Tarifrunden der Metall- Elektro- und Textilindustrie sind
wichtige Ereignisse für die arbeitenden Menschen im Land. Die IG Metall-Führung
steht mit Forderungen von 4 bis fünf Prozent in den Startlöchern. Solche
Forderungen laufen auf die Verlängerung der Lohnverluste der letzten Jahre
hinaus. Kein Kollege, keine Kollegin glaubt, dass sie, wenn sie in dieser Höhe
beschlossen würden, jemals durchgesetzt werden. Sie würden kaum zum Ausgleich
der Inflationsverluste, geschweige denn der Reallohnverluste der letzten Jahre
führen. Deutschland ist das einzige Land der EU, das in der Lohnentwicklung
seit 1995 bis 2004 mit Minus 0,9 % ein Lohnminus ausweist!
Die Forderungen sind jedoch noch nicht beschlossen, noch
läuft innerhalb der IG Metall die Diskussion. Aber der Rahmen wird von Huber
und Peters bereits festgeklopft.
In Baden-Württemberg tagt am 19. Januar 2006 die große
Tarifkommission und wird offiziell die Forderungen dieses wichtigen
IG-Metallbezirks verabschieden.
Bereits Anfang Dezember 2005 hatte sie aber einen Rahmen von
4,5% bis 5% für die geforderte Erhöhung der Löhne und Ausbildungsvergütungen
vorgegeben.
Zudem fordert die IG Metall Baden-Württemberg, dass der
Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen, den die Arbeitgeber gekündigt
haben, wieder in Kraft gesetzt wird.
In Baden-Württemberg entwickelt sich außerdem eine besondere
Tarifauseinandersetzung. Die Kapitalseite hat hier den zum ERA-Paket gehörenden
Tarifvertrag über die so genannte Steinkühlerpause gekündigt. Diese Pause für
Leistungslöhner (Akkord- und Prämienlöhner) gibt es nur in
Nordwürttemberg-Nordbaden und gibt den betroffenen Kolleg/innen u. a. das Recht
auf 5 Minuten Pause pro Stunde. Sie gilt noch nicht einmal in ganz
Baden-Württemberg! In keinem anderen Tarifgebiet wurde die Errungenschaft je
durchgesetzt. Jetzt will das Kapital sie auch hier wieder loswerden.
Auf Grund dieser Lage erhebt die Große Tarifkommission in
Baden Württemberg auch die Forderung, dass der ERA-Tarifvertag über diese
Leistungspause wieder in Kraft gesetzt wird.
Das Gremium fordert in seinem Beschluss den Vorstand der IG
Metall auf, für diese Forderung die Solidarität zu organisieren.
Dieses Forderungspaket gibt in etwa auch den Rahmen für die
anderen Tarifgebiete in Deutschland vor.
Verteidigung der Steinkühlerpause!
Speziell die Forderung nach Verteidigung der
Steinkühlerpause aber wird Auseinandersetzungen innerhalb der IG-Metall-Führung
bringen. Sie werden sich festmachen an der Frage, welches Tarifgebiet zum
Pilotgebiet wird. Realistischerweise müsste Baden-Württemberg Kampfgebiet
werden, wenn es eine ernsthaft Chance für den Erhalt dieser Regelung geben
soll. Folgerichtig wird die Kapitalseite versuchen, die Auseinandersetzung von
Baden-Württemberg weg zu bekommen.
Man muss, wenn man diese Forderung richtig verstehen will,
auch die sehr komplizierte Begrifflichkeit kennen: Die Steinkühlerpause und
einige weiter Rechte, insbesondere bei der Besetzung von
Produktionsanlagen/Bändern sind 1973 im so genannten Lohnrahmentarifvertrag II
(abgekürzt LRTV II) geregelt worden. Deshalb tritt in diesem Zusammenhang immer
wieder dieses Kürzel auf.
Gekündigt wurde aber in Baden Württemberg der zum ERA-Paket
gehörige „Tarifvertrag zur Fortführung von Bestimmungen aus dem LRTV II“. Denn
den eigentlichen LRTV II gibt es seit ERA nicht mehr.
Besonders entlarvend für die Bezirksleitung
Baden-Württemberg der IG Metall ist die Tatsache, dass dieser Tarifvertrag als
einziger aus dem ERA-Paket bereits zu Ende 2005 kündbar ist. Alle anderen
ERA-Teile haben viel längere Laufzeiten. Trotzdem wurde das so unterschrieben.
Mit anderen Worten: Der Verdacht drängt sich auf, dass die IG-Metallführung bei
der Unterzeichnung der ERA-Verträge schon wusste, was in der Tarifrunde 2006
auf sie zukommen würde!
In der defensiven Situation der Arbeiter/innenklasse aktuell
in Deutschland ist es nicht allzu wahrscheinlich, dass die IG-Metall-Führung
eines anderen Tarifgebietes sich die Steinkühlerpause zur „Herzenssache“ macht.
Die einzig richtige Antwort geben die Vertrauensleute von
DaimlerChrysler (DC) in Bremen, die in der IG Metall zum Vorbild werden muss.
Sie fordern:
- „Kein
Abschluss im Bezirk Küste, bevor nicht die Kündigung des LRTV II in
Nordwürttemberg/Nordbaden zurückgenommen ist. - Steinkühlerpausen
(LRTV II-Bestimmungen) auch für uns!“
Dies ist eine vorbildliche Haltung in Zeiten, wo es Mode
ist, wichtige Rechte der arbeitenden zu verkaufen oder unter den Tisch fallen
zu lassen. Nur in einem offensiven Vorrangehen, wie es die Bremer Kolleg/innen
fordern, lässt sich die Leistungspause halten und ausweiten! So und nicht
anders müssen alle Tarifgebiete sich positionieren.
Auch ca. 100 Kollegen aus Baden Württemberg, speziell von
Porsche Stuttgart, John Deere Mannheim und DC-Stuttgart und Sindelfingen
demonstrierten am Rande der Tarifpolitischen Konferenz der IG Metall am 20. bis
22. Oktober 2005 in Mannheim für die Wiederinkraftsetzung der LRTV
II-Bestimmungen. Dies war eine wichtige Aktion, um das Problem allen Bezirken
klar zu machen.
Wie notwendig die Solidarität bei dieser Forderung ist,
sollen die Überlegungen deutlich machen, die die DC-Chrysler-Kollegin
Christa-Hourani im „Netzwerkinfo Gewerkschaftslinke 8/2005“ niederschrieb:
„Der Wegfall der Regelungen würde nicht nur die
Arbeitsbedingungen immens verschlechtern, die Gesundheit der Kolleg/innen
ruinieren, noch mehr in Frührente treiben, es würde auch der Arbeitstag um 8,6%
verlängert werden, was Tausende von Arbeitsplätzen (8000) vernichten würde.
Deshalb: Der LRTV II muss so erhalten bleiben, am besten auch auf andere
Tarifbezirke ausgedehnt werden. Bundesweite Solidarität ist notwendig!“
Die Auseinandersetzung um die Forderung ist noch nicht zu
Ende!
Man muss sich klarmachen, dass die dargestellte
Forderungslage in Baden-Württemberg bereits eine massive Zusammenstreichung der
Forderungen etlicher Vertrauenskörper darstellt.
Die Vertrauensleute beim traditionellen Kampfbetrieb Porsche
in Stuttgart hatten 7% gefordert.
Die DC-Vertrauensleute in Wörth hatten 9,5 %, mindestens 250
Euro, gefordert, die von Jungheinrich in Norderstedt (bei Hamburg) 11 % plus
einem Sockelbetrag von 200 Euro.
Die bereits erwähnten Vertrauensleute von DC Bremen
forderten ein Festgeld von 300 Euro.
Man sieht, dass klassenkämpferische, klassenbewusste
Kolleg/innen hier starke Akzente setzen wollten.
Schon die Funktionärskonferenz der Verwaltungsstelle der IG
Metall Stuttgart stutze alles zusammen auf eine Forderung von 5,5 %.
In der Tarifkommission Baden-Württemberg wurde dann 4,5 bis
5 % daraus.
Noch ist die Diskussion aber nicht beendet. Erst am 19.
Januar wird die große Tarifkommission Baden Württemberg, in ähnlichem
Zeitrahmen sicherlich auch andere Tarifbezirke, Beschluss fassen über die
Forderungen! Erst danach wird der Hauptvorstand sich festlegen.
Der Kampf um die Forderungen ist also keineswegs beendet.
Hier können Vertrauenskörper noch deutlich ihre Meinung sagen, indem sie ihre
Forderungen beschließen und an ihre Ortsverwaltungen, Bezirksleitungen und an
die Mitglieder ihrer großen Tarifkommissionen weiterleiten
Die klassenkämpferischen Kolleginnen und Kollegen müssen
sich im Klaren sein, dass die Co-Manager-Fraktion in der IG Metall auch nicht
untätig bleibt.
Unter den kämpferischen Kolleg/innen wird eine weitere
wichtige Forderung erhoben: Kündigung des Pforzheimer Tarifvertrages von 2004!
So zum Beispiel die kämpferischen Vertrauensleute bei DC Wörth.
Der Pforzheimer Tarifvertrag beendete die Tarifrunde 2004
und enthält eine kaum überschaubare Zahl von Öffnungsklauseln für die
Arbeitszeit bis hin zur Möglichkeit für „die Tarifparteien“, von geltenden
Tarifverträgen abweichende betriebliche Regelungen zur so genannten
Arbeitplatzsicherung und -entwicklung abzuschließen. Ein unkalkulierbares
Einfallstor für den Weg zurück zur 40 Stundenwoche!
Hier ist es wichtig, dass auf der bereits erwähnten
Tarifpolitischen Konferenz der IG Metall im Oktober 2005 in Mannheim kein
geringerer als Berthold Huber, der 2. Vorsitzende der IG Metall diesen
Tarifvertrag offensiv verteidigte (nachzulesen: Berthold Huber und andere:
„Tarifpolitik ist Betriebspolitik, Betriebspolitik ist Tarifpolitik“ WSI
Mitteilungen 11/2005).
Huber argumentiert, es gehe unter den gegenwärtigen
Bedingungen eben gar nicht anders, als dass die Tarifpolitik sich immer stärker
an den einzelnen Betrieben orientiert, deshalb sei, bei aller Kritik, der
Pforzheimer Tarifvertrag genau der richtige Weg, der diesen Prozess der
Verbetrieblichung der Tarifpolitik korrekt begleite. Die IG Metall auf dem Weg
in ein Föderation von Betriebsgewerkschaften? Man kann den Eindruck gewinnen!
Natürlich ist dieser Diskussionsbeitrag Hubers in jedem Fall
lesenswert, enthält er doch zu vielen Einzelfragen kenntnisreiche Analysen.
Aber weist er den weg in die Verteidigung und Ausweitung der erkämpften, der
erstrittenen Standards? Nein, er weist den Weg der Anpassung an die Forderungen
des Kapitals. Diese sind im Kern für Huber nicht abweisbar!
Es
heißt also für alle klassenkämpferischen, klassenbewussten Kollegen:
Standhalten gegen diese Tendenz! Die eigenen Forderungen nach Lohnerhöhung,
Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Erhalt und Ausweitung der LRTV II-
Bestimmungen), Verteidigung der 35-Stundenwoche, weitere Arbeitszeitverkürzung!
offensiv und gemeinsam vertreten!
Aus
alledem ergeben sich Grundsätze für das Vorgehen der klassenkämpferischen
Kräfte in der Gewerkschaft, die wir in Form von Forderungen zusammengestellt
haben:
Kündigung
des Pforzheimer Tarifvertrages!
Wir
fordern Lohnerhöhungen von 5,5% an aufwärts!
Erhalt
der LRTV-II-Bestimmungen und ihre Ausweitung auf Bundesebene! Die Steinkühlerpause muss bleiben!
Keine
Zugeständnisse bei der Arbeitszeit! Kein Hereinziehen von Arbeitszeitfragen in
die Tarifrunde!
Laufzeit
von maximal einem Jahr!
Es kann
keinen Zweifel geben, dass ein auch nur halbwegs akzeptabler Abschluss nicht am
grünen Tisch zu Stande kommt. Deshalb fordern wir gemeinsam Urabstimmung und
Streik!
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