„Es ist zu erwarten, dass die parlamentarische Tätigkeit
des Bündnisses zu einer inneren Differenzierung führt. Ein voraussichtlich
großer Teil wird, wie wir es schon von den Grünen kennen, sich dem System
anpassen und mit ihm verschmelzen. Wir wissen nicht, wie lange ein solcher
Prozess dauern wird, aber er wird stattfinden. Ebenso wird ein wahrscheinlich
kleinerer Teil dieses Bündnisses durch die Erfahrungen nach links rücken.“ („Arbeit
Zukunft“, Nr. 4/05, S.4)
„Die Kritik – und zwar die schärfste, schonungsloseste,
unversöhnlichste Kritik – ist nicht gegen den Parlamentarismus oder gegen die
parlamentarische Tätigkeit zu richten, sondern gegen jene Führer, die es nicht
verstehen, die Parlamentswahlen und die Parlamentstribüne auf revolutionäre,
auf kommunistische Art auszunutzen, und noch mehr gegen diejenigen, die das
nicht wollen. Nur eine solche Kritik, natürlich verbunden damit, dass man die
untauglichen Führer fortjagt und durch taugliche ersetzt, wird eine nützliche
und fruchtbringende revolutionäre Arbeit sein…“ (Aus: W. I. Lenin, Der
„linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus, VII. Soll man sich an
den bürgerlichen Parlamenten beteiligen? – zitiert in „Arbeit Zukunft“, Nr.
4/05, S.4)
Als wir vor einem Jahr dazu aufriefen, trotz aller Bedenken
und Differenzen dem Bündnis aus PDS und WASG bei der Bundestagswahl die Stimme
zu geben, haben wir, wie die obigen Zitate deutlich machen, offen auf die
Gefahren hingewiesen. Die größte Gefahr bestand darin, dass der neue Schwung
der WASG, die sich u.a. aus der spontanen Massenbewegung gegen Hartz IV
gebildet hatte, durch ein Bündnis mit der bereits regierungserfahrenen PDS
erdrückt würde. Im Juli 2005 sagten wir: „Zudem ist die PDS fest gefügter und straffer geführt als die WASG. Und
sie hat mit ihren Regierungsbeteiligungen bereits gezeigt, dass sie, sobald sie
Macht hat, ihre eigenen Forderungen verrät. So geschieht es täglich in Berlin,
wo die PDS bei Entlassungen und sozialen und kulturellen Streichorgien
mitmacht.“ („Arbeit Zukunft“,
Nr. 4/05, S.4)
Die Realität gibt uns Recht. Mittlerweile treiben Gysi,
Lafontaine und Klaus Ernst die Vereinigung gegen alle Widerstände in der WASG
und gegen die damit verbundenen politischen Kritiken ungebremst voran.
Im WASG-newsletter vom 23.2.06 wird deutlich gesagt, dass es
in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ernsthaft Widerstand gegen einen
Zusammenschluss mit der PDS gibt.
Weiter wird offen erklärt, dass es in vielen zentralen Fragen
mit der PDS keine Einigung gibt: So „haben wir einen Teil der Dissense in
den Eckpunkten selbst kenntlich gemacht. Dazu zählen zum Beispiel die Fragen:
Ist die Forderung nach Vollbeschäftigung noch ein sinnvolles Ziel alternativer
Politik? Sollen wir über eine bedarfsorientierte Grundsicherung hinaus uns für
ein bedarfsunabhängiges Grundeinkommen für alle einsetzen? Wie weit muss neben
oder anstatt der Beitragsfinanzierung sozialer Sicherung eine Finanzierung
durch Steuern treten? Wie stellen wir uns zu internationalen Militäreinsätzen,
die im Auftrag und unter Kontrolle der Vereinten Nationen Frieden schaffen
sollen? Was können wir als Partei und wie ist das Verhältnis zwischen
außerparlamentarischer und parlamentarischer Ebene? Wie können Regierungsbeteiligungen
auf Landesebene den gemeinsamen Maßstäben linker Politik genügen?“
Sanft formuliert liegt in diesen Fragen erheblicher
Sprengstoff. So trat die WASG noch für ein bedarfsunabhängiges Grundeinkommen
ein, während die PDS eine bedarfsorientierte Grundsicherung will, was nichts
anderes bedeutet als ein verbessertes Arbeitslosengeld II. Zur Entlastung der
ach so arg gebeutelten Unternehmer, die ja auch in der PDS einen Platz haben,
möchte die PDS die Sozialversicherungen mehr aus Steuern finanzieren, statt das
Kapital wenigstens über die Beiträge zur Hälfte zur Finanzierung heranzuziehen.
Und in der PDS gibt es schon lange starke Kräfte, die sich für
Bundeswehreinsätze im Ausland unter der Schirmherrschaft der UNO aussprechen.
Nicht umsonst lobte der Linkspartei-Abgeordnete im Europa-Parlament André Brie
den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan: „Die Truppe macht eine sehr gute und
verantwortungsvolle Arbeit. So weit ich das einschätzen kann, wird das
Engagement vor Ort als ehrlich akzeptiert.“ (siehe „Arbeit Zukunft“, 6/05,
S.10 oder http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/401)
Und Regierungsbeteiligungen wie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern machen
deutlich, dass die PDS dort brav die Forderungen des Kapitals erfüllt und bei
Kürzungen und Sozialabbau mitmacht.
Trotzdem will die WASG-Führung um jeden Preis mit der
Linkspartei/PDS zusammen kommen.
Schon seit längerer Zeit kämpft die WASG-Führung gegen
Landesverbände wie in Berlin, die sich quer stellen. Zu Recht wirft der
Landesverband Berlin der PDS, die Berlin mitregiert, vor diese unterstütze eine
„neoliberale“ Politik, sie stehe „auf der anderen Seite“,
betätige sich als „Tarifbrecher“ und Vollstrecker der Agenda 2010. Am
25. Februar hat deshalb die WASG Berlin beschlossen, bei der Landtagswahl am
17. September gegen die Linkspartei anzutreten.
Klaus Ernst, einer der führenden Köpfe der WASG, hatte
bereits im November 2005 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung
(28.11.05) gedroht:
„SZ: Die Berliner WASG hat Ihr Werben für eine Fusion mit
der Linkspartei mit höhnischem Lachen quittiert, auch in zwei anderen Ländern
stoßen Sie auf Widerstand. Droht die Fusion zu scheitern?
ERNST: Nein, wegen dieser Vorgänge wird unser Projekt
sicher nicht scheitern. Richtig ist aber, dass es erhebliche Probleme wegen der
Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Berlin und Schwerin gibt. Viele
unserer Leute dort wollen diese Koalitionen wegen ihres Sparkurses nicht akzeptieren.
….
SZ: Sie haben bereits von einer drohenden Spaltung
gesprochen, andere drohten mit dem Ausschluss der Berliner WASG.
ERNST: Ich selbst habe nie von einem Ausschluss
gesprochen. Allerdings hat der Vorstand den Auftrag, Entscheidungen der
Bundespartei umzusetzen. In einer Urabstimmung wurde klar beschlossen,
ergebnisoffen über ein gemeinsames Linksbündnis zu verhandeln. Wenn wegen eines
Landesverbandes das Erreichen dieses Zieles nicht mehr möglich wäre, müsste der
Vorstand eingreifen.
SZ: Das klingt aber doch nach einer drohenden Spaltung?
ERNST: Zu einer Spaltung käme es natürlich, wenn die
einen sagen, sie wollen mit der Linkspartei, und die anderen wollen nicht – und
beide an dieser Position festhalten. Aber das ist doch noch hypothetisch.“
Was damals hypothetisch war, ist mittlerweile Realität.
Trotz Druck und Drohung ist der Berliner Landesverband der WASG standhaft
geblieben.
Der Vorsitzende der Linkspartei/PDS, Lothar Bisky forderte
die WASG auf, ihre „Zeit nicht mit Selbstbeschäftigung zu verplempern“. Er will
eine „linke Patchwork-Familie“ (SZ, 31.1.06), in der Menschen die gegen
Sozialabbau und Entlassungen kämpfen mit Leuten vereint sind, die in ihrer
Regierungsbeteiligung für Massenentlassungen und Sozialabbau sorgen. So etwas
nennt Bisky eine „starke soziale Opposition“!
Bodo Ramelow, der Fusionsbeauftragte der Linkspartei/PDS,
nannte die Lage in der WASG „ausgesprochen ärgerlich“ und verlangte „eine
Klärung“. Da die Entscheidungen der Berliner WASG aber satzungsgemäß und
demokratisch gefällt wurden, will er dies mit einem Trick umgehen. Er verlangte
eine Urabstimmung in der gesamten WASG, um die demokratischen Entscheidungen
einzelner Landesverbände auszuhebeln. Man erhält da bereits einen Vorgeschmack,
wie demokratisch es in der vereinigten Linkspartei zugehen wird. Und damit auch
die Diskussionskultur schon einmal deutlich wird, beschimpft Ramelow die
Andersdenkenden als Leute, die ihr „Ein-Prozent-Hinterzimmer“ nicht verlassen
wollten. Das beliebte Tot-Schlagwort „Sektierer“ macht die Runde.
Doch Ramelow, Bisky und Ernst mögen schimpfen, toben und
drohen, die politischen Widersprüche in der „linken Patchwork-Familie“
verschwinden dadurch nicht. Im Gegenteil! Mit zunehmendem Sozialabbau und
steigender Arbeitslosigkeit werden die sozialen Widersprüche in dieser
Gesellschaft und damit auch die Widersprüche in der Linkspartei, die Opposition
gegen eine Beteiligung an diesem System steigen. Wir stehen dabei auf der Seite
derjenigen, die ernsthaft gegen das Kapital kämpfen wollen.
ernst