Terror und Einschüchterung beherrschen vielfach die Praxis der Jobcenter, der
Agentur für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaften gegenüber erwerbslosen
Menschen im ALG II Bezug.
Die Bundesergierung prahlte im Jahr 2006 auf ihrer Homepage,
die Anfang 2005 eingeführten Arbeitsmarktreformen (Hartz-Gesetze) hätten sich
bewährt und zeigten angeblich erste Erfolge. Grund genug für die schwarz-rote
Regierung zu weiteren Verschlechterungen und Verschärfungen überzugehen, die
sich über einen Zeitraum von August 2006 bis Anfang 2007 hinzogen:
Durch dieses „Optimierungsgesetz“ bei Hartz IV wurden in Wirklichkeit
einfach die Lebensführung und die Lebensbedingungen der betroffenen
Erwerbslosen weiter verschärft.
Die gesetzlichen Regelungen um die so genannten
Bedarfsgemeinschaften herum wurden weiter verschärft. Die Jobcenter vermuten
nun einfach das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft, und der Erwerbslose hat nun
ohne Wenn und Aber die Beweislast, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht.
Außerdem sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften eheähnlichen
Gemeinschaften gleichgestellt werden. Sie werden künftig als
Bedarfsgemeinschaft gewertet, auch wenn es sich nicht um eine eingetragene
Lebenspartnerschaft handelt.
Für erwerbslose Jugendliche unter 25 Jahren wird es weiter
erschwert, eine eigene Wohnung bzw. einen eigenen Haushalt zu gründen. Sie
bleiben an ihre Eltern gekettet.
Mit Hilfe automatisierter Datenabgleiche und Datenabfragen
wird jetzt ermittelt, ob Personen zu Unrecht Arbeitslosengeld II beziehen.
Kraftfahrzeughalterdaten werden beim Kraftfahrt-Bundesamt geprüft.
Datenabgleich bei Banken auch im EU-Ausland, ob dort Zinserträge erwirtschaftet
werden. Zur Kontrolle der Erwerbslosen, zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
werden Außendienste eingeführt. Die Sanktionierung insbesondere wiederholter
Pflichtverletzungen wird vereinfacht.
Alle, die ALG II beantragen, können jetzt in ein
Sofortangebot vermittelt werden. So werden Erwerbslose immer häufiger in die so
genannten Arbeitsgelegenheiten, im gängigen Jargon “1-Euro-Jobs”, gezwungen.
Wer innerhalb eines Jahres 2 x eine solche Stelle ablehnt, bekommt beim ersten
Mal eine Kürzung von 30 % und beim zweiten Mal von 60 % der gesamten Zahlung.
Diese Kürzung umfasst deshalb auch Miete und Heizung für jeweils drei Monate.
Folge: Zwangsarmut mit der Gefahr des völligen Absturzes in die Obdachlosigkeit
für viele Betroffene Beim dritten Mal erfolgt die vollständige Streichung der
Leistung. Das ist Zwangsarbeit!
Die allgemeinen Vermögensfreibeträge werden auf 150 Euro pro
Lebensjahr gekürzt. Für die Rente erhöhen sich die Freibeträge allerdings
entsprechend.
Durch die genannten Zwangsmaßnahmen will die Bundesregierung
Einsparungen für Bund und Gemeinden in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro
jährlich erzielen.
1,5 Milliarden Euro werden bei den Ärmsten gesucht oder
herausgepresst, so stellte bereits im letzten Jahr ein Flugblatt des
Arbeitskreises erwerbsloser Metaller/innen Bremen-Nord fest.
Und die Kolleg/innen stellten dem gegenüber fest:
“30 % statt 39 % Steuern für die Konzerne in dieser
Republik. Die Senkung würde für die ersten 2 Jahre 5 bis 10 Milliarden weniger
Steuern in die Kasse der Finanzämter spülen. Dieser Vorschlag kommt von dem
SPD-Minister Steinbrück. Die SPD als eine Partei der Konzerne und Reichen
dieser Republik?”
Chaotische Rechtslage öffnet Willkür Tür und Tor!
Es ist für Nichtbetroffene kaum noch zu überblicken, welche
Gesetze, Verordnungen oder Durchführungshinweise gelten. Speziell die
Durchführungshinweise der Agentur für Arbeit, mit denen die Tätigkeit der Jobcenter
und Arbeitsgemeinschaften reguliert werden sollen, sind ein völlig
undurchschaubares Gestrüpp einander teilweise widersprechender Bestimmungen.
Der Wuppertaler Erwerbslosenverein Tacheles e.V. hat
gerichtlich erstritten, dass diese Anweisungen von der Agentur für Arbeit per
Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Näheres ist auf
der Homepage dieses Vereins zu sehen: www.tacheles-sozialhilfe.de, eine äußerst
informative Quelle, auf der der ganze Wahnsinn um ALG II und Hartz IV etc.
dokumentiert ist.
Aber das hat scheinbar Methode. Wo niemand mehr duchblickt,
wird der Willkür Tür und Tor geöffnet. Die “Kunden” der Jobcenter stehen einem
völlig überlasteten Personal gegenüber, das vielfach nicht das ABC geordneter
Verwaltungsprozesse beherrscht, die Unzahl von Vorschriften nicht blickt und
willkürlich entscheidet, oft unbeabsichtigt, nicht selten aber auch bewusst.
Das Sozialgericht Berlin prangert dies in einem Beschluss
an. In vielen Jobcentern würden haltlose, nicht begründete oder nicht
ausreichend begründete Bescheide an die Antragsteller herausgegeben. Aus einem
Schreiben der Berliner Justizverwaltung an die zuständigen Berliner
Senatsverwaltungen, das diesen Sozialgerichtsbeschluss weiterleitet, geht
hervor, dass die „außergewöhnliche und dramatisch angestiegene
Belastungssituation am Sozialgericht Berlin“ auf „organisatorische Defizite und
Vollzugsprobleme bei den Job-Centern” zurückzuführen ist. Als Gründe benennen
die Richter die schlechte Personalausstattung der ALG II-Behörden, Überlastung
des Personals sowie mangelnde Kenntnisse im Sozial- und Verfahrensrecht.
Das Sozialgericht Berlin rügt, dass es vielfach keine
geordnete Aktenführung gibt, dass bei so genannten Bedarfsgemeinschaften
Bescheide und Schreiben nicht an die Antragsteller, sondern an beliebige
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geleitet werden, dass durch diese Praktiken
gerichtliche Verfahren in einem Umfang provoziert werden, dass das LSG völlig
überlastet ist. Aber es kommt noch toller:
Berliner Richter berichten, dass überlastete
Jobcenter-Bedienstete mittlerweile selbst empfehlen, „bei Gericht einen Antrag
auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen, weil nur so eine beschleunigte
Sachbearbeitung in der Behörde erreicht werden könne. Die Sachbearbeitung
beginne dann praktisch vor Gericht.”
Unzureichende Rechtskenntnisse führten häufig zu Nachfragen
der Mitarbeiter selbst bei den Richtern, „die ihre klar gefassten Beschlüsse im
Nachhinein noch erläutern müssten, sowie zu immer weiteren Anträgen der
Hilfesuchenden bei Gericht, in denen bemängelt wird, dass das JobCenter die
gerichtliche Entscheidung ignoriere.”
Aber diese Rügen setzen immerhin voraus, dass viele
Betroffenen ihre Rechte zumindest teilweise kennen, was zweifellos auch auf die
organisierte Beratung durch zahlreiche Initiativen, gerade auch in Berlin,
zurückgeht.
Aber viele Betroffene in ländlichen und kleinstädtischen
Gebieten, wo keine Erwerbsloseninitiativen tätig sind, kennen ihre Rechte oft
nicht, werden auch nicht von den Ämtern darüber aufgeklärt und sind den
Schikanen wehrlos ausgeliefert.
Ganz frisches Beispiel Coburg, von Tacheles e.V. erst am 21.
Februar 2007 dokumentiert:
Das Jobcenter Coburg Land verlangt von ALG-II-Antragstellern
ohne jede Rechtsgrundlage Einverständniserklärungen zu Hauskontrollen, zu
Kontenüberprüfungen und macht davon die Antragsbearbeitung abhängig. Nackte
Willkür!
„Ich wurde heute darauf hingewiesen, dass ich verpflichtet
bin, jede Änderung in den Verhältnissen von mir und allen in meinem Haushalt
lebenden Personen unverzüglich dem Jobcenter Coburg Land mitzuteilen”, heißt es
in dem mit „ERKLÄRUNG” überschriebenen Papier. Auch an anderer Stelle werden
Mitwirkungspflichten und Ermittlungsauflagen bis zur Einschränkung
verfassungsrechtlich geschützter Bereiche leichtfertig dem allumfassenden
Überwachungsbedürfnis der Behörde preisgegeben:
„Mir ist bekannt und ich bin damit einverstanden, dass meine
Verhältnisse durch unangemeldete Hausbesuche des Ermittlungsbeamten des
Jobcenters überprüft werden.”
Im Gesetz sind solche Hausbesuche überhaupt nicht
vorgesehen. Das ist dem Coburger Jobcenter offensichtlich bewusst, weil im Text
verlangt wird, dass Betroffene sich (gezwungener maßen) „freiwillig” damit
einverstanden erklären.
Die schwache Position der Antragsteller manifestiert sich in
Aussagen wie dieser: „Ich ermächtige das Jobcenter Coburg Land, alle Auskünfte
über mich bei anderen Behörden oder Personen einzufordern und Akten/ Unterlagen
anzufordern, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II
erforderlich ist.”
Es handelt sich hier zum einen um eine unzulässige
Ausweitung behördlicher Ermittlungsrechte auf die Einholung von Auskünften bei
Dritten.
Und es handelt es sich hier um ein krasses Beispiel von
Behördenwillkür und Rechtslosstellung von Langzeitarbeitslosen durch eine
Arbeitslosengeld II-Behörde.
Diese Praxis sei repräsentativ für eine neue Qualität des
Umgangs mit Alg II-Bezieher/-innen und die Ausbreitung „rechtsarmer” Räume in
den Sozialbehörden, so Tacheles e.V..
(Zur genaueren rechtlichen Bewertung verweisen wir aber,
aufgrund der komplexen und unübersichtlichen Rechtslage, auf die sehr
informative Stellungnahme von Gregor Kochhan und Harald Thomé bei Tacheles
e.V.:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2007/coburger_erklaerung_stellungnahme.aspx
).
Schlachtfeld Wohnung und Unterkunft!
Gerade erst wurde die Öffentlichkeit durch Meldungen
aufgeschreckt, dass immer häufiger Teile von zu großen Wohnungen bei
ALG-II-Empfängern verschlossen würden. In der Folge würde die Miete gesenkt, so
dass die ALGII-Behörde die Kosten dieser geminderten Unterkunft auch weiter
trage. Dahinter verbirgt sich die alle Betroffenen zutiefst entwürdigende
Auseinandersetzung um “angemessenen Wohnraum”. Zahllose ALG-II-Empfänger wurden
bereits von “ihrer” ALG-II-Behörde zu Wohnungswechseln gezwungen, weil die
bewohnte Unterkunft unangemessen groß sei. Dabei muss klar sein: Diese
menschenverachtenden Praktiken und speziell die Zwangsumzüge müssen beendet
werden!
Aber welch ein Feld für Sozialterror eröffnet sich hier den
ALG-II-Behörden!
Beispiel: Bereits im Jahr 2006 wurden über 900
Bedarfsgemeinschaften (!) in Düsseldorf aufgefordert, ihre „unangemessenen
Unterkunftskosten“ zu senken. Angemessen seien je nach Größe der Bedarfsgemeinschaft
45 bis 105 qm Wohnraum bei maximal 6,40 Euro Quadratmetermiete. Zusätzlich
wurden zahlreichen ALG II-Bezieher/innen die Kosten der Unterkunft (KDU) trotz
ärztlicher Atteste und trotz des Nachweises von Wohnungsbemühungen gekürzt oder
Kürzungen wurden angedroht. Menschen in Notsituationen und Gewaltopfern wurde
die Mietübernahme selbst bei als notwendig anerkannten Wohnungswechseln
verweigert.
Ein Gutachten für das Sozialgericht Düsseldorf sollte
klären, ob in Düsseldorf genügend Wohnraum für mehrere tausend Arbeitslosengeld
II-Empfänger/innen zum Quadratmeterpreis von 6,40 Euro inkl. Betriebskosten zur
Verfügung steht. In dem vom Sachverständigen Ludwig Horn gefertigten Gutachten
wird die Realität auf dem Düsseldorfer Wohnungsmarkt eindrucksvoll bestätigt.
Es macht damit auch die ganze Willkür deutlich, die im Vorgehen der
Düsseldorfer ARGE, der dortigen ALG-II-Behörde, zum Ausdruck kommt.
Zentraler Satz des Gutachtens:
„Das Wohnungsamt der Stadt Düsseldorf hat festgestellt, dass
insgesamt 5.300 Haushalte in Düsseldorf als Wohnungssuchend gemeldet sind. Bei
insgesamt 65 als frei gemeldeten Wohnungen zwischen 45 und 105 qm bis zu einem
Mietpreis von 6,40 ist das
Missverhältnis eindeutig.“
Von den 65 Wohnungen, die Horn zum von der ARGE verlangten
Preis fand, würden zudem nur rund 10-20% überhaupt an Arbeitslosengeldbezieher
oder Sozialhilfeempfänger vermietet.
Wohlwollend geschätzt standen also gerade mal 13 Wohnungen
für die 900 von der ARGE angeschriebenen Bedarfsgemeinschaften zur Verfügung
(wenn man unberücksichtigt lässt, dass ja mindestens weitere 4.500 Personen
beim Amt wohnungssuchend gemeldet sind und viele tausend weitere Menschen
preiswerten Wohnraum suchen, ohne sich wohnungssuchend gemeldet zu haben).
Faktisch dürfte das Verhältnis noch schlechter aussehen,
weil der Gutachter die angebotenen Wohnungen mit rund 200 Briefen, 50
Telefonaten sowie einer umfangreichen Internetrecherche ermittelt hat. Die dazu
notwendigen finanziellen Mittel stehen ALG-II-Empfängern gar nicht zur Verfügung.
Selbst wer von der ALG-II-Behörde zum Umzug aufgefordert wird, erhält nur in
den seltensten Fällen eine Kostenerstattung für Ausgaben zwecks Wohnungssuche.
Zudem muss berücksichtigt werden, dass insbesondere
Ein-Personen-Haushalte von den Umzugsaufforderungen der ARGE betroffen sind und
gerade im Bereich der 45-qm-Wohnungen so gut wie gar kein Wohnraum zum Preis
von 6,40 Euro zur Verfügung steht.
Die Betroffenen sollten bei allen Leistungsträgern Gutachten
wie in Düsseldorf fordern und, so schwer es auch fällt, konsequent alle
Rechtsmittel gegen Umzugs- und Unterkunftskostensenkungsforderungen einlegen.
Gutachten wie das Düsseldorfer müssen endlich dazu führen,
dass die ALG-II-Behörden ihre Umzugsaufforderungen und Mietkürzungen
unverzüglich zurücknehmen!
Und auch hier wieder: Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet!
Beispiele:
ALG-II-Empfänger/innen werden, beispielsweise bei der Abgabe
eines Folgeantrages, aufgefordert, eine „Niederschrift“ über „unangemessen
hohe“ Unterkunftskosten zu unterschreiben. Bei Weigerung wird der Folgeantrag
nicht angenommen. Kein Antrag- kein Geld! In einem Fall lässt die ARGE einen
Hilfeempfänger eine um mehrere Monate zurückdatierte „Niederschrift“
unterschreiben und beginnt entsprechend schneller mit dem Kürzen.
Die jeweiligen Mitarbeiter/innen der ARGE stehen bei
derartigen Vorgehensweisen im dringenden Verdacht, sich des Straftatbestandes
der Nötigung schuldig zu machen. Die Niederschriften werden als Grundlage der
folgenden Mietkürzungen bis heute verwendet, obwohl der Leiter der ARGE die
Formulare und den Zwang, sie zu unterschreiben, angeblich bereits im März 2005
zurückgenommenen hat, nachdem ein unabhängiger Sozialberater gegen ihn
Strafanzeige angedroht hatte. Ein solch erpresserisches Verfahren wird selbst gegen
schwer erkrankte Betroffene angewandt.
Weiteres Beispiel: Einem ALG-II-Empfänger wird seine ca. 360
Euro kostende Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Eine Klage dagegen verliert
er, die Wohnung ist innerhalb von drei Monaten zu räumen. Der Betroffene erhält
durch eine Wohnungsgenossenschaft, der er angehört, eine Wohnung, die ca. 20
Euro preiswerter als seine Bestandswohnung ist, also 340 Euro kosten soll. Die
ARGE verweigert die Kostenübernahme, weil die Miete über dem Satz für
Neuanmietungen von 288 Euro liegt. Der Verweis, dass die Wohnung preiswerter
sei als die bisherige, lässt sie nicht gelten. Auch, dass weder
Genossenschaftsanteile noch Kaution fällig werden, hilft nicht. Nach einem
nervenzehrenden zweimonatigen (!!) Hin und Her sagt die ARGE doch noch die
Übernahme der Mietkosten zu, verweigert aber die Übernahme von Umzugskosten.
Auch dies gelingt erst im Widerspruchverfahren. Insgesamt war der Betroffene
nicht nur zwei Monate mit dieser
Angelegenheit befasst, sondern in größter Sorge vor eintretender
Obdachlosigkeit.
Hartz IV ist offener Strafvollzug, sagt sogar der Chef der
Drogeriekette DM, Goetz Werner, im Stern Nr. 17 / 2006
Arbeitsagentur selbst erstellt vernichtende Analyse zu 1
Eurojobs
Laut Statistik der Agentur für Arbeit ergibt sich für den
Zeitraum Januar 2005 bis September 2006 eine Anzahl von insgesamt 1.132.400
1-Euro-Jobbern, davon rund 509.400 im Osten und 623.000 im Westen.
In einem empirischen Forschungsbericht untersucht das
wissenschaftliche Institut der Arbeitsagentur die bisher erzielten Ergebnisse.
Auf die konkrete Lage der 1 Eurojobber geht der
Forschungsbericht mit keinem Wort ein, sondern betrachtet alles aus der
Perspektive der kapitalistischen Gesamtwirtschaft. Er weist nicht darauf hin,
dass diese Art der Beschäftigung eine Form der Zwangsarbeit ist: 1- Eurojobbern
stehen keinerlei Rechte eines normalen Arbeiters zu, kein Streikrecht, keine
freie Wahl des Arbeitsplatzes etc.
Zynisch stellen die Autor/innen fest, dass der einzige
„Erfolg“ dieser Maßnahmen sei, die Arbeitenden wieder an den Drill der
kapitalistischen Ausbeutung zu gewöhnen. Als pädagogisches Ziel wird benannt,
sie sollten bereit sein, jede Art Arbeit zu egal welcher Bezahlung voll
engagiert und widerspruchslos auszuführen. Also: Zwangsarbeit mit dem Ziel der
Brechung jedes Widerstandswillens! (Quellen:
http://www.iab.de/asp/internet/dbdokShowOhne.asp?pkyDoku=k070126a04
und Peter Weinfurt: Hartz IV: Arbeitsagentur erstellt vernichtende Analyse zu 1
Eurojobs. Link zum Originalartikel:
http://www.linkezeitung.de/cms/content/view/2060/32/)
Der genannte Bericht kommt zu einem vernichtenden Urteil:
Nur 2 % aller 1 Eurojobber werden in eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übernommen
Die befragten Betriebe erklärten zu mehr als zwei Drittel
offen, dass sie die Jobber als Umsonst-Arbeitskräfte einsetzen um Kosten zu
sparen. So vermeiden sie Neueinstellungen und können bisher Beschäftigte
entlassen. Auf diese Weise wird nicht die Arbeitslosigkeit, sondern werden
allein die Löhne gesenkt.
1 Eurojobs sind weder „zusätzlich“ noch gemeinnützig,
sondern vernichten reguläre Arbeitsplätze!
Laut Gesetz müssen 1 Eurojobs „zusätzlich“ sein und im
öffentlichen Interesse liegen. So soll angeblich Wettbewerbsneutralität
sichergestellt und eine Verdrängung regulärer sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung vermieden werden.
Minutiös weist der Bericht nach, dass in den allermeisten
Fällen die Beschäftigung von 1 Eurojobbern keineswegs „zusätzlich“ erfolgt und
auch nicht „gemeinnützig“
Die Träger, also die Firmen, Betriebe oder Organisationen,
die 1-Euro-Jobber ausnutzen, erhalten für Zusatzjobber sogar eine Pauschale von
bis zu 450 Euro, mit der die angeblich entstehenden Ausgaben für die
Qualifizierung ihrer Zwangsbeschäftigten sowie weitere Kosten abgegolten werden
sollen. Aber die Betriebe kassieren die für Ausbildung und die Einrichtung
zusätzlicher Arbeitsplätze gedachten Prämien ohne jede Gegenleistung und setzen
die für sie praktisch kostenlosen Arbeitskräfte einfach so ein.
Dazu passt, dass nach Recherchen unserer Zeitung viele
1-Euro-Jobber niemals erfahren, dass ihnen Qualifizierungsleistungen zustehen:
Weder von ihren „Arbeitgebern“, noch von den ALG-II-Behörden, noch von allen
möglichen Vermittlern, die sich mittlerweile auf diesem Felde tummeln.
Der Forschungsbericht fasst kapitalistisch nüchtern
zusammen, dass drei Viertel der Betriebe durch die Zusatzjobber so eine schöne
Kostenentlastung erfahren:
„Die Zusatzjobber arbeiten ohne zusätzliche Lohnkosten, die
entstehenden Qualifizierungs- und Sachkosten sollen durch die Maßnahmepauschale
abgedeckt sein. Da sich die Mehrzahl der Betriebe auch nicht durch
Organisations- oder Betreuungsaufwand belastet sieht, erfolgt die
Leistungsausweitung bzw. -verbesserung zu geringen oder ganz ohne Kosten. Wenn
die Betriebe, in denen dies zutrifft, in Konkurrenz zu anderen Betrieben
stehen, in denen keine Zusatzjobber arbeiten, resultieren daraus Einflüsse auf
die bestehende Wettbewerbssituation: ein Teil aller Betriebe kann ohne
Kostenerhöhung seine Leistung ausweiten, ein anderer Teil dagegen nicht.“
Und er zeigt die im Kapitalismus logische Folge: dass im
Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in erheblichem
Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst wird. Immer weniger
Aufträge aus öffentlichen bzw. öffentlich bezuschussten Einrichtungen z. B. für
handwerkliche und Reparatur-Arbeiten, Grünanlagenpflege, Hausmeisterdienste
werden an private Anbieter vergeben, weil diese Arbeiten verstärkt von
Zusatzjobbern ausgeführt werden. Die Nachfrage bei den privaten Anbietern sinkt
messbar, und hier fallen dann Arbeitsplätze weg. Fälle sind in zahlreichen
Städten nachgewiesen. Beispielsweise werden in Stuttgart bereits pädagogische
Fachkräfte in Schulen als 1-Euro-Jobber beschäftigt. Ganztagsschul-Pläne werden
hier bereits auf die Ausbeutung solcher Kräfte gegründet!
Laut Erhebung konnte jeder zweite befragte Betrieb durch 1
Eurojobber sein Leistungsangebot ausweiten bzw. qualitativ verbessern. Es
konnten Neueinstellungen vermieden, – frei werdende Stellen mussten nicht neu
besetzt, teurere sozialversicherungspflichtige Beschäftige konnten entlassen
werden und man konnte praktisch kostenlos an Vertretungskräfte für den
Urlaubs-, Mutterschutz oder Krankheitsfall kommen.
Nackte Lohnkostensenkung und Erschleichung von Vorteilen im
Konkurrenzkampf mit anderen Betrieben! Was der Bericht feststellt, entspricht
exakt der Kritik, die von Anfang an gegen die 1-Eurojobs vorgetragen wurde.
Auch der Bundesrechnungshof bestätigt bereits im Jahr 2006:
Bei fast einem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Arbeitsgelegenheiten lagen
die gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen gar nicht vor, weil die zu
erledigenden Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder
nicht wettbewerbsneutral waren. Der Bundesrechnungshof stieß beispielsweise auf
Maßnahmen, die notwendige Arbeiten im Pflege- und Reinigungsbereich,
termingebundene Bauhilfsarbeiten, Service- und Ausschankaktivitäten im
gastronomischen Bereich oder den Einsatz in einem über Arbeitsgelegenheiten
finanzierten Orchester umfassten. Bei weiteren knapp 50% der geprüften Fälle
hatten die ALG-II-Behörden keine verlässlichen Kenntnisse über die
Maßnahmeinhalte, so dass auch hier Zweifel an der Förderungsfähigkeit
bestanden.
Das alles zeigt: Die so genannten Hartz-Gesetze sind eine
brutale Falle für die Betroffenen. Sie schaffen keinen einzigen neuen
Arbeitsplatz, sondern stoßen die im Kapitalismus gesetzmäßig anfallenden
Arbeitslosen in Zwangsarmut und Zwangsarbeit.
Sie sollen zu jeder Art Arbeit gefügig gemacht werden.
Aber diese Gesetze leisten mehr: Sie vernichten reguläre
Arbeitsplätze und überführen noch relativ gut bezahlte Arbeiten in den
Zwangsarbeits- und Niedriglohnsektor. Sie sind damit nicht nur ein Teil des
Sozialkahlschlags, sondern auch ein Mittel, das gesamte Lohnniveau in der
Gesellschaft herabzudrücken. Das zeigen die Beispiele des Einsatzes von
Fachkräften als 1-Euro-Jobber mehr als deutlich. Und es steht zu befürchten,
dass weiter Ausweitungen dieser Beschäftigung ins Haus stehen, wenn wir, wenn
die Betroffenen und von Arbeitslosigkeit Bedrohten sich nicht wehren. Und
welche Lohnabhängigen sind vor Arbeitslosigkeit sicher?!
Jede Art von Widerstand und Organisation gegen diese
manchmal schon archaisch anmutende Praxis von Staat und Kapital ist berechtigt und
zu unterstützen!
Unterstützt die Montagsdemo-Bewegung ebenso wie die
ämter-unabhängige Sozialberatung! Öffentliche Aktionen und Demonstrationen sind
notwendig. Aber es fehlt die entscheidende Kraft, das kompromisslose Engagement
der Gewerkschaften. Das gilt sowohl für die Basis, besonders aber für die
Führungen. Die Basis erschöpft sich im Kräfte zehrenden Abwehrkampf in
Betrieben und Dienststellen, die Gewerkschaftsführungen interessieren sich
offensichtlich nicht, obwohl die gezeigten Beispiele und der zitierte
Forschungsbericht der Agentur für Arbeit beweisen: Hier werden auch die
Grundlagen des gewerkschaftlichen Kampfes zerfressen und zerstört! Und das ist
die reine Absicht der bundesdeutschen „Arbeitsmarktpolitik“ von Merkel bis
Müntefering, von Hartz über Schröder und Clement bis zu Steinbrück und so
weiter!
Diese Politik wir abgesichert bis hin zur EU, wo das
Lissabon-Projekt das „vereinte Europa“ zum profitabelsten Wirtschaftraum der
Welt machen will. Dafür braucht man den „deregulierten“, den zerstörten
Arbeitsmarkt, die Beseitigung möglichst aller tariflichen Standards. Und das
scheint weder Herrn Sommer vom DGB, noch die Peters, Huber und Bsirske besonders zu interessieren. Im
Gegenteil. Sie hatten sogar Vertreter in die Hartz – Kommission geschickt.
Der Hass, den diese Politik bei den lohnabhängigen und
erwerbslosen Menschen auslöst und auslösen wird, müssen wir verwandeln in
Energie: In den Gewerkschaften und außerhalb!
Fordern und fördern wir die gewerkschaftliche Organisation
der Arbeitslosen und Zwangsarbeiter, Fordern und fördern wir, dass der
Widerstand dagegen auch die Kolleginnen in den Betrieben erfasst, ehe dort die
ersten „Arbeitsgelegenheiten“ angeboten werden.
Aber bündeln wir auch die Energien, um dieses
kapitalistische System zu stürzen, das gesetzmäßig die Arbeitslosigkeit
erzeugt, das Menschen gnadenlos aussortiert und in Elend und Armut stürzt.
Abschaffung der Hartz-Gesetze!
Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und
Personalausgleich!
Schluss mit dem „Sozialterror“ gegen verarmte und
erwerbslose Menschen!
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