„Du bist Deutschland!“-Kampagne hat historisches Vorbild

Millionenfache Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Arbeitslosengeld
2, katastrophale Bildungssituation belegt durch die Pisa-Studien, Milliarden
Euro für Militäreinsätze im Ausland, Rentenkürzungen durch Nullrunden, Abbau im
Gesundheitswesen und so weiter und so fort.

Doch Du sollst stolz auf Deutschland sein! Das ist der
Gehalt der derzeitigen großen Propagandakampagne! Vergiss die Probleme, betäube
Dich mit Nationalstolz! Bilde Dir ein Du bist Michael Schumacher, Albert
Einstein oder Beate Uhse statt ein Arbeitslosengeld 2-Bezieher, der sich mit
345 Euro im Monat durchkämpft und nie wieder eine Aussicht auf eine reguläre
Arbeitsstelle, auf ein Auskommen in Würde hat. Berausche Dich an Deutschlands Größe
– auch wenn Du davon gar nichts hast.

Die Kampagnenmacher schreiben in ihrem Manifest:

„Unsere Zeit schmeckt nicht nach Zuckerwatte. Das will
niemand behaupten. Mag sein, du stehst mit dem Rücken zur Wand oder dem Gesicht
vor einer Mauer…. Wir sind 82 Millionen. Machen wir uns die Hände schmutzig.
Du bist die Hand.“

Also: Mach Dir nichts draus, dass Du mit dem Rücken zur Wand
stehst. Sei einfach stolz. Sie fordern:

„Wie wäre es, wenn Du Dich mal wieder selbst anfeuerst?
Gib nicht nur auf der Autobahn Gas. Geh runter von der Bremse.“

Man soll also alles hergeben für ein Land, in dem man mit
dem Rücken zur Wand steht. Man soll aber nicht fragen, wer einen da an die Wand
drückt! Und für die Macher ist klar: „Du bist die Hand.“ Der Kopf sind andere!
Du darfst dir die Hände schmutzig machen – und andere werden dadurch reich und
haben saubere Hände!

Wie sagte doch schon Porsche-Chef Wiedeking in einem
Interview am 19.12.04 in „Sonntag Aktuell“: „Nur patriotische Mitmenschen sind
bereit, Opfer zu bringen…“
(siehe auch den Artikel von „Arbeit Zukunft“ http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/257)

Daher hat die „Du bist Deutschland!“-Kampagne auch ein
historisches Vorbild. Denn es gab schon einmal eine Zeit, in der man „Opfer für
Deutschland“ bringen sollte und sich als willige Hand für das „große Werk“ zur
Verfügung stellen sollte.
Nazi-Vorbild

In dieser Zeit gab es bereits eine „Denn Du bist Deutschland!“-Kampagne.
Das Foto wurde 1935 in Ulm aufgenommen. (Quelle: Stadtarchiv Ludwigshafen
(Hrsg): Ludwigshafen. Ein Jahrhundert in Bildern, Weinheim 1999, S. 105, ISBN
3-924667-29-2)

Die heutige „Du bist Deutschland!“-Kampagne sah sich bereits
gezwungen dazu Stellung zu nehmen. Auf ihren Internet-Seiten veröffentlichten
sie eine dpa-Meldung vom 25.11.05:

„Historiker sehen «Du-bist-Deutschland»-Slogan nicht als
belastet

Historiker sehen den Slogan der Medien-Kampagne «Du bist
Deutschland» nicht durch eine Ähnlichkeit zu einer Nazi-Parole aus den 30er
Jahren belastet. Ein historisches Foto einer Nazi-Kundgebung, bei der ein
Spruchband mit den Worten «Denn Du bist Deutschland» zu sehen ist, halte er für
eine «zufällige Analogie», so der renommierte deutsche Historiker Prof.
Wolfgang Mommsen. Auch der Nationalsozialismus-Experte Prof. Hans- Ulrich Wehler
wendet sich nicht gegen die Verwendung des Slogans.“

Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn nicht nur im Slogan,
auch in den Inhalten gleichen sich die Kampagnen. Im Manifest der
Du-bist-Deutschland-Kampagne steht zum Schluss:

„Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht
über ihn, sondern biete ihm Deine Hilfe an. Bringe die beste Leistung zu der Du
fähig bist. …“

In frappierend ähnlicher Weise meinte Propagandaminister
Joseph Goebbels (18.11.1934 zum ‚Reichspressetag des Reichsverbandes der
Deutschen Presse.'(aus Goebbels Reden 1932-45,
Hrg.: Helmut Heiber 1971/72 Droste-Verlag)):

„Zukunftsträchtiges muss die Presse aufspüren, muss dafür ein offenes Ohr
haben. Die Presse soll nicht kritikastern, sondern die Presse soll anregen,
mithelfen. Soll Ratschläge geben, soll der Regierung zur Seite treten und soll mit
dem Volke reden in seiner Sprache ….“

Und diese inhaltliche Übereinstimmung ist keine zufällige
Analogie, wie die renommierten Professoren so rasch verkünden. Denn das Kapital
hat in Krisenzeiten schon immer auf stumpfen Nationalismus und Chauvinismus
gesetzt. In Krisenzeiten hieß es schon immer, halt den Mund, kritisiere nicht,
sondern schufte, mach dir die Hände schmutzig! In diesem Geiste stehen beide
Kampagnen. Den Herrschenden wäre es nur Recht, wenn die Menschen dem weisen Rat
der Kampagnenmacher folgen würden: „Meckere nicht…“ Sie sollen den Mund halten,
wenn ihnen nun von einer großen Koalition wie zuvor unter Kohl und Schröder das
Fell über die Ohren gezogen wird. Sie sollen den Mund halten, wenn Deutschland
am Hindukusch verteidigt wird und deutsche Soldaten dort für Großmachtinteressen
sterben und töten. Sie sollen den Mund halten, wenn Telekom, Siemens, VW, Opel
und all die anderen Konzerne tagtäglich neue Entlassungen ankündigen,
Lohnkürzungen verlangen, Arbeitszeitverlängerung einfordern. Sie sind ja nur
die Hand. Und sie sollen sich die Hände schmutzig machen.

Machen wir ihnen einen Strich durch die Rechnung! Ja, hören
wir auf nur zu meckern! Kämpfen wir! Nutzen wir unseren Kopf und unsere Hände,
schließen wir uns, unsere Hände und Köpfe zusammen, um dieses menschenfeindliche
System und seinen blinden Nationalismus zu beseitigen!

ernst

Leserbrief
Liebe Genossen!
Schön und interessant dieser Artikel! Es bedrückt mich nur, wenn da
geschrieben wird: „Machen wir ihnen einen Strich durch die Rechnung!
Ja, hören wir auf nur zu meckern! Kämpfen wir! Nutzen wir unseren Kopf
und unsere Hände, schließen wir uns, unsere Hände und Köpfe zusammen,
um dieses menschenfeindliche System und seinen blinden Nationalismus zu
beseitigen!“
Solange nicht einfache Menschen damit beginnen, darüber zu reden, zu
organisieren und zu handeln, wie o.g. zu realisieren, solange wird gar
nix! Wenn du echt glaubst, dass bei einem, den Du oder ich kenne der
ernsthafte Wille da wäre aufeinander zugehen zu wollen, dann sag es!
Ich für mich behaupte, dass ich für die Sache alles andere
zurückstellen würde. Zugegeben „für die Sache“ muss man auch bereit
sein Fehler einzugestehen oder sich unterzuordnen. Wenn wir uns auch in
einer „Spaßgesellschaft“ befinden, aber mit Spaß hat das ja alles
nichts mehr zu tun! Die Kiste ist so verfahren, dass offensichtlich
solche Nachkommen von Hitler mit all den Demagogen bald ein leichtes
Spiel haben werden, die „Welt zu verändern“ – nur, dass wollen wir doch
wohl so nicht???!
Lothar