Solidarität mit den Streikenden im öffentlichen Dienst!

Der von ver.di geführte Streik im öffentlichen Dienst
breitet sich weiter aus!. Über 20.0000 Kolleginnen in acht Bundesländern sind
beteiligt. Zuletzt lagen die Schwerpunkte des Streiks in Baden-Württemberg,
Niedersachsen und Hamburg.

Drei Wochen nach Beginn der Aktionen ist noch keine Lösung
in Sicht. CDU-Politiker befürchten bereits die Fortsetzung der Streiks bis zu
den Landtagswahlen am 26. März. Das muss sie schrecken, denn Berichte von
Streikenden belegen Solidarität und Wohlwollen gegenüber den Streiks in breiten
Teilen der Bevölkerung. Selbst der arbeitnehmerfeindliche Spiegel räumte eine
48%ige Unterstützung des Streiks bei einer Meinungsumfrage von TNS Infratest
ein, was nicht wenig ist! Auch ver.di-Chef Bsirske betonte in einem Gespräch
mit dem Fernsehsender N24 die positiven, verständnisvollen Reaktionen der
Bürgerinnen und Bürger.

Er rechnete mit einer lang andauernden Auseinandersetzung
und betonte, dass die Streikkasse gut gefüllt sei und für viele Wochen Streik
ausreiche. Es werde gestreikt, bis die Arbeitgeber einsähen, dass sie den
Beschäftigten nicht einfach befehlen könnten, wie lange gearbeitet werde, so
Bsirske.
Der Stuttgarter ver.di Geschäftsführer Bernd
Riexinger betonte: „Mit uns gibt es keine Arbeitszeitverlängerung auch nur
um eine einzige Minute. Sonst werden im öffentlichen Dienst hunderte von
Stellen abgebaut.“

 

Defensive Ziele!

 

Das Ziel der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist die
Verteidigung der 38,5-Stunden- Woche im kommunalen Bereich und die Übernahme
des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVÖD) für die Beschäftigen der
Länder. Darüber wird inzwischen immerhin wieder verhandelt. Die Gespräche in
Stuttgart wurden am Donnerstag, dem 22.Februar 2006, allerdings ergebnislos auf
Montag, den 27. Februar, vertagt. Sollten diese Gespräche scheitern, will
ver.di den Arbeitskampf im Südwesten erneut ausweiten.

Auch in Hamburg sollen die Gespräche zwischen ver.di und der
Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH), in der die öffentlichen
Unternehmen zusammengeschlossen sind, erst in den nächsten Tagen fortgesetzt
werden.

Die Streikenden kämpfen an zwei Fronten. Die Gewerkschaft
muss und will in der Auseinandersetzung mit den kommunalen Arbeitgebern Arbeitszeitverlängerungen
verhindern. Bei der von den Arbeitgebern geforderten Wiedereinführung der
40-Stunden-Woche befürchtet sie den Wegfall von bundesweit 250.000 Stellen.

Im Konflikt mit den Ländern dagegen geht es ver.di um die
Übernahme eines für Bund und Kommunen bereits geltenden Tarifvertrags. Die
Länder wollen die Arbeitszeiten natürlich auch verlängern und möglichst beim
Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzen.

 

Die Arbeitgeber versuchen die Streikfront zu sprengen!

 

Die Arbeitgeber versuchen inzwischen, den Druck auf die streikenden
Kolleginnen und Kollegen zu erhöhen. Sie spekulieren in ihrer
Anti-Streik-Propaganda, die nach und nach auch die Form einer ziemlichen Hetze
annimmt, vor allem darauf, dass sie Empörung über wachsende Müllberge wecken
können. Diese sind freilich unübersehbar, weil besonders bei der kommunalen
Müllentsorgung die Streikfront sehr gut steht.

Außerdem versuchen sie, die Verteidigung der
38,5-Stundenwoche zu verunglimpfen, indem sie die rechnerischen18 Minuten
unbezahlter Mehrarbeit pro Tag bei einer 40-Stundenwoche lächerlich machen. ver.di
verweist dagegen richtigerweise darauf, dass das auf ein Jahr gesehen zwei
zusätzliche Arbeitswochen ohne einen Cent Lohn sind.

Allerdings machen die Arbeitgeber sich nur selber
lächerlich, liegen doch schon längst Stelleneinsparpläne vor, in denen sie
durchrechnen, wie viele Stellen bei einer 40-Stundenwoche eingespart werden
können. Der Stuttgarter Gemeinderat entblödete sich am 23. Februar 2006 nicht,
in einem Beschluss, mit dem die Streikenden der Müllabfuhr unter Druck gesetzt
werden sollen, festzulegen, dass „die Verlängerung der Arbeitszeit nicht
eins zu eins in Stelleneinsparungen umgesetzt“
werde. Also ist klar, dass
sie in Stelleneinsparungen umgesetzt wird, wenn auch (vielleicht) nicht eins zu
eins.

Aber sie setzen zunehmend auch auf Streikbruch! Überall wird
angedroht, den sich auf Grund des Streiks stapelnden Müll durch Streikbrecher
entfernen zu lassen. Hierzu werden sogar Ein-Euro-Jobber herangezogen, wie
jüngst in Karlsruhe und Hamburg aufflog. In Freiburg ließ Oberbürgermeister
Salomon (B.90/Grüne!) Leiharbeiter heranziehen! Der Bundesverband der Deutschen
Entsorgungswirtschaft (BDE) bietet den bestreikten Kommunen Streikbruchhilfe
an. BDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Harmening sagte, private
Entsorgungsunternehmen stünden bereit, um bei der Müllentsorgung
Streikbrucharbeiten zu übernehmen. Er schlug passenderweise vor, über eine
weitergehende Privatisierung der Abfallwirtschaft nachzudenken. Der Grund für
diese Spekulation: So könnten die Tarifverträge in diesem Bereich geknackt
werden.

Die Stadt Stuttgart droht ultimativ, Streikbrecher
einzusetzen, wenn ver.di nicht in einer „erweiterten Notdienstvereinbarung“ bis
Rosenmontag 10:00 Uhr dem Einsatz von 50% der Müllentsorgungsfahrzeuge
zustimme. In dem bereits zitierten Beschluss vom 23. Februar fordern
Oberbürgermeister Schuster, die CDU, Bündnis90/die Grünen, die freien Wähler,
FDP und Republikaner:

“… dass bei der Entsorgung des Bio- und Restmülls Dritte
bzw. Dienstleister zum Einsatz kommen, sollte sich der Streik auch in der
kommenden Woche fortsetzen und keine ausgeweitete funktionierende Vereinbarung
zwischen Abfallwirtschaft und ver.di getroffen werden.“
(Quelle: http://stuttgart.de/sde/menu/frame/ns_top_11021.htm
)

 

Solidarität mit den Streikenden dringend notwendig!

 

Die Streikaktionen von ver.di im öffentlichen Dienst der
Länder und Kommunen haben zentrale Bedeutung für die gesamte Gesellschaft, auch
wenn sie im Kern defensiv sind und ihr Hauptanliegen die Verteidigung der
bisher erreichten Arbeitzeitverkürzung im öffentlichen Bereich ist. Denn hier
wird ein Angriff zurückgeschlagen, der sonst in alle anderen Bereiche der der
Gesellschaft weiter getragen wird. Es ist ein Kampf gegen die „Deregulierung“,
also die Abschaffung immer weiterer erkämpfter Rechte der arbeitenden und
erwerbslosen Menschen in der gesamten Gesellschaft. Dessen werden sich auch
immer mehr Kolleg/innen bewusst! Daher auch die große Sympathie für diesen
Streik.

Es ist tatsächlich ein Kampf an zahlreichen Fronten gegen
die Arbeitszeitverlängerung. Längst verlangen die öffentlichen Arbeitgeber bei
den Beamten Arbeitswochen je nach Bundesland von bis zu 42-Stunden.
Neueinstellungen werden in immer mehr Bereichen nur noch befristet
durchgeführt. Spätestens bei einer Entfristung kommt die Erpressung mit der
40-Stundenwoche. So sollen auch die Angestelltenbereiche gefügig gemacht
werden.

Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), der
niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) forderte zur Lösung des
Konfliktes die Einführung einer Öffnungsklausel. Jedes Land solle die
Möglichkeit haben, beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie bei der Arbeitszeit
unterschiedliche Regelungen zu treffen, sagte der CDU-Politiker der Neuen
Osnabrücker Zeitung. Er schlägt also einen Tarifvertrag vor, der zu nichts mehr
verpflichtet!

Eine solche Lösung des Tarifkonfliktes muss verhindert
werden.

Die Verantwortung liegt bei den Arbeitgebern der Kommunen
und der Länder! Sie handeln verantwortungslos. Sie haben ihre Angriffe und
Provokationen einzustellen und auf die 40-Stundenwoche zu verzichten. Wenn sie
auf leere Kassen bei Ländern und Kommunen verweisen, dann verweisen wir,
verweisen die Streikenden und alle ihre Unterstützer darauf, dass die
Verantwortlichen diesen Zustand selbst 
aktiv herbeigeführt haben durch ihre Politik der Steuerentlastungen und
Steuerstreichungen für das  Kapital und
die Reichen.

Die Arbeitgeber, die Stadträte und die Landesregierungen,
aber auch die Vertreter der Kapitalisten – sie müssen zum Adressaten unserer
Proteste werden, nicht die Streikenden Kolleg/innen und Kollegen.

Hierzu bedarf es der Solidarität aller Gewerkschaften, aller
Kolleg/innen und Kollegen. Die kommende Tarifrunde der IG Metall bietet dazu
jede Menge Möglichkeiten. Gehen wir gemeinsam auf die Straßen, streiken wir
gemeinsam.

Leisten wir Aufklärungsarbeiten unter Leiharbeiter/innen und
auf den Agenturen für Arbeit, wo „Ein-Euro-Jobs“ vergeben werden.

Indymedia (http://indymedia.org/2006/02/139738.shtml)
dokumentiert ein Beispiel, wie das „Bündnis gegen 1-Euro-Jobs“ in Hamburg gegen
Streikbrecherarbeit vorging und die Zusage einer Firma namens „Beschäftigung
und Bildung“ erreichte, auf den künftigen Einsatz von Ein-Euro-Jobbern zum
Streikbruch zu verzichten. Gute Aktion!

ft

Kommentar: So nicht, Herr Bsirske!

Der Streik im öffentlichen Dienst ist in Schwung. Die
Kampfkraft ist groß. Die Kolleginnen und Kollegen wollen nach Jahren des
ständigen Rückschritts endlich mal Stopp zu weiterem Lohnabbau,
Arbeitszeitverlängerung und Arbeitsplatzvernichtung sagen. Sie haben Recht!

Klar ist, dass am Ende eines Kampfes ein Tarifvertrag stehen
soll. Es muss also zu einer Einigung kommen. Aber nicht unter Aufgabe der
Forderungen der Kolleginnen und Kollegen! Niemand hat das Recht über etwas
anderes zu verhandeln.

Doch in der ver.di-Führung wird bereits über einen
Kompromiss nachgedacht – ohne dass die Basis ein Wörtchen mitreden darf.
Ver.di-Chef Bsirske sagte jetzt laut „Spiegel online“: „An den
Uni-Kliniken in Baden-Württemberg hängt die Arbeitszeit schon jetzt vom Alter
der Beschäftigten ab. Jüngere Angestellte arbeiten länger als Ältere. Die
Arbeitgeber sollten über einen solchen Kompromiss sorgfältig nachdenken“
Niedersachsens Finanzminister Möllring antwortete umgehend: „Am
Verhandlungstisch können wir zum Beispiel über unterschiedliche Arbeitszeiten
nach Alter der Beschäftigten reden.“

Wie kommt Bsirske dazu, die Forderungen der Streikenden
öffentlich aufzugeben? Das ist ein grober Bruch der gewerkschaftlichen
Demokratie und eine Missachtung der Mitglieder! Da nützt es auch nichts, wenn
sich Bsirske gleichzeitig wortradikal gibt.

Wir fordern:

Keine Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst!

Die Gewerkschaftsbasis muss entscheiden!

dm