Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für Studiengebühren
frei gemacht. Bereits jetzt gibt es ja schon die Gebühren für sogenannte
Langzeitstudenten, die je nach Bundesland und Semesterzahl bis zu saftigen 900
Euro im Semester betragen können. Mit dem richterlichen Urteil aus Karlsruhe
dürfen die Universitäten jetzt bereits Studenten ab dem ersten Semester
zur Kasse bitten. Die Hochschulen sind schon eifrig damit beschäftigt, ihre
Möglichkeiten auszuloten und schnellstmöglich die Gebühren einzuführen.
Diskutiert werden z.Zt Beträge um 500 Euro pro Semester, was ja noch
sozialverträglich sei. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet
aber damit, daß diese Beträge nur ein Einstieg sind. DIW-Chef Klaus Zimmermann
äußerte im Handelsblatt, daß schon in ein paar Jahren die Studiengebühren
„marktgerecht“ bei 2.500 Euro pro Semester liegen könnten.
Es hat schon zahlreiche Studentenproteste gegeben. Die Resonanz in der Bevölkerung
ist geteilt. „Ich, 25 Jahre arbeite schon seit 10 Jahren und zahle
Steuern.“- war kürzlich in einem Internetforum zum Thema zu lesen:
„Bis die fertig sind und Steuern zahlen, habe ich schon 20 Jahre gezahlt.
Das holen die doch nie ein.“ Und: „Ich muß für mein Kind auch
Kita-Gebühren bezahlen und ihr, warum wollt ihr nicht zahlen!“ Viele
Arbeiter sind der Meinung, sie bezahlen mit ihren Steuern den Studenten das
Studium.
Dies sind auch die Früchte der Medienpropaganda, die geschickt seit Jahren erst
das Bild des „faulen Bummelstudenten“ gezeichnet hat und jetzt alle
Studenten als spätere Besserverdiener den Arbeitern und Angestellten
gegenübergestellt. Wollte die Arbeiterin, die eben zu Wort kam, selber
jetzt auch studieren, würde sie merken, daß es erstens keine richtigen
Universitäten für Berufstätige gibt, und dass das jahrelange Steuerzahlen ihr
nichts genutzt hat. Auch sie müsste für das, was sie doch selbst mit ihren
Steuern finanziert hat, Studiengebühren zahlen.
Elite contra breite Bildung
Ein einfaches Leben, ein einzelnes Zimmer in einer WG oder Studentenwohnheim,
kein Auto – viele Studenten müssen mit sehr wenig Geld über die Runden kommen
und auch zusätzlich arbeiten. Für viele wäre es unmöglich, zusätzliche 500 Euro
im Monat aufzubringen. Für die Verfechter von Studiengebühren ist dies kein
Problem: Ein bis zwei Nachhilfestunden geben – so der bayerische Politiker
Goppel, und das Problem wäre gelöst. Auch könnten die Gebühren über einen
Kredit finanziert werden und nach dem Studium zurückgezahlt werden. Nach einem
Studium erwarte die Akademiker gewöhnlich ein überdurchschnittlich hoher
Verdienst und die Schulden könnten getilgt werden. Verdienen denn Akademiker
tatsächlich so viel? Zur Zeit nicht. Aber wenn die Visionen der Gebührenbefürworter
sich bestätigen, wird der Hörsaal gleich viel leerer, das Studieren daher
angenehmer und die Konkurrenz nach Abschluß des Studiums ist geringer.
Akademiker wären dann eine gefragte Elite, könnten höhere Löhne durchsetzen
und dann tatsächlich problemlos die Kredite abzahlen. Das scheint die
Marschrichtung der Bundesregierung zu sein, die ja auch viel Geld in wenige
sogenannte „Elite-Hochschulen“ inverstieren will.
Ein höheres internationales Renommee einzelner Hochschulen in Deutschland, so
wie „Harvard“ in den USA mit Spitzenforschung und Spitzentechnologie,
ist erwünscht. Gleichzeitig soll die Bildung für die Massen sich
verschlechtern.
Der Zwang zur Verwertung hat einen Preis
Schon jetzt werden unwirtschaftliche oder politisch unerwünschte Studienzweige
geschlossen. Die in Hamburg sehr beliebte „Hochschule für Wirtschaft und
Politik“ (HWP), die viele Studenten aus dem Berufsleben und zweiten
Bildungsweg angezogen hat und für ihr kritisches Denken bekannt war, wurde
trotz großer Nachfrage und Engement ihrer Studenten regelrecht
„plattgemacht“. Durch die Einführung von Gebühren wird das Studium
verstärkt unter den ökonomischen Druck der Verwertbarkeit gestellt.
Unterstützen schon bisher viele Eltern nur sehr ungern ein Studium in einem der
„brotlosen Künste“, wer kann es sich bald überhaupt noch leisten,
Fächer wie Politologie, Soziologie, Meeresbiologie, Orientalistik, Anglistik,
Philosophie oder Kunst zu studieren. Wer meint, Geisteswissenschaften und
sogenannte Exotenfächer nicht zu brauchen, reduziert aber auch das Angebot an
gesellschaftlicher Kreativität, an Ideen, er fördert eine Schmalspurkultur,
eine geistige Verarmung unserer Gesellschaft.
Bei den Kindern anfangen
Zurück zur Kassierin, die für den Kindergartenplatz ihrer Kinder Gebühren zahlt
und fragt, warum die Studenten für ihre Ausbildung nicht zahlen wollen? Es gibt
viele neue Erkenntnisse über das Lernen von Kindern. Insbesondere im
Kindergartenalter lassen soziale Unterschiede im Elternhaus noch keine so
großen Unterschiede bei Neugierde, und Spaß am Lernen entdecken. Viele
Wissenschaftler forden, daß bereits 3-jährigen im Kindergarten entsprechende
Förderung angeboten werden soll. Dazu sind schon Projekte am Laufen. Ebenso
gibt es viele gute Sprachförderprogramme für ausländische Kinder im
Kindergarten. Aber was nützt es, wenn die Kinder den Kindergarten nicht mehr
besuchen können, weil die Familie verschuldet ist. In Dietzenbach (Hessen,
Kreis Offenbach) wurden vor ca. einem halben Jahr fast ein Drittel aller Eltern
angemahnt und mit dem Ausschluß der Kinder gedroht, weil Kindergartengebühren
nicht bezahlt wurden. Die meisten Eltern haben großes Interesse, ihren Kindern
den Kita-Besuch zu ermöglichen und nur große finanzielle Not und Verschuldung
führt zur Abmeldung der Kinder. Sollte das nicht eine der ersten staatlichen
Aufgaben sein, hier für Chancengleichheit zu sorgen? Wer
Studiengebührenfreiheit fordert, muss natürlich gleichzeitig den freien Zugang
zu Bildungseinrichtungen aller Stufen und Arten fordern. Das fängt schon im
Kindergarten an, wo die Förderung besonders vielversprechend ist und setzt sich
in der Schule fort.
Bildung – eine Ware?
Bei Protesten gegen Studiengebühren hört man oft: Bildung ist keine Ware!
Aber wir wissen doch alle: Bücher kosten Geld, Sprachkurse, Vokshochschulkurse
kosten etwas, Nachhilfe kann nicht umsonst organisiert werden. Bildung ist
etwas, das man erworben hat, Bücher, ein Kursus, ein Studium sind durchaus
Waren. Und gleichzeitig ist Bildung ein Menschenrecht. Kürzlich wurde sogar höchstrichterlich
bestätigt, daß auch Kinder von Ausländern, die illegal hier in Deutschland
sind, ein Grundrecht auf die Schule haben, was heißt, daß es für diese Kinder
möglich sein muß,- was es bisher nicht ist- eine Schule zu besuchen, ohne daß
Ausländerbehörden informiert werden. Zehntausende von ausländischen Kindern
gehen in Deutschland nicht zur Schule, weil die Eltern illegal hier sind und
berechtigte Angst vor Entdeckung haben. Hier muß noch sehr viel getan werden.
Bildung ist ein gesellschaftliches Gut, was sehr hoch zu bewerten ist.
Wie soll sich eine ungebildete Gesellschaft entwickeln? Schon jetzt beklagen
viele Betriebe, daß ihre Lehrlinge immer weniger Allgemeinwissen hätten, oft
nicht richtig lesen, schreiben und rechnen könnten. Anstatt die Schule besser
und interessanter zu machen, fallen immer mehr junge Menschen durch das Raster.
Wir fordern daher freien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen, sowie an den
Universitäten Abendkurse für Berufstätige. Dazu gehört bereits das Recht
jedes Kindes auf einen Kindergartenplatz unabhängig von der finanziellen
Situation der Eltern.