Vom 21. bis 24. Juli fand in Erfurt das 1. Sozialforum in
Deutschland statt. Aufgerufen dazu hatten vor allem attac und ver.di, beteiligt
hatten sich außer Organisationen und Gruppen aus dem Umfeld von attac und
ver.di aber auch kirchliche Gruppen, Umweltgruppen, Erwerbslosen-Initiativen, antifaschistische,
antimilitaristische und Friedensgruppen, um nur einige zu nennen.
Erfreulich war, dass sich derart viele verschiedene, nicht
nur linke Gruppierungen, zusammenfanden und diskutierten, was gegen die so
genannte „neoliberale“ Politik, das heißt die gängige Politik des Kapitals in
den Zeiten des zugespitzten Kampfes der Monopole um die Weltmärkte, getan
werden kann.
Weniger positiv fand ich, dass in den so genannten
Themenkonferenzen – an dreien davon habe ich teilgenommen – das Publikum nur
sehr spärlich zu Wort kam, die Redebeiträge der Personen auf dem Podium aber
oft sehr lang dauerten. Besonders auffällig war das bei der Themenkonferenz
„Arbeitswelt und Menschenwürde“, bei der ver.di-Chef Frank Bsirske auf dem
Podium teilnahm. Bsirske schien extra lange Redezeit zu bekommen, obwohl sein
Beitrag inhaltlich nicht viel Neues enthielt. Kein Wort darüber, dass die
DGB-Gewerkschaften einschließlich ver.di ab dem Frühjahr 2004 praktisch den
Kampf gegen Hartz IV eingestellt haben und auf Schmusekurs mit der
SPD-Grünen-Regierung gegangen sind.
Ein abgekartetes Spiel war die an diese Podiumsdiskussion
anschließende Diskussion. Es gab schon eine Rednerliste, bevor die Diskussion
überhaupt freigegeben wurde. Einer dieser Redner war der Professor Peter
Grottian von der Initiative Sozialforum Berlin, der Bsirske mit starken Worten
angriff und dafür viel Beifall erhielt. Letztendlich lieferte er mit seinem
Beitrag aber nur eine Steilvorlage für den ver.di-Vorsitzenden, der Gelegenheit
bekam, ausführlich Grottians Kritik zu kontern, so dass er am Ende wieder gut
dastand. Da die beiden „Kontrahenten“ sich sehr gut kennen, kann man vermuten,
dass diese ganze Szene abgesprochen war. Die Rednerliste stand ja schon vor der
Diskussion fest.
Das sind natürlich schon Dinge, die einem sauer aufstoßen.
Als besonders schlimm empfinde ich es, dass auf solchen Großveranstaltungen der
Linken die Basis kaum zu Wort kommt, während sich einige Protagonisten
verschiedener Organisationen eifrig produzieren und gewissermaßen ihre
„Duftmarke“ hinterlassen. Es ist zu hoffen, dass sich das ändert, wenn mehr
solche Konferenzen stattfinden.
Interessant war für mich die Themenkonferenz „Globalisierung
und die Rolle Deutschlands in der Welt“, auf der Vertreter aus Brasilien und
Uruguay sprachen. Die Vertreterin von IMI (Informationsstelle Militarisierung,
Tübingen) stellte den Zusammenhang von EU-Verfassung und Militarisierung der
EU, insbesondere der Bundesrepublik, sehr eindrucksvoll dar.
Der Vertreter von attac erläuterte, wie die Globalisierung
von Seiten der Regierenden dargestellt wird. Das war für mich gut
nachvollziehbar, z.B. dass die Regierenden seit etwa 2002/2003 sagen, dass die
Globalisierung Opfer fordere und deshalb die Schröder’sche Agenda 2010 nötig
sei. Damit bestätigt sich für mich, dass „Globalisierung“ nur ein anderer
Begriff für Imperialismus ist und die herrschenden Klassen von den Arbeitern,
Bauern, Kleinbürgern usw. verlangen, Opfer für ihr Bestreben nach Vorherrschaft
auf den Weltmärkten zu bringen. Irgendwie meinte der Redner, man könne dem
Imperialismus „das Wasser abgraben“. Wie das gehen sollte, erklärte er
allerdings nicht.
Anne Rieger (IGM) brachte in ihrem Vortrag, dass weltweit 1
Mrd. Menschen arbeitslos sind. Es gäbe ein „Ungleichgewicht zwischen Kapital
und Arbeit“. Das dürfte allerdings für die überwältigende Mehrheit der
Anwesenden nichts Neues gewesen sein.
Werner Sauerborn vom Arbeitskreis Gewerkschaften und
Globalisierung gab zu, dass die Gewerkschaften keine Antworten auf die
Globalisierung gefunden hätten. Leider konnte er auch nicht sagen, wie man die
DGB-Gewerkschaften auf einen anti-imperialistischen Kurs bringt.
Mit am aufschlussreichsten war der Vortrag von Ernesto Kroch
(Uruguay). Am Beispiel seines Landes zeigte er auf, dass die ausländischen
Investitionen nicht etwa zu mehr Reichtum des Landes führten, sondern dazu
verwendet würden, einheimische Privatfirmen und Banken zu übernehmen und
staatliche Unternehmen in Privatbesitz zu überführen. Deshalb würden durch
ausländisches Kapital auch keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, wie oft
behauptet werde. Vor dem Regierungswechsel zu einer linken Regierung des Landes
seien 100% des Bruttosozialprodukts zur Schuldentilgung verwendet worden. Die
neue Linksregierung habe diplomatische Beziehungen zu Kuba aufgenommen, ein
Notprogramm für Arme eingeleitet, paritätisch besetzte Tarifkommissionen
eingeführt und die Senkung der Mehrwertsteuer beschlossen.