Chile: Die Alternative ist noch aufzubauen

“Man
hofft, dass sie ihre Vergangenheit nicht vergessen wird.“ Mit diesen ziemlich
ernüchterten Worten hat ein chilenischer Freund, ehemaliger politischer
Flüchtling, den Sieg der Sozialistin Michelle Bachelet am 15. Januar bei der
chilenischen Präsidentschaftswahl kommentiert. Chile ist nicht das Venezuela
von Chavez, und wenn der Wind  des
Protests gegen den Neoliberalismus auch hier bläst, dann nicht in den Etagen,
die das Land seit den 90er Jahren führen, seit dem „Übergang“, der drei
Regierungen der „Verständigung“ hat aufeinander folgen sehen, in denen
Sozialisten und Zentristen, alte Parteigänger des Pinochet-Regimes, sich
bemühten, Opfer und Henker zu „versöhnen“, indem sie letzteren quasi eine
Straffreiheit garantierten. Auf wirtschaftlichem Gebiet behielten sie den Kurs
des Neoliberalismus bei, dessen Versuchslabor Chile unter dem Stiefel der
Militärs und der Leitung der „Chicago Boys“ war .Diese Politik wurde
fortgesetzt und machte die privilegierten Schichten reicher, die 20% der
Gesellschaft ausmachen und mehr als die Hälfte des Reichtums des Landes in
Händen halten, und verschärfte die Not der Volksmassen. Drei Millionen Personen
(von 15 Millionen Einwohnern) leben mit weniger als 2 $ am Tag.

Das
Argument für die Wahl des kleineren Übels hat der Person genutzt, die
Gesundheits- und Verteidigungsministerin in der vorherigen Regierung Lagos war.
Sie zehrt von einer persönlichen Popularität infolge ihrer Vergangenheit (ihr
Vater, Luftwaffengeneral, war von der Diktatur gefoltert und getötet worden und
sie selbst festgenommen und gefoltert) und weil sie eine Frau ist – in einem
Land, wo das Machotum sehr stark ist – welche die Tatsache ihres Atheismus zur
Schau stellt – in einem Land, in dem die katholische Religion einen sehr
starken Einfluss hat…

Das
Wahlsystem lässt beim 2. Wahlgang nur zwei Kandidaten zu. Die zwei rechten
Parteien, die ehemalige Pinochet-Partei und die etwas modernere Rechte, von
einem Unternehmer vertreten, schlossen sich beim 2. Wahlgang zusammen. Michelle
Bachelet, die einen sehr klaren Sieg davongetragen hat, kann im Übrigen auf die
Mehrheit zählen, welche die Parteien der regierenden Koalition im Parlament und
Senat gewonnen haben.

 

Die radikale Linke beachtlich hoch
abgeschnitten

 

Der
Sieg dieser reformistischen Linken, die in das neoliberale Weltsystem
eingebunden ist, kann nicht verbergen, dass sich ein linker Pol behaupten
konnte, der sich in einem Bündnis „Juntos, podemos mas“ (gemeinsam können wir
mehr gewinnen) zusammengeschlossen hat, das mit progressiven Themen, Themen des
Bruchs mit der neoliberalen Politik, Kampagne macht. Es verbindet konkrete
soziale und ökonomische Themen mit politischen Forderungen, insbesondere der
nach der Aufhebung aller Amnestierungen, von denen die militärisch, politisch
und wirtschaftlich Verantwortlichen der Diktatur nutzen ziehen. Im ersten
Wahlgang haben die Kandidaten des Bündnisses, die zur Wahl der Abgeordneten und
Senatoren antraten, fast 9% der Stimmen erhalten, die sie bekamen, indem sie in
den Vierteln des Volkes „von Tür zu Tür
gingen, wie es die Kommunistische Partei – Proletarische Aktion (PC-AP) , die
Mitglied des Bündnisses ist, ausdrückt. Das ist ein beachtliches Ergebnis
angesichts der verschärften Bipolarisierung durch das Wahlsystem und den quasi
vollständigen Boykott der Aktionen und der Positionen von „Podemos“.

Der
zweite Wahlgang hat die Meinungsverschiedenheiten zwischen der radikalen
Komponente dieses Bündnisses und der chilenischen KP, die sich nicht entblöden
konnte, zur Wahl von Bachelet aufzurufen, zugespitzt. Man kann sich unschwer
die vorgebrachten „Argumente“ vorstellen. Die chilenische KP ist für den Bruch
dieser Front verantwortlich, ohne auch nur das mindeste Zugeständnis seitens
der sozialistischen Kandidatin zu nennenswerten Maßnahmen zugunsten der Masse
des Volks erhalten zu haben.

Die
Kräfte, welche beim 2. Wahlgang zum Wahlboykott aufgerufen haben, darunter die
PC-AP, unterstreichen die Notwendigkeit, sich als klare Alternative zu den
neoliberalen und sozialliberalen Kräften, welche das politische Leben des
Landes beherrschen, zu präsentieren. Sie unterstreichen insbesondere die
Radikalisierung der unteren Volksschichten, wichtiger Teile der Jugend, die
sich in den letzten Monaten gezeigt hat, besonders beim Besuch Bushs, während
der gewaltigen Demonstrationen wegen der Wohnungsfrage, die Kämpfe der kleinen
Fischer, die Protestbewegungen gegen die Umweltverschmutzung usw. In diesen
Mobilisierungen beginnen die Jugendlichen, die nicht die Jahre der Diktatur
kennen gelernt haben und die man als „apathisch“ und politisch „indifferent“
bezeichnete, sich zu politisieren.

Diese
Jugend, die nur die Führung durch die Sozialliberalen kennen gelernt hat, ist
sensibel für den Wind der Mobilisierung der Völker, der heute den Kontinent
durchweht. Diese Situation stellt die Parteien der Linken, die mit dem
Neoliberalismus und seiner sozialliberalen Variante brechen wollen, vor eine
große Herausforderung; sie brauchen unsere Solidarität und die der Parteien und
Organisationen der Arbeiter und der Völker, die an diesem Kampf teilnehmen,
insbesondere in Lateinamerika und der Karibik.

(La
Forge, Nr. 460, Ausgabe Februar 2006, Zeitung der
Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF))