Filmbesprechung: „The wind that shakes the barley“ (Der Wind der durch die Gerste streicht)

Filmbesprechung: The wind that shakes the barleyWahrscheinlich hätte ich diesen Film nie angesehen, wenn die
Stuttgarter Zeitung ihn nicht in einer Filmkritik völlig zerrissen hätte. Da
stand, dass der Regisseur wohl etwas engstirnig und verbohrt sei, da er den
irischen Freiheitskampf gegen die britische Armee verherrliche und den
Sozialismus als positives Ideal propagiere. Das brachte mich zu der
Schlussfolgerung, dass dies durchaus ein interessanter Kinoabend werden könne.
Und so saß ich am 30.12. (28.12. war Kinostart in Deutschland) in einem der
kleinen Stuttgarter Programmkinos im kleinsten Saal, der allerdings fast völlig
besetzt war. Die Stuttgarter Zeitung hatte recht: Es ist ein Film, der den
Befreiungskampf der Völker und den Sozialismus propagiert.

Der Film spielt im Irland der 20er Jahre. Der junge Arzt
Damien O’Donovan will eine Stelle in London antreten. Als er sich von seinen
Freunden verabschieden will, wird er Zeuge eines Überfalls der britischen
Besatzer auf eine Farm. Als der junge Micheail 
sich weigert, seinen Namen auf Englisch auszusprechen und sich nackt
auszuziehen, wird er von den britischen Terrorhorden zu Tode geprügelt. Damien
schließt sich daraufhin, einer IRA-Gruppe (Irish Republican Army) an, die von
seinem Bruder Teddy geleitet wird. Sie greifen die Besatzertruppen an, holen
sich dort die Waffen, die sie für ihren Freiheitskampf brauchen. Sehr
realistisch wird die Grausamkeit der britischen Besatzer gezeigt. Ebenso
realistisch wird dargestellt, wie hart der Kampf einer Befreiungsbewegung ist.
Man sieht, wie die britische Armee Gefangene der IRA foltert und ermordet, wie
Zivilpersonen schikaniert, brutal zusammengeschlagen oder ihre Häuser in Brand
gesetzt werden.

IRA greift britische Truppen anAber die IRA findet immer größere Unterstützung im Volk. Die
britischen Besatzer stecken immer mehr Niederlagen ein. Schließlich bietet
Großbritannien 1921 einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag an, der
auch am 6.Dezember abgeschlossen wird. Nach diesem Vertrag wird Irland im
Rahmen des britischen Dominion „unabhängig“, untersteht aber weiterhin der
britischen Krone.

Dieser Vertrag führt zu einer Spaltung der irischen
Freiheitskämpfer. Die einen erweisen sich als „Realpolitiker“ und bürgerliche
Nationalisten. Sie akzeptieren den Vertrag als das „kleinere Übel“. Ein anderer
Teil der IRA fordert mehr: die völlige Unabhängigkeit und eine soziale
Revolution. Die Realpolitiker gründen einen irischen Staat und eine Armee mit
britischer Waffenhilfe und greifen die Gegner des Vertrages an. Es kommt zu
einem Bürgerkrieg, der schlimmer ist als die englische Besatzung zuvor. Im Film
wird dies im Konflikt zwischen Damien und seinem Bruder Teddy dargestellt.
Damien verlangt, dass den Großgrundbesitzern der Boden weggenommen und an die
armen Bauern und besitzlosen Landarbeiter verteilt werden muss. Teddy steht auf
Seiten der Realpolitiker und tritt in deren Armee ein. Schließlich ermordet er
seinen eigenen Bruder als „radikalen Terroristen“.

Der Film ergreift eindeutig Partei, und zwar nicht, wie
heute allgemein üblich, für die Realpolitiker, sondern für die Revolutionäre.
Der bewaffnete Kampf der IRA wird zwar als hart aber auch als notwendig
dargestellt. Mehrfach wird dargelegt, dass eine nationale Befreiung ohne
gleichzeitige soziale Befreiung nur zu einer Auswechslung der herrschenden
Klasse führt – statt englischen Ausbeutern hat man dann irische.

Es ist verwunderlich, dass ein Film, der so deutlich für den
bewaffneten Befreiungskampf Stellung bezieht, nicht längst verboten ist. Noch
verwunderlicher ist, dass er bei den Filmfestspielen in Cannes die „Goldene Palme“
als bester Film des Festivals erhielt. Der Film ist allerdings auch
künstlerisch ein Meisterwerk. Die Schauspieler wirken sehr überzeugend und
eindrucksvoll. In lebendigen Bildern werden sowohl die irische Landschaft als
auch die Besatzung und der Kampf um Befreiung präsentiert.

Diesen Film sollte man sich unbedingt ansehen. Unter www.kino.de kann man erfahren, wo er derzeit
gespielt wird.

dm