberalisiert wurde, um alle tariflichen Standards zu
zerstören.
Wie viel
offensiver boten sich vor einem Jahr die Streiks im öffentlichen Dienst gegen
die Arbeitszeitverlängerung dar, Steikpostenunterstützung bei der Stuttgarter
Müllabfuhr durch Metaller/innen und aus anderen Gewerkschaften, breite
Auseinandersetzungen in Medien und auf Straßen und Plätzen, und wie relativ
wenig konnte hier trotz alledem erreicht werden! Ohne ein gemeinsames Vorgehen
wenigstens in einer ganzen Branche kann eine solche Auseinandersetzung heute nicht
gewonnen werden.
Kaum
überraschend hat die Große Tarifkommission dem Ergebnis zugestimmt. Die
Urabstimmung unter den Streikenden soll erst gegen Ende der nächsten Woche
stattfinden. Hier empfehlen wir ein Nein!, so schwerwiegend ein solcher
Entschluss den Kolleg/innen auch fallen wird. Die Ver.di-Führung ihrerseits hat
bereits offen erklärt, dass sie die Zeit bis zur Urabstimmung nutzen will, um
die berechtigte Wut, die Enttäuschung und den Frust bei vielen Kolleg/innen
aufgrund dieses negativen Ergebnisses in den Griff zu bekommen und ein Ende des
Streiks herbeizuführen. Wie bei anderen Gewerkschaften gilt auch bei Ver.di,
dass zum Abbruch des Streiks lediglich 25% der abgegebenen Stimmen benötigt
werden, wohingegen zum Beginn des Streiks 75% vonnöten sind. Solche
undemokratischen Klauseln ermöglichen es der Ver.di-Führung im Grunde, jeden
Streik, auch gegen die Mehrheit der Kolleg/innen abzubrechen. Deshalb sollten
so viele Kolleg/innen wie möglich mit Nein stimmen und kämpferisch in die
Zukunft gehen: Gemeinsame Aktion, gemeinsame Organisation mit allen
Kolleg/innen in der Branche, mit dem Ziel, künftig die Schlachten um Lohn,
Arbeitszeit, Leistung und eine menschenwürdige Arbeit gemeinsam zu führen.
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