Leserbrief: Landeswohlfahrtsverband schickt Pförtner in die Arbeitslosigkeit, es folgt Hartz IV!

Wie sozial sind eigentlich Soziale Einrichtungen?

Leider muss ich mir diese Frage im nach hinein stellen. Nach
25 Jhren leidenschaftlicher Arbeit als Bäcker bzw. Bäckermeister kam das Aus. Bandscheiben
verschlissen es folgten einige Operationen und eine Bandscheibenprothese. Doch
es heißt nicht aufgeben!

Nach langem Suchen und einigen Integrationsversuchen, HEMA,
Bewerbungstraining usw.

fand ich eine Stelle beim Landeswohlfahrtsverband in der
Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg Hessen als Pförtner und
Telefonist. Mir standen die Tränen in den Augen als ich die Zusage bekam. Es
ist eine super Einrichtung, tolle Einarbeitung von den Kollegen und ein einwandfreies
Betriebsklima. Es war toll dort Arbeiten zu dürfen. Ich bekam einen befristeten
Arbeitsvertrag für 2 Jahre, ich solle mir aber keine Sorgen machen, die Pforte
müsse immer in 3 Schichten besetzt sein und ich könne hier in dieser
Einrichtung Rentner werden.

Pustekuchen, es kam die Zeit der Wahrheit!

Zwei Monate vor Ablauf der 2 Jahresfrist mündliche und schriftliche
Anfrage beim Personalbüro (Herrn R.), leider keine Antwort, nur: darüber wird
noch entschieden, also keine Aussicht Rentner hier zu werden?

Jetzt setzt sich der Betriebsrat ein und auch die Kollegen
von der Schule, es folgen bange Wochen des Wartens. Dann die Erlösung, Herr
Gutschera bekommt einen festen Vertrag. Diese Mitteilung kam von Betriebsrat.

Am nächsten Tag ein Brief , Herr Gutscheras Vertrag läuft
nach den 2 Jahren aus!!

So, jetzt tritt der Betriebsrat geschlossen zurück weil er
diese Entscheidung nicht mit trägt und es auch eine mündliche Zusage zur
Weiterbeschäftigung vor dem Betriebsrat gab. Auch die Solidarität von den
Kollegen ist riesig.

Es kann keiner so recht verstehen, dass ein 45 Jähriger und
noch dazu behinderter Kollege

in die Arbeitslosigkeit gehen muss. Wo doch der Landeswohlfahrtsverband
einige Straßen weiter behinderte Menschen in Brot und Arbeit bringt, nur in
seiner eigenen Einrichtung schafft er es nicht einen behinderten Kollegen
weiter zu beschäftigen.

Die Wellen der Entrüstung schlugen hoch.

Dann folgten einige Gespräche mit Herrn B., er ist Direktor
an der Blindenschule, ich solle mir keine Sorgen machen er will sich für mich einsetzen,
könne aber nichts versprechen. Aber eine Lösung würde auf alle Fälle gefunden.

Und wieder Pustekuchen, nicht mal eine Antwort auf mehrere
Briefe kam.

Momentan ist es so dass ich sehr viele Bewerbungen
geschrieben habe, Annoncen im Internet habe und alles Versuche, eine
Arbeitsstelle zu finden.

Ich habe noch mal an den LWV und Herrn B. einen Brief
gesendet, dass wohl Hartz IV bei mir vor der Tür steht, aber das Desinteresse
kennt keine Grenzen, wieder keine Antwort.

Ich habe mich noch um eine Putzstelle beworben in der
Blindenschule, da ich alles machen würde, um eine Arbeitsstelle zu bekommen, aber
wieder eine Absage vom Personalleiter.

Man versteht es einfach nicht, jetzt ist die Pforte in 2
Schichten besetzt, bestimmt nicht zum wohl der Kinder und ehemaligen Kollegen.

Aber mein Dank hier noch mal an alle, die sich so für mich eingesetzt
haben.

 

Meine Frage hätte das nicht alles verhindert werden können? Gerade
in einer sozialen Einrichtung vom LWV. Dies ist auch ein Hilferuf, ich weiß
nicht mehr, was ich noch machen soll,  um Hartz IV zu vermeiden.

Bernd Gutschera

 

Kommentar der Redaktion:

Lieber Kollege,

vielen Dank für Deinen eindrucksvollen Beitrag. Dein
Beispiel zeigt sehr krass, dass es in dieser Gesellschaft nicht um die Menschen
geht. Das Kapital herrscht und da sind Menschen nur Kostenfaktoren. Besonders
scharf, zeigt Dein Beispiel die Klassengegensätze in dieser Gesellschaft, wenn
man es neben das Urteil gegen Peter Hartz, den Erfinder von Hartz IV stellt. Ein
Millionen-Betrüger, der Unmengen Geld veruntreut hat, war Berater der
Bundesregierung Schröder-Fischer und durfte Pläne zur Verelendung von Millionen
ausarbeiten. Vor Gericht findet er Gnade und wird mit einer Geldstrafe, die weit
unter dem Betrag liegt, den er veruntreut hat, milde bestraft, muss nicht ins
Gefängnis. Seine Opfer hingegen werden so wie Du gnadenlos ins Elend gestoßen. Die
eine Klasse herrscht, macht die Gesetze zu ihren Gunsten, lebt in Saus und
Braus, die andere Klasse hat nichts zu sagen, wird immer mehr unterdrückt und ausgepresst.
Einzeln haben die unten keine Macht. Nur wenn sie sich zusammenschließen,
besitzen sie Kraft. Und diese Kraft muss genutzt werden, um kompromisslos seine
eigenen Interessen zu vertreten. Ein gutes Beispiel dafür war der Kampf in
Frankreich gegen das Gesetz für Niedriglöhne und unsichere Arbeitsverhältnisse,
dass durch eine solidarische Massenbewegung gemeinsam von Jung und Alt,
Schülern, Studenten, Arbeitern, Intellektuellen, Rentnern usw. zu Fall gebracht
wurde. Wir müssen wieder lernen radikal und solidarisch zu kämpfen. Und wir
müssen für eine Gesellschaft kämpfen, in der die arbeitenden Menschen, die den
gesamten gesellschaftlichen Reichtum produzieren auch über diesen Reichtum
verfügen und bestimmen.

Nochmals vielen Dank für Deinen Beitrag. Wir wünschen uns,
dass er viele Menschen aufrüttelt. Insbesondere hoffen wir, dass er die
aufweckt, die noch denken, sie hätten einen sicheren Arbeitsplatz und so etwas
würde sie nichts angehen.