Am
Dienstag, dem 16.5.06, beschloss eine breite Koalition aus Konservativen,
Liberalen, Sozialdemokraten, Grünen und Rechtsextremen die Aufhebung der
Immunität des Europaabgeordneten und Vorstandsmitglieds der Informationsstelle
Militarisierung (IMI), Tobias Pflüger. Einzig die Linksfraktion GUE/NGL lehnte
diesen Antrag geschlossen ab.
Zum Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft München wirft Tobias Pflüger vor,
während einer Demonstration Straftaten begangen zu haben, als er Polizeibeamte
um Auskunft über die brutale Festnahme eines Demonstrationsteilnehmers bat.
Dabei wies er sich ihnen gegenüber als Europaabgeordneter aus und wurde von
zwei Polizeibeamten – ein halbes Jahr nach der angeblichen Tat – angezeigt.
Die Version der Staatsanwaltschaft ist derart hanebüchen, dass sich hieraus nur
ein Schluss ergibt. Über Repression soll seine politische Arbeit behindert,
wenn nicht gar verunmöglicht werden. Dass dies nun gerade im Kontext der sehr
erfolgreichen Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz geschieht, ist
wohl ebenfalls kein Zufall und hat eine lange Vorgeschichte.
Insgesamt ist dies inzwischen das vierte polizeiliche bzw. justizielle Vorgehen
(1999, 2003, 2004, 2005) einer bestimmten Staatsanwaltschaft in Bayern
(„Staatsanwaltschaft München I“) gegen Tobias Pflüger anlässlich
seiner Beteiligung an Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz.
Nachdem Tobias Pflüger 1999 Bundeswehrsoldaten dazu aufforderte, den
„völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu verweigern
und/oder zu desertieren“, ermittelte u.a. die Münchner Staatsanwaltschaft
gegen ihn. Tobias Pflüger wurde jedoch von einem Tübinger Gericht im Jahr 2000
vom Vorwurf der Aufforderung zu einer Straftat freigesprochen. Damit wurde
richterlich eingeräumt, dass dieser Krieg gegen die Verfassung verstieß
(näheres unter http://www.imi-online.de/liste.php3?mail=89).
Dieses Verfahren bildete den Auftakt zu einer langen Reihe von
Repressionsmaßnahmen, die nun in der Aufhebung der Immunität gipfelten. Das
Verfahren 2003 wurde eingestellt und für seine brutale Festnahme im Jahr 2004
entschuldigte sich die Polizei sogar später bei ihm.
München während der Sicherheitskonferenz soll offensichtlich zum rechtsfreien
Raum gemacht werden. Während im bayrischen Hof grundgesetzwidrige
Angriffskriege vorbereitet werden (1999 Angriffskrieg auf Jugoslawien, 2002 der
so genannte „Anti-Terror-Krieg“, 2003 Irakkrieg und 2006
wahrscheinlich der kommende Krieg gegen den Iran), hebeln Polizei und Justiz
gleichzeitig grundlegende demokratische Rechte aus.
Mit der heutigen Entscheidung der Mehrheit des Europäischen Parlaments wurde
für die politische Verfolgung der Proteste gegen die NATO-Kriegstreiber grünes
Licht gegeben. Die Aushöhlung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit in
Deutschland und in der EU geht immer weiter, da ist dieser Fall nur einer unter
vielen, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der politischen
Kultur innerhalb der Europäischen Union.
Erinnert sei hier nur an die Repressionsmaßnahmen gegen Claus Schreer, einen
der Organisatoren der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, und
gegen zahlreiche andere TeilnehmerInnen an den Protesten.
„Arbeit
Zukunft“ ruft auf, gegen diesen Angriff auf grundlegende demokratische Rechte,
auf das IMI und auf Tobias Pflüger zu mobilisieren, diesen Fall bekannt zu
machen und die unten angegebene Online-Solidaritätserklärung zu unterschreiben.
Online Solidaritätserklärung unter http://www.thomas-mitsch.de/
(links unter „Petition Tobias Pflüger“)
Nach einer Mitteilung von IMI (IMI-Standpunkt 2006/038).