Für den 23.09. 06 hatten die faschistische NPD und ihre
Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ zu einem Aufmarsch unter der rassistischen
und immigrantenfeindlichen Parole „Ein Rückflug kostet 19 Euro, Integration
Millionen“ aufgerufen. Die Stadt Göppingen hatte die Demo verboten, aber das
Verwaltungsgericht Stuttgart machte den Nazis den Weg frei und genehmigte die
Hetzaktion.
So waren rund 200 vorwiegend jugendliche Anhänger der NPD am
Morgen mit Zügen in Göppingen eingetroffen. In den Waggons soll angeblich die
Polizei die Neonazis von den übrigen Fahrgästen getrennt haben, so der
Radiosender SWR. Vor den massiven Absperrungen am Göppinger Bahnhof empfingen Hunderte
von Gegendemonstranten, großenteils
Jugendliche, die Rechtsextremen mit „Nazis raus!“-Rufen.
Zuvor hatten sich Hunderte Bürger auf dem Marktplatz zu einer
Kundgebung gegen Rechts versammelt. Sie protestierten gegen den Aufmarsch und
braune Parolen. „Die Nazis gehören verboten“, empörten sich Bürger
über den Aufmarsch. „Ich finde es unmöglich, dass man Leute zurückschicken
will, die hier 30 Jahre lang gearbeitet haben. So etwas regt mich auf“,
sagte eine Frau gegenüber dem SWR.
Zu der Kundgebung hatte auch die IG Metall aufgerufen, die
auch Busse aus dem Großraum Stuttgart nach Göppingen stellte. So sprachen unter
anderen auch Bernd Rattay, 1. Bevollmächtigter der IG Metall
Göppingen-Geislingen Leni Breymaier, die stellvertretende Landesvorsitzende des
DGB Baden-Württemberg.
Die Stadt Göppingen, ihr Oberbürgermeister Guido Till (SPD),
Bürger, Vereine und Initiativen hatten versucht, mit einem Aktionstag unter dem
Motto „Zeigen wir den Rechten die kalte Schulter, ignorieren wir ihre
dumpfen, ewiggestrigen Parolen und feiern wir zusammen ein Fest“ an der
abseits des Geschehens gelegenen Hohenstaufenhalle ein Fest zu veranstalten.
Doch das verfing nicht: zahlreiche empörte Bürger und Antifaschisten stellten
sich direkt den Nazis entgegen. Die von der Polizei genannten 400 bis 500
Gegendemonstranten scheinen unrealistisch, es müssen über 1000 gewesen sein.
1200 Polizist/innen (nach offizieller Darstellung) geleiteten
unter massivem Einsatz von Absperrgittern, der aggressiven Stuttgarter
Polizeireiterstaffel („Raureiter“ nennen die sich bezeichnenderweise selbst!)
das Nazihäuflein durch ihren geplanten Demoweg. Immer wieder stellten sich
ihnen Demonstranten entgegen. Wie schon 1998 bei einem ähnlichen Anlass wirkte
Göppingen wie unter Polizeibesetzung! Immer wieder kam es zu
Polizeiübergriffen, bei denen Antifaschisten festgenommen wurden.
Zum Schluss hielten die Nazis vor dem Göppinger Bahnhof ihre
Abschlusskundgebung ab. Massive Polizeikräfte hielten die antifaschistischen
Demonstranten auf Distanz. Immerhin konnte man aufgrund massiver Protestparolen
und einem gellenden Pfeifkonzert wenig von der Kundgebung hören. Es gab
Parolen, die den Sozialismus oder Kommunismus forderten, (ein Reflex auf die
wieder wachsende Erkenntnis, dass der Faschismus aus dem Kapitalismus hervor wächst?)
Empörend: Während der Abschlusskundgebung der Nazis griff
die Polizei mehrfach die Antifaschisten an, es kam erneut zu willkürlichen Festnahmen.
Zum krönenden Abschluss ritt die
Reiterstaffel unter Schlagstockeinsatz in die Demonstranten hinein, ein
Greiftrupp von über zwanzig Polizisten stürmte regelrecht einen terrassenartigen
Vorbau vor einem der angrenzenden Häuser, auf dem sich Antifaschisten befanden.
Erneut kam es zu einer Festnahme.
Insgesamt soll es 26 Festnahmen gegeben haben, so die
Stuttgarter Zeitung.
Kommentar:
Wie viel Zeit haben wir noch?
Was die Nazis wollen, haben sie einmal mehr deutlich
gemacht: Sie wollen Millionen Zugewanderte vertreiben. Und sie wollen die
Menschen dieses Landes beim Geld packen, bei diesem Medium des Kapitals, der kapitalistischen
Gesellschaft: 19 Euro für einen Akt der Vertreibung seien doch ach so
kostengünstig angesichts der angeblichen Millionen für eine angebliche
Integration (in welcher Bezeichnung sich heute auch nur noch eine Drohung an
die zugewanderten Menschen verbirgt). Sie wollen die Wut der Menschen über ihr
brutales kapitalistisches Los aus Sozialkahlschlag, Verarmung und Unterdrückung
auf Unbeteiligte, Unschuldige, vielfach vom gleichen Los Getroffene ablenken
und zu Gewaltakten gegen diese hetzen!! Das ist wie vor über sechzig Jahren
schon ihr verbrecherisches Rezept.
Erneut stellte der Staat Bundesrepublik Deutschland auch in
Göppingen seine ganze Verlogenheit in Sachen Nazis unter Beweis. Wie bereits im
Januar in Stuttgart (vgl.: http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/457)
hat das Verwaltungsgericht das Demoverbot der Stadt gegen die Nazis aufgehoben!
Die Herrschenden dieses Landes, deren Parteien gerade wieder in Krokodilstränen
ausbrachen über den Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern –
sie haben bis heute nichts unternommen, um solchen Gerichten das Handwerk zu
legen. Wie? Ganz einfach, indem sie eindeutige juristische Grundlagen schaffen,
die die Tätigkeit der Nazis verbieten.
Aber diese Haltung ist kein Zufall. Der Schrecken, den die
Nazis vielerorts schon verbreiten, ist doch gar zu nützlich für die
Herrschenden! Da wird der Protest von Gewerkschafter/innen und Antifaschisten,
da wird gesellschaftliche Kritik zum Schweigen gebracht, werden Nationalismus
und Rassismus geschürt, da wird tatsächlich tausendfach Gewalt gegen Wehrlose provoziert,
organisiert, und angewandt.
Kein Zweifel: Antifaschisten, Linke, Revolutionäre und
Kommunisten müssen ob ihrer Gespaltenheit und Uneinigkeit heute oftmals ohnmächtig
mit ansehen, wie in diesem Klima die braune Brut gedeiht und um sich greift. Bei
„der Linken“ heißt es leider noch immer: „Getrennt marschieren, getrennt
verlieren!“ Ergebnis: So gut es ist, dass die Nazis in Göppingen die Wut vieler
zu spüren bekamen – sie brauchten daher den Schutz der Polizei und bekamen ihn!
Aber sie sind marschiert und werden es als Sieg feiern. Und die
antifaschistische Öffentlichkeit hatte in Wirklichkeit einmal mehr das
Nachsehen!
Die empörten Jugendlichen, gleich welcher Herkunft und Nationalität,
die auf den Göppinger Straßen um ihre eigene Zukunft kämpften, sie erwarten,
dass wenigstens beim Thema des antifaschistischen Kampfes bundesweit endlich ein
gemeinsames Vorgehen erstritten, erkämpft, vor allem aber erfolgreich etabliert
wird! Es wird vor allem immer dringlicher, sich inhaltlich mit der Nazi
Propaganda und Politik auseinander zu setzen und gegen sie gemeinsame
Positionen zu entwickeln! Denn Menschen, von denen wir wollen, dass sie sich
nicht mit den Nazis verbinden sollen, wollen überzeugt werden! Sie brauchen
eine Perspektive für die Zukunft!
Viel Zeit wird uns die braune Brut dazu wahrscheinlich nicht
mehr lassen!
ft