Korrespondenz aus Kiel: Stegner und Gabriel am 1. Mai – Diskutanten statt Mairedner?

Nach zahlreichen Protesten gegen die Einladung von Ralf
Stegner und Sigmar Gabriel als Redner auf der Kieler Kundgebung am 1. Mai 2007
hat der DGB nun beschlossen, die beiden SPD-Politiker nicht als Redner
auftreten zu lassen. Er hat sich aber nicht entschließen können, die beiden
Befürworter der Agenda 2010 und Rente erst mit 67 – also entschiedene Gegner
gewerkschaftlicher Ziele – ganz auszuladen.

 

Hauptredner am 1. Mai ist nun Wolfgang Mädel, Erster
Bevollmächtigter der Kieler IG Metall. Stegner und Gabriel werden als Gäste des
DGB an einer Diskussionsrunde teilnehmen, zu der auch die Einzelgewerkschaften
VertreterInnen entsenden sollen. Diese Diskussionsrunde soll auf der Hauptbühne
stattfinden – den beiden Sozialräubern wird also weiterhin am Kampftag der
Arbeiterklasse (nein, diesen Anspruch erhebt der Kieler DGB-Vorstand
offensichtlich gar nicht; wir sollten ihn aber nicht aufgeben) eine
herausgehobene Position gewährt. Dementsprechend wird es auch Proteste gegen
ihre Anwesenheit geben.

 

Dass der 1. Mai ein Kampftag sei – der DGB in Bayern
erinnert sich dessen besser als der in Kiel. Drei prominente SPD-Politiker
wurden dort vom DGB-Vorsitzenden Fritz Schösser mit der Begründung ausgeladen,
dass in Bayern generell nur (noch) PolitikerInnen als Mai-RednerInnen in Frage
kämen, die auch gewerkschaftliche Positionen wie bei der Gesundheitsreform und
der Rente erst mit 67 vertreten würden. Am „Kampftag“ 1. Mai hätten Gewerkschaftsstandpunkte
Vorrang „vor irgendwelchen Kompromisspositionen einer Partei, die zufällig in
Regierungsverantwortung steht.“ „Der bayrische DGB muss selbst wissen, in
welche gesellschaftliche Außenseiterrolle er sich begibt“, konterte ein Ulrich
Kelber auf der Internet-Seite der Bonner SPD beleidigt und realitätsfern. Der
bayrische SPD-Landesgruppenchef Florian Pronold wertet die Ausladungen, von
denen er auch persönlich betroffen ist, als Stärkung der CSU, warnt vor der
WASG, der sich der DGB angeblich ebenso nähere wie der Linkspartei und ermahnt
die GewerkschafterInnen, der DGB dürfe sich „nicht zu einer kommunistischen
Splittergewerkschaft“ entwickeln.

 

Die leicht hysterisch anmutenden Äußerungen der
SPD-Prominenz zur Entscheidung des bayrischen DGB machen deutlich, dass eine
Lösung der Gewerkschaften aus der Gefolgschaft zur SPD zum Konflikt führt. Das
kann nicht anders sein. Eine Besinnung der Gewerkschaften auf  ihre
Bedeutung als Kampforganisationen, die allein den Interessen der arbeitenden
und der in die Erwerbslosigkeit gezwungenen Menschen auf der Basis
internationaler Solidarität verpflichtet sind, setzt die Bereitschaft zum
Konflikt mit Unternehmer- und Regierungspolitik und dem sie vertretenden
Personal voraus. In der Verbreitung dieses Bewusstseins, in der Organisierung
von Konflikt- und Durchsetzungsfähigkeit liegt die einzige Hoffnung auf die
Zukunftsfähigkeit unserer Organisationen.

 

Es verwundert nicht, dass in Kiel in DGB-Kreisen schon mal
die Frage laut wird, was denn da in ver.di – der Gewerkschaft, aus der die
meisten Proteste gegen Stegner und Gabriel kommen – los sei, ob „die ihren
Laden nicht in Ordnung halten können“ und ähnliches. Nur gemach. Wir gehen
gerade den einzigen Weg, „unseren Laden“ in Ordnung zu bringen, und selbstverständlich
geht das auch ver.di-intern nicht ohne Auseinandersetzungen.

 

Am 1. Mai werden ver.di-KollegInnen unter anderem mit vier
Themen-Tischen wichtige gewerkschaftliche Themen darstellen und zur Diskussion
bringen. Es geht dabei um Gesundheitsreform, Rente und Pflegeversicherung;
Mindestlohn; Antifaschismus und Migrationspolitik; Globalisierung. Denn wichtig
ist am 1. Mai natürlich nicht nur und nicht einmal vor allen Dingen der Protest
gegen die Anwesenheit von Stegner und Gabriel. Wichtig ist die Darstellung der
Positionen, die aus gewerkschaftlicher Sicht, im Interesse der arbeitenden
Menschen, in der politischen Auseinandersetzung vertreten und durchgesetzt
werden müssen. Es ist schön, dass von ver.di so auch das beim Kieler DGB
ungeliebte Thema des G-8-Gipfels in Heiligendamm zur Sprache gebracht wird; die
ver.di-Projektgruppe Globalisierung ist an den Vorbereitungen der Gegenaktionen
beteiligt.

 

Quelle: www.sozialismus-jetzt.de (D.L.), Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung des Verfassers