Voraussichtlich Mitte September wird es zu einer
vorgezogenen Bundestagswahl kommen. Nachdem sie sämtliche Landtagswahlen der
letzten Zeit verloren hat, ist die SPD-Grünen-Regierung am Ende. Aber egal wer
gewinnt, das Kapital hat die Zügel in der Hand. Laut Meinungsumfragen erwarten
fast 70% der Bevölkerung von einem Regierungswechsel keine wirklichen
Veränderungen. Sie haben Recht.
Tatsächlich steht das Kapital über jeder Regierung. Es hat
mehr Macht! Mit seinen Entscheidungen über Produktionsstandorte, Entlassungen,
Verkäufe, Zusammenschlüsse, Stilllegungen usw. hat es mehr Einfluss auf das
Leben der Menschen als Bundesregierung und alle Landesregierungen zusammen.
Real muss sich jede Regierung dem Kapital beugen. Allein die enorme
Staatsverschuldung ist ein offenkundiger Beweis, dass es sich keine Regierung
mehr leisten kann, sich mit dem Kapital anzulegen. Sie braucht ja neue Kredite,
um weiterwursteln zu können.
In der Regel aber sind die Regierungen nicht
gezwungenermaßen sondern gern dem Kapital zu Diensten. Viele Minister und
Staatssekretäre kommen aus der Wirtschaft oder wechseln nach Verlust ihres
Amtes auf einen gut bezahlten Posten in die Wirtschaft. Auch im Herbst werden
wir zusehen können, wie sich mancher „Ehemalige“ ein warmes Plätzchen in der
Industrie oder bei den Banken sucht und umgekehrt Vertreter von Industrie,
Banken und Wirtschaftsverbänden einen neuen Platz im Regierungsapparat finden.
Die Verbindungen sind sehr eng und freundschaftlich. Nicht umsonst sah sich
Gerhard Schröder gern als der „Genosse der Bosse“. Über die zahllosen
Verbindungen von CDU/CSU und FDP zur Wirtschaft braucht man kaum zu reden. Sie
sind bekannt.
Darüber hinaus hat die Wirtschaft über Lobbyisten, Büros,
Beraterverträge usw. einen ständigen Einfluss auf die Politik.
Dem Kapital muss daher vor dem Wahlergebnis im Herbst nicht
bange sein. Egal wer gewinnt, es behält die Zügel in der Hand.
Die Arbeiterklasse und alle anderen Schichten des Volkes
können sich schon jetzt an allen fünf Fingern ausrechnen, dass nach den Wahlen
das Zahlen kommen wird. Jede neue Regierung wird, nachdem durch Milliarden Euro
Steuergeschenke für die Reichen das Staatsdefizit immense Ausmaße erreicht hat,
radikal kürzen und streichen müssen. Derzeit kursieren Zahlen von einem
Haushaltsloch von 20 Milliarden oder mehr Euro in diesem Jahr. Die
Rentenversicherung ist fast pleite. Die Krankenversicherungen denken bereits
über Beitragserhöhungen nach.
Die nächste Kürzungsrunde steht also an. Und wo wird
gekürzt? Natürlich bei den Rentnern, der Jugend, den Arbeitlosen, den Kranken.
Jede Regierung wird unter dem Druck des Kapitals Maßnahmen wie Hartz IV nicht
etwa zurücknehmen, sondern ausbauen und verschärfen. Der Billiglohnsektor wird
also weiter ausgedehnt und das gesamte Lebensniveau der arbeitenden Menschen
noch stärker gedrückt werden. Schröders letzter großer Neuwahl-Gag gibt also
Anlass, sich grundlegend Gedanken zu machen, wie die Arbeiterklasse und andere
Schichten des Volkes eine eigenständige Kraft werden können, statt immer wieder
zwischen den kleineren Übeln, die das Kapital ihm anbietet, zu wählen.
Krise des Systems
Zwar versprechen nun alle wieder im Wahlkampf das Blaue vom
Himmel. Schröder und Merkel sowie ihr gesamter Wahlkampftross verkünden zum
wievielten Mal, dass für sie Schaffung von Arbeitsplätzen vorrangig sei. Wer’s
glaubt, wird selig!
Mit real rund 8 Millionen Arbeitslosen, stagnierender
Wirtschaft, immensen Staatsschulden und Defiziten an allen Ecken und Enden,
befindet sich dieser Staat in einer tiefen Krise. „Reformen“ sind bereits nach
Monaten oder ein bis zwei Jahren Makulatur. Gerade eben wurde noch bei der
„Gesundheitsreform“ versprochen durch 10-Euro-Praxisgebühr, höhere Zuzahlungen
usw. könnten die Kosten begrenzt und die Beiträge gesenkt werden. Wir werden
wohl vergeblich darauf warten. Dafür drohen neue Defizite, neue Kürzungen und
Beitragserhöhungen. Bei der Rente war mit Kürzungen und der Einführung der
privaten Riester-Rente versprochen worden, dass nun die Renten zwar nicht mehr
groß steigen würden, aber dafür stabil seien. Das Gegenteil ist der Fall, die
realen Renten (nach Abzug der Inflation) fallen ständig und trotzdem sind die
Rentenkassen leer wie nie. Die Hartz IV Reform ist gerade eben umgesetzt worden
und bereits gescheitert. Arbeitsplätze gibt es keine, dafür steigen die
Verwaltungskosten rasant, während die Hartz IV-Empfänger auf dem untersten
Niveau zu leben gezwungen werden. Die vorgesehenen finanziellen Mittel reichen
trotzdem nicht. Es klaffen Riesenlöcher. Die nächsten Kürzungen sind also
bereits absehbar.
Das gesamte System befindet sich in einer wachsenden Krise.
Das Kapital befindet sich in scharfer internationaler Konkurrenz. Steigende
Investitionen in modernste Technik führen zu immer höherer Produktion bei
gleichzeitigem Fall der Profitraten (dem Profit auf das eingesetzte Kapital).
Das zwingt das Kapital zu immer neuen Kürzungen, Entlassungen, verschärft die
Konkurrenz, führt zu immer neuen aggressiven Forderungen des Kapitals an den
Staat nach Senkung der Steuern, der Sozialkosten, der Lohnnebenkosten, nach
staatlichen Subventionen usw. Doch all diese Maßnahmen verschärfen die Krise
nur weiter. Senkung des Lebensstandards der Massen führt zu weniger Absatz bei
steigender Produktion und zu den altbekannten Überproduktionskrisen wie z.B. im
Automobilbau. Verschärfte Konkurrenz, modernere Produktionsanlagen, billigere
Produktion führen erneut zu einem Fall der Profitrate und vertiefen die Krise.
Doch auch der umgekehrte Weg ist für das Kapital nicht möglich. Viele
Sozialdemokraten meinen, durch Erhöhung der Löhne, Sozialleistungen und
staatlichen Ausgaben könne man den Konsum ankurbeln, das Kapital könne so seine
Produkte absetzen, gute Profite machen und so könnten alle in Frieden und
Harmonie zusammen leben. „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ Dieses Märchen
von Klassenharmonie hört sich verlockend an. Aber es hat nichts mit der
Realität in der kapitalistischen Gesellschaft zu tun. Es konnte nur für eine
begrenzte Zeit nach dem 2. Weltkrieg, nach der weitgehenden Zerstörung der
Wirtschaft funktionieren. Unter den heutigen Bedingungen der scharfen
internationalen Konkurrenz gehen die Einzelkapitalisten und die
kapitalistischen Länder, die sich den „Luxus“ hoher Löhne und Sozialleistungen
sowie staatlicher Investitionsprogramme leisten, schnell unter. Bei den Staaten
wächst die Staatsverschuldung so weit, dass sie irgendwann doch kürzen, sparen,
streichen müssen. Bei den Unternehmen führt ein solcher Weg zum Bankrott oder
zur Übernahme und damit ebenfalls zu Entlassungen, Lohnkürzungen usw.
Inzwischen beginnen immer mehr Kolleginnen und Kollegen zu
spüren, dass es innerhalb dieses Systems keine Verbesserungen, keine
Perspektiven, keine Lösungen mehr gibt. Das spiegelt sich unter anderem auch in
den zu Anfang erwähnten Umfrageergebnissen wieder, dass fast 70% der
Bevölkerung von einem Regierungswechsel nichts erwarten. Um eine Lösung aller
angeführten Probleme zu ermöglichen, muss das Übel selbst angegangen werden:
das kapitalistische System. Es muss beseitigt werden. An seine Stelle muss eine
Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung treten, in dem die Arbeiter und das Volk
die wirkliche politische Macht innehaben und die Wirtschaft nach ihren
Interessen leiten. Zugegeben, davon sind wir noch weit weg, aber es bewegt sich
wieder etwas.
Anwachsende Kämpfe
Mit der Krise des kapitalistischen Systems einher geht ein
zunehmender Abwehrkampf der Arbeiter, der Angestellten, der Jugendlichen,
Arbeitslosen, Rentner und anderer Teile des Volkes, die ihre Interessen gegen
die wachsenden Angriffe des Kapitals und seines Staates verteidigen. Die
Bewegung der Montagsdemonstrationen, eine Reihe bundesweiter oder regionaler
Großdemonstrationen, spontane Streiks und Aktionen haben hunderttausende
erfasst und Millionen Menschen politisch erreicht und beeinflusst. Auch wenn
sich diese Bewegung nicht stabil und gleichmäßig entwickelt, so ist sie doch
nicht mehr weg zu bekommen. Sie wird unter dem Druck des Kapitals, des Staates,
der Medien sicher mal schwanken, tausenderlei Fehler und Mängel haben. Aber sie
ist nicht mehr klein zu kriegen und wird sich mit den zunehmenden Angriffen
weiterentwickeln.
Wenn Schröder in seiner Rede zur Vertrauensfrage im
Bundestag meinte, er habe keinen ausreichenden Rückhalt in seiner eigenen
Partei mehr, er gerate unter den Druck der Linken, so ist dies ein Resultat
dieser Massenbewegung, die alle politischen Kräfte in diesem Land beeinflusst
und die Probleme der Arbeiter und des Volkes wieder offen auf die Tagesordnung
gesetzt hat. Die Stärkung dieser Massenbewegung ist eine der wichtigen Aufgaben
für alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte in unserem Land und nicht
das Ergattern von Parlamentssitzen. Denn dort entscheidet man, so Marx „einmal
in drei oder sechs Jahren…, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk
im Parlament ver- und zertreten soll…“ (in: Lenin, Staat und Revolution)
Das bedeutet allerdings nicht, dass Wahlen unbedeutend sind. Denn derselbe Marx
forderte, „dass überall neben den bürgerlichen demokratischen Kandidaten
Arbeiterkandidaten aufgestellt werden, die möglichst aus Bundesmitgliedern
bestehen müssen und deren Wahl mit allen möglichen Mitteln zu betreiben ist.
Selbst da, wo gar keine Aussicht zu ihrer Durchführung vorhanden ist, müssen
die Arbeiter ihre eigenen Kandidaten aufstellen, um ihre Selbständigkeit zu
bewahren, ihre Kräfte zu zählen, ihre revolutionäre Stellung und
Parteistandpunkte vor die Öffentlichkeit zu bringen.“ (Marx/Engels:
Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850, Unterstreichung durch
den Verfasser)
Auch die jetzt allmählich entstehende Bewegung sucht und
braucht einen politischen Ausdruck, den sie allerdings noch nicht richtig
gefunden hat. Die „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ WASG ist
der linkssozialdemokratische Versuch, diese Bewegung politisch zu organisieren.
In ihrem „Programm für eine bessere Zukunft“ hat die WASG viele
Forderungen dieser Bewegung übernommen. Das sind Forderungen, die wir zum
überwiegenden Teil ebenfalls unterstützen wie z.B. 30-Stunden-Woche, ein
Mindestlohn von 1500 Euro im Monat bzw. 9 Euro pro Stunde, Steuererhöhungen für
Spitzenverdiener auf mindestens 47% bei der Einkommenssteuer, Vermögenssteuer,
Rücknahme der Verschlechterungen durch Hartz IV, keine Erhöhung des
Renteneintrittsalters, keine Studiengebühren, Nein zur EU-Verfassung und
Referendum. Wir wollen nicht alle Forderungen einzeln durchgehen. Und nicht mit
jeder stimmen wir überein. Negativ fällt allerdings auf, dass die WASG konkrete
Forderungen nach einem Verbot von Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder nach
einem Verbot von Waffenexporten nicht aufstellt. Stattdessen werden im Kapitel „Wir
wollen Frieden und Abrüstung!“ nur Phrasen gedroschen wie, „dass
Außenpolitik Friedenspolitik“ sein solle und man wolle „die Vereinten
Nationen stärken und (sich) für internationale Abkommen zur Abrüstung“
einsetzen. Dass die Vereinten Nationen unter der Herrschaft der großen
imperialistischen Länder stehen und deren Interessenpolitik immer wieder
legitimieren, wird schlicht übergangen.
Doch entscheidender als Einzelfragen ist die Tatsache, dass
die WASG alte sozialdemokratische Positionen vertritt. So wird öfter betont,
der Konsum müsse angekurbelt werden, damit es der Wirtschaft und damit den
Arbeitern und den Unternehmern besser gehe. Dass dieses Märchen mit der
Realität nichts zu tun hat, wird bereits im vorigen Abschnitt dargelegt. Die
WASG will den Kapitalismus zum angeblichen gemeinsamen Wohl von Arbeitern und
Unternehmern erhalten und sozial gestalten.
Bei der PDS sieht es noch schlechter aus. Ihre Forderungen
zu Renten, Steuern und Gesundheitswesen sind sehr verwirrend und kompliziert
und bewegen sich auf der Ebene der Reparatur der bestehenden Systeme. Nur in
Einzelforderungen wie Abschaffung von Hartz IV oder 1400 Euro Mindestlohn
entsprechen die Forderungen der PDS deutlich denen der Bewegung, die sich in
den letzten 2 Jahren herausgebildet hat. Und in Grundsatzfragen sieht es bei
der PDS noch schlimmer aus, als bei der WASG. In ihrem derzeit gültigen Programm,
behauptet die PDS, sie kämpfe für den Sozialismus, für eine andere
Gesellschaft. Es ist allerdings ein sehr merkwürdiger Sozialismus, den die PDS
anstrebt. Im Abschnitt „Sozialismus – Ziel, Weg und Werte“ schreibt sie:
„Unternehmerisches Handeln und Gewinninteressen sind wichtige Voraussetzungen
für Innovation und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“ Und dann „Diese
sozialistische Grundüberzeugung vertreten wir angesichts der bedrohlichen
Differenz zwischen weltverändernden Produktivkräften und ihrer eingeschränkten
Beherrschbarkeit aufgrund der gegenwärtigen Macht- und Eigentumsverhältnisse
und der mehrheitlich verinnerlichten Denk- und Verhaltensweisen.“ Ein
Sozialismus mit Kapitalismus? Solche Kuriositäten passen gut zur Herkunft der
PDS als Partei der entarteten SED und DDR, die bereits den ersten Ansatz zu
einer besseren Gesellschaft in diesem Land zerstört haben.
Zudem ist die PDS fest gefügter und straffer geführt als die
WASG. Und sie hat mit ihren Regierungsbeteiligungen bereits gezeigt, dass sie,
sobald sie Macht hat, ihre eigenen Forderungen verrät. So geschieht es täglich
in Berlin, wo die PDS bei Entlassungen und sozialen und kulturellen
Streichorgien mitmacht.
Ermutigend sind auch die Führungsfiguren des nun aus PDS und
WASG entstehenden Linksbündnisses nicht: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. So
trat Lafontaine Ende der 80er Jahre für „Arbeitszeitverkürzung ohne
Lohnausgleich“ ein. Ende Juni 2005 wiederholte er diese Forderung in einem
Interview der Süddeutschen Zeitung. In Vorwegnahme von Hartz IV verlangte er
1981 in der BILD: „Eine angebotene Arbeit muss angenommen werden. Sonst wird
die Sozialhilfe gekürzt.“ Dass Lafontaine nun schon mehrfach und ohne jede
Entschuldigung über „Fremdarbeiter“ schimpft und androht, allen jenen
die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, die nicht „die deutsche
Sprache sprechen“, macht es nicht besser. Diverse Skandale kommen bei
Lafontaine und Gysi hinzu. Wie sollen auch Millionäre die Interessen der
Arbeiter und des Volkes vertreten können?
Trotz alledem wissen wir, dass es sowohl in der WASG als
auch in der PDS fortschrittliche Kräfte gibt, die ernsthaft und ehrlich für die
Forderungen der Arbeiter und des Volkes eintreten. Die Massenbewegung wird sich
weiterentwickeln, egal wie sich das nun entstehende Linksbündnis aus WASG und
PDS entwickelt. Mit der Entwicklung der Massenbewegung wird sich auch deren
politischer Druck erhöhen. Wenn bereits heute Schröder diesen Druck zu spüren
bekommt, wird das Linksbündnis nicht davon verschont bleiben. Allerdings wird
das Kapital ebenso wenig untätig zuschauen, sondern mit allen Mitteln des
Drucks, der Korruption, der parlamentarischen Pöstchen und Verlockungen auf
dieses Linksbündnis einwirken. Daher wird es zwangsläufig in diesem
Linksbündnis zu einer Auseinandersetzung kommen, ob man sich anpasst und nach
Pöstchen giert oder ob man ehrlich und ernsthaft die nun im Wahlkampf
verkündeten Forderungen umsetzt.
Alle fortschrittlichen Kräfte, insbesondere die
Arbeiterklasse sollten vom Linksbündnis diesen Einsatz für die eigenen
Forderungen verlangen und es kompromisslos daran messen, was es real für die
allmählich wachsende Bewegung tut. Und die fortschrittlichen Kräfte innerhalb
des Linksbündnisses werden immer deutlicher entscheiden müssen, ob sie wirklich
für ihre Überzeugungen und Forderungen eintreten oder ob sie einen
Anpassungskurs mitmachen.
Trotz aller genannten Kritiken halten wir eine Wahl des
Linksbündnisses aus WASG und PDS aus mehreren Gründen für richtig und sinnvoll:
–
Auf dem Bündnis ruhen große Hoffnungen auch aus den
Reihen der Arbeiterklasse. Kommt das Bündnis in den Bundestag muss es schneller
Farbe bekennen, was es real tut. Entweder es kämpft, gestützt auf die
Massenbewegung, wirklich für deren Forderungen, was wir nach dem derzeitigen
Stand eher für unwahrscheinlich halten, oder es entlarvt sich selbst und die
Illusionen in dieses Bündnis verfliegen rascher. Das würde langfristig die
Entwicklung der Bewegung und die Herausbildung einer revolutionären
Arbeiterpartei erleichtern, die so schmerzhaft fehlt.
–
Wenn nur Abgeordnete des Bündnisses, und seine es auch
nur einzelne, ehrlich und ernsthaft die Forderungen der Bewegung im Parlament
vertreten, hätte die Arbeiterklasse damit eine Stimme, die öffentlich stärker
hörbar wäre. Und alle fortschrittlichen Kräfte könnten gemeinsam diese
Positionen für die Weiterentwicklung des Kampfes nutzen.
–
Es ist zu erwarten, dass die parlamentarische Tätigkeit
des Bündnisses zu einer inneren Differenzierung führt. Ein voraussichtlich
großer Teil wird, wie wir es schon von den Grünen kennen, sich dem System
anpassen und mit ihm verschmelzen. Wir wissen nicht, wie lange ein solcher
Prozess dauern wird, aber er wird stattfinden. Ebenso wird ein wahrscheinlich
kleinerer Teil dieses Bündnisses durch die Erfahrungen nach links rücken.
All das kann die Entwicklung der
Arbeiterklasse, das Voranschreiten der entstehenden Bewegung fördern. Voraussetzung
dafür ist, dass die fortschrittlichen Kräfte dem Linksbündnis nicht blind
folgen, sondern offen und klar die berechtigten Forderungen der Arbeiter und
des Volkes vertreten, deren Durchführung verlangen und die Arbeit des
Bündnisses, ob im Parlament oder außerhalb, sachlich und entschieden daran
messen. Deshalb haben wir uns entschieden, die die Landeslisten des
Linksbündnisses zu wählen. Die Erststimme sollte nach Prüfung nur solchen
Wahlkreiskandidaten gegeben werden, die ehrlich und ernsthaft die Forderungen
der Arbeiterklasse und des Volkes vertreten. Das können auch Kandidaten anderer
Listen wie z.B. der MLPD sein. Bekommen so klassenkämpferische Kandidaten
deutlich mehr Erststimmen, so ist das auch ein Zeichen für den Willen der
Arbeiter und es stärkt deren Position innerhalb ihrer Liste. Die Wahl von Kandidaten
wie Lafontaine, Gysi und dergleichen per Erststimme können wir nicht empfehlen.
Zugleich werden wir offen unsere
Kritik vorbringen, wo immer es nötig ist. Ebenso werden wir noch deutlicher und
entschiedener vertreten, dass die gegenwärtige Krise der kapitalistischen
Gesellschaft nicht durch alte sozialdemokratische Illusionen von mehr Konsum
und Klassenzusammenarbeit mit dem Kapital gelöst werden kann, sondern nur durch
die Beseitigung des Kapitalismus und eine neue, sozialistische Gesellschaft.
ernst
Leserbrief
ich las gerade eben Euer Flugblatt zu den Bundestagswahlen
und möchte dazu ein paar Bemerkungen zustimmender, aber auch kritischer und
ablehnender Art machen, wenn Ihr gestattet.
Eure allgemeine Orientierung teile ich. Ich finde auch, dass
man dieses Bündnis, d.h. bestimmte Kandidaten dieses Bündnisses (bloß nicht
unbesehen alle!) wählen sollte, um abzuwarten, wie sie sich dann konkret im
Bundestag verhalten, ob sie tatsächlich die Interessen der Arbeiter vertreten
oder sich anpassen und den Verlockungen erlegen sind und wahrscheinlich werden
die meisten den Verlockungen erlegen sein. Auch diese Einschätzung teile ich.
Aber schon eine einzige ehrliche, nicht korrumpierbare
Arbeiterstimme im Parlament wäre ein Erfolg!
Angesichts der Tatsache, dass wir keine revolutionäre
Kampfpartei haben und in absehbarer Zeit auch nicht bekommen werden (dazu ist
die Uneinigkeit viel zu groß und die Unklarheit in theoretischen Fragen viel zu
krass), wäre auch nur diese eine ehrliche Stimme ein Gewinn und um sie zu
kämpfen würde sich lohnen.
Zur Nichtwahl aufzurufen, wäre also ein ‚linker‘ Fehler. Das
sehe ich genauso wie Ihr.
Ich finde es richtig, von den Erwartungen der Arbeiterschaft
in dieses Bündnis erst einmal auszugehen, aber man muss ganz klar sagen,
welche Kräfte sich hier konkret
versammelt haben und dass es reichlich dubiose Kräfte sind (Trotzkisten,
Rechte, ja ausländerfeindliche, Gysi, Lafontaine.. ) und dass es Reformisten
sind, die den Arzt am Krankenbett des Kapitalismus spielen wollen. Würde man
dies nicht von vorneherein tun, würde man Illusionen nähren, Illusionen in die
’soziale‘ Reformierbarkeit des monopolkapitalistischen Systems und auch seines parlamentarischen Systems. Und es ist
nicht reformierbar, zumindest nicht in unserem Sinne.
Wir müssen also die Alternative, die einzig ehrliche Lösung
propagieren: Sie heißt Sozialismus, sie heißt Arbeitermacht, Enteignung der
Monopole und ihre Überführung in Volkseigentum. Diese Dinge müssen wieder auf
die Tagesordnung und es muss gezeigt werden, was er bringen kann, dieser
Sozialismus, wenn die Arbeiter die Macht haben. Dafür gibt es genügend
historische Beispiele. Leider ist davon in Eurem Flugblatt nicht die Rede. Aber
die Leute wollen konkrete Antworten. An dieser Stelle ist ungeheuer viel an
Aufklärungsarbeit zu leisten: Es müssen Berge, ja Gebirge an Lügen und
ideologischem Schutt abgeräumt werden, um wieder deutlich zu machen, dass es
diese Alternative gegeben hat: in der Sowjetunion, in Albanien, in Ansätzen
auch in osteuropäischen Ländern wie Ungarn, der CSSR… Anfang der fünfziger
Jahre und dass diese Alternative, Sozialismus, auch heute für uns eine reale,
erkämpfbare Perspektive ist.
Sollen sie uns ruhig als ‚Stalinisten‘, als ‚Spinner‘ oder
als ‚Fantasten‘.. beschimpfen! Da müssen wir durch. Aber man muss sich klar von
Trotzkisten, Rechtsopportunisten wie PDS-Leuten, Sozialfaschisten (DKP), usw.
abgrenzen, sonst sieht niemand mehr die klar Trennlinie zum
Marxismus-Leninismus. Alles verschwimmt in einem trüben See von ‚Kämpfen‘,
‚Antiharz-Bewegung‘ usw. Deine Organisation wird eine von vielen bleiben, die
es gut meint, die aber nicht sichtbar als überzeugende
marxistisch-leninistische Organisation, als Alternative hervortritt, die zur
Grundlage den wissenschaftlichen Sozialismus und den Antirevisionismus hat.
Ich sehe auch Schwächen bei Eurer Analyse des Kapitalismus:
„Das Kapital befindet sich in scharfer internationaler
Konkurrenz“. Das ist hinlänglich bekannt. Aber es ist nicht ‚das Kapital‘,
sondern es sind die ‚Monopole‘. Das Kapital ist viel mehr als das, aber diese
schmale Schicht des Kapitals, das Finanzkapital, gibt heute den Ton an, nicht
diffus ‚das Kapital‘. Im Gegenteil: Es gibt auch viel Kapital, das selbst vom
Groß- und Finanzkapital ausgebeutet wird und zu einem potenziellen
Bündnispartner der Arbeiterklasse werden könnte. Denkt doch nur mal daran, wie
viele Existenzen heute kaputt gehen, also wie viele kleine und mittlere
Unternehmen ebenfalls unter der so genannten ‚Globalisierung‘ stöhnen und wie
der ‚Mittelstand‘ immer weiter aufgerieben wird. Aber von diesen
Differenzierungen liest man bei Euch wenig.
Auch hört es sich bei Euch so an, als ob es der ‚Fall der
Profitrate‘ ist, der die Ursache für ‚immer neue Kürzungen, Entlassungen‘ ist.
Stimmt das wirklich? Meiner Meinung nach ist dies eine viel zu generelle, aber
zu wenig konkrete Analyse.
Zunächst einmal wirkt dieses Gesetz oder diese ‚Tendenz‘ von der fallenden Profitrate nur sehr
indirekt (bedingt durch den Rückgang an Arbeitskraft in den Betrieben, was aber
wieder im Ausland wettgemacht wird, wo mehr Arbeitskraft eingestellt wird) und
kann nicht für die massiven Einschnitte, die wir heute überall erleben,
verantwortlich gemacht werden, zumindest nicht allein. Diese nur sehr indirekt
wirkende ‚Tendenz‘ (K. Marx) ist doch nicht für die Krise verantwortlich, die
uns das monopolkapitalistische System heute beschert.
Die Hauptursache für die Krise liegt woanders. Sie liegt
darin, dass wir es mit der Macht der Monopole, die den Staat, die Regierungen
vollkommen kontrollieren, zu tun haben, die das Gesetz der Konkurrenz gewaltig
einschränkt, so dass nicht unbedingt von ’schärfer werdender internationaler
Konkurrenz‘ in jedem Fall die Rede sein kann. Im Gegenteil: Wir erleben, dass
im gleichen Maße die Absprachen untereinander eine größere Rolle spielen, um
sich nicht ins Gehege zu kommen. Nehmt die neuen großen asiatischen Märkte und
Ihr werdet feststellen, dass sich die deutschen, die US-amerikanischen Monopole
usw. zum Beispiel in den Sonderwirtschaftszonen in China nicht unbedingt
Konkurrenz machen. Jeder erhält dort seinen Standort zugeteilt.
Dass die Konkurrenz natürlich nach wie vor gegeben ist, will
ich nicht abstreiten. Aber es ist gerade der Mangel an Konkurrenz, der dazu
führt, dass wir der Herrschaft der großen Monopole, ihrer Preispolitik, ihrer
Personalpolitik immer stärker ausgesetzt sind. Der Konkurrenzkampf verlagert
sich auf eine höhere Ebene und man muss genau und ganz konkret zeigen, wo er
schärfer wird und wo die Absprachen, die Kartelle und Mauscheleien überwiegen.
Mit allgemeinen ‚Analysen‘ ist es nicht getan, wir brauchen
konkrete Analysen!
Und man vermisst auch bei Euch, dass das Grundgesetz des
Monopolkapitalismus, die Erzielung von
Maximalprofit, überhaupt keine Erwähnung findet. Aber wie kann man heute
über den modernen internationalen Kapitalismus/Imperialismus sprechen, ohne das
wichtigste Gesetz auch nur mit einem Wort zu erwähnen, nachdem er funktioniert?
Nach dem Gesetz der Erzielung von Maximalprofit. Man kann dies in Stalins
‚Ökonomische Probleme des Sozialismus in der Sowjetunion‘ nachlesen.
Dieses Gesetz zeigt seine Wirkung dort z.B., wo es
profitable Betriebe gibt und man sie dennoch schließt, sie schließt, weil die
rosige Aussicht besteht, in Ungarn oder Rumänien einen höheren Gewinn
abzusahnen und sie werden auch in Ungarn nach zehn Jahren wieder dichtgemacht
werden, wenn sich dann in China oder einem anderen Land noch rosigere
Aussichten für die Profitmaximierung zeigen.
Wenn z.B., was ich gelesen habe, irgendwo in Süddeutschland
ein altes traditionsreiches Porzellan-Werk schließt, dass über Jahrzehnte mit
einer exzellenten Belegschaft ausgestattet war, die an ihrem Betrieb wie an
einer Familie hing, obwohl alle Aussicht bestand, hier in Deutschland weiter
solide Gewinne zu erwirtschaften, dann liegt das nicht an der immer schärfer
werdenden Konkurrenz, sondern einfach daran, dass im Ausland angesichts spotbilliger
Arbeitskraft, höherer Ausbeutungsraten, noch unternehmerfreundlicher
Steuergesetze und in Abwesenheit von unabhängigen Gewerkschaften usw. usf.
nicht nur ’solide‘, sondern maximale Gewinne zu erzielen sind.
Auch habe ich Einwände dazu, wie Ihr das Verhältnis von
Regierung und Kapital seht:
„Tatsächlich steht das Kapital über jeder Regierung. Es
hat mehr Macht!“ schreibst Ihr.
Aber ist das richtig? Die Regierung ist
die Vertretung des Kapitals, besser: des Monopolkapitals. Die
Regierung ist ihre Macht. Alles, was wir erreichen können, ist
in diesen Machtapparat den einen oder anderen Arbeitervertreter einzuschleusen,
um von dieser Tribüne aus den außerparlamentarischen Kämpfen zu unterstützen,
ihm zuzuarbeiten. Mehr nicht. Alles andere sind Illusionen.
Man darf sich auch nicht der Illusion, die Ihr, wie ich
finde, etwas schürt, hingeben, dass man aus dem Berliner Bundestag oder
irgendeinem Landtag eine wie Marx sich ausdrückt, ‚arbeitende Körperschaft‘
machen könnte. Man kann das Parlament, den Staatsapparat nicht durch Tricks
umfunktionieren, man muss ihn abschaffen und einen neuen, einen Arbeiterstaat
schaffen. Ohne restlose Zertrümmerung des bürgerlichen Staatsapparates ist kein
sozialistischer Aufbau möglich, weil dazu ein ganz anderer
Machtapparat, der der Diktatur des Proletariats, benötigt wird. Es gilt
hier die gesamten gesammelten Erfahrungen, wirklich alle
Erfahrungen der revolutionären Arbeiterbewegung mit der Revolution, mit
der Diktatur des Proletariats, konkret auszuwerten. Mit der Kommune wieder
anzufangen, ist da ein Rückschritt. Wir haben in dieser Frage weit mehr
Erfahrung als sie Marx haben konnte, auch als Lenin sie haben konnte.
Es scheint, Ihr geht bis Marx und bis zur Kommune, auch noch
bis Lenin, aber von der Sowjetunion und Albanien, und zwar konkret, wollt Ihr
nichts wissen (?), obwohl gerade in diesen wahrhaft sozialistischen Ländern ein
so ungeheures empirisches Material gesammelt worden ist, das uns Antworten
liefern kann – Antworten darüber, wie man einen neuen, einen Arbeiterstaat
schaffen, aber vor allen Dingen auch verteidigen kann.
Mit revolutionären Grüßen
G
Antwort der Redaktion
Lieber Genosse G,
danke für Deine ausführliche Kritik, aber auch für Deine
Unerstützung unserer politischen Position zu den anstehenden Bundestagswahlen.
Du meinst, in unserem Artikel sei von Sozialismus nicht die
Rede. Wir schrieben: „Um eine Lösung aller angeführten Probleme zu
ermöglichen, muss das Übel selbst angegangen werden: das kapitalistische
System. Es muss beseitigt werden. An seine Stelle muss eine Gesellschafts- und
Wirtschaftsordnung treten, in der die Arbeiter und das Volk die wirkliche
politische Macht innehaben und die Wirtschaft nach ihren Interessen leiten.“ Das
ist Sozialismus! Damit ist auch klar, dass wir nicht von einer Reformierbarkeit
dieses Systems ausgehen.
Du hast natürlich Recht, dass wir uns in diesem Artikel
nicht mit dem gesamten historischen Material zum Sozialismus beschäftigt haben.
Du hast auch Recht, dass dies dringend nötig ist. Aber nicht in diesem Artikel
zur Wahl. Wir haben uns schon mit dieser Frage beschäftigt und werden dies
weiter in „Arbeit Zukunft“ tun.
Du meinst wir hätten Schwächen in der Analyse des
Kapitalismus. Die periodisch wiederkehrenden Krisen des Kapitalismus wurden von
Karl Marx und Friedrich Engels bereits im Kommunistischen Manifest und anderen
Schriften als Ergebnis des Konkurrenzkampfes und der Zwänge der
Kapitalverwertung erklärt. Auch wir haben die Krise grundsätzlich aus dem Konkurrenzkampf
und den Gesetzen der Kapitalverwertung, dazu gehört der Fall der Profitrate,
erklärt. Da es sich jedoch nicht um eine grundlegende theoretische Analyse
handelte, konnten wir nicht auf Details eingehen. Dass Du die Ursache der Krise
gerade in der Ausschaltung der Konkurrenz durch die Monopole siehst, halten wir
für nicht richtig. Tatsächlich schreibst Du ja selbst kurz darauf, „der
Konkurrenzkampf verlagert sich auf eine höhere Ebene“. Da sind wir uns
wieder einig. Denn die Herausbildung von Monopolen führt zu einer Konkurrenz
„auf höherer Ebene“ z.B. um Steuererleichterungen, Subventionen,
Staatsaufträge. Das kann man sehr gut bei dem äußerst heftigen Konkurrenzkampf
von Boeing und Airbus-Industries sehen, die ihre Schlachten gegeneinander mit
allen möglichen staatlichen Hilfen führen. Der Konkurrenzkampf wurde dadurch
jedoch schärfer statt schwächer.
Das Streben nach Maximalprofit hätte tatsächlich Erwähnung
finden können. Es ist, wie Du schreibst, Grundgesetz des Monopolkapitalismus.
Es ist allerdings nicht Ursache der Krise, sondern ein Faktor, der zur
ungeheuren Verschärfung der Krise unter den Bedingungen des Monopolkapitalismus
führt.
Natürlich ist die Regierung ein Instrument der herrschenden
Klasse. Das wird in unserem Artikel nicht bestritten. Im Gegenteil! Wir machen
ausführlich deutlich, dass die Regierung dem Kapital und seinen Interessen
untergeordnet ist.
Ebenso vertreten wir an keiner Stelle, dass man aus dem
Parlament eine „arbeitende Körperschaft“ machen könne. Im Gegenteil! Wir
zitieren Karl Marx: „Denn dort entscheidet man, so Marx ‚einmal in drei oder
sechs Jahren…, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament
ver- und zertreten soll…’ (in: Lenin, Staat und Revolution)“
Solidarische Grüße
Redaktion „Arbeit Zukunft“