Korrespondenz: Am 30.
Januar lud das Sozialforum Amper aus Bayern zu einem Treffen, in der die
gegenwärtigen Krisenerscheinungen in der Bundesrepublik mit „Weimar“ verglichen
werden sollten. Als Referent hierzu eingeladen wurde der Zeitzeuge Martin
Löwenberg (Jahrgang 1925), der die Weimarer Republik erlebt und die darauf folgende Zeit
des Faschismus in Deutschland wegen seiner Nazigegenerschaft auch mit Zwangsarbeit
und in Konzentrationslager zubringen musste.
Martin Löwenberg gehört zu den Gründungsmitgliedern der VVN
(Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes). Aufmerksamkeit erregte Martin
Löwenberg in der Presse als er im Jahr 2003 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt
wurde, weil er dazu aufgerufen hatte, sich in München einem Nazi-Aufmarsch in den Weg zu stellen. Ein
Zeitzeuge des Faschismus also, der sich heute noch aktiv gegen Faschismus und Krieg einsetzt. Gespannt
waren also die ZuhörerInnen, wie er mit der Fragestellung „Droht uns ein
neues 1933?“ umging.
Die Verneinung der Fragestellung kam gleich zu Beginn seines
Referates. Denn trotz der oberflächlichen Parallelen Weimars zur heutigen Lage in der Bundesrepublik, wie die hohe Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, das Erstarken faschistischer
Parteien, die zunehmende Militarisierung etc. lehnte Martin Löwenberg eine
Gleichsetzung aus historischen Unterschiedlichkeiten ab.
Die historische Situation nach dem ersten Weltkrieg sei eine
andere gewesen als heute…, die Funktion einer faschistischen Bewegung heute, sei eine
andere als zur Weimarer Zeit, so Martin Löwenberg.
Einige Ausführungen zur historischen Entwicklung ab dem
1.Weltkrieg folgten, sollten die Unterschiede in direkten Vergleich zu Weimar verdeutlichen.
Mit dem verlorengegangenen 1. Weltkrieg, der aus Sicht der
deutschen Kriegstreiber die Eroberung neuer Kolonien und Grenzverschiebungen zum Ziele
hatte, fanden sich Miltärs, Grossgrundbesitzer und das Finanzkapital keineswegs ab.
Versailles und die Kriegsniederlage sollten durch einen weiteren Waffengang korrigiert werden. Durch die
Wirtschaftskrise kam es u.a. zum Abrutschen vieler Menschen aus den
Mittelschichten, kam es zu einer zunehmenden Proletarisierung und Massenarbeitslosigkeit. Die schnell
wechselnden Regierungen konnten nicht wie bisher regieren, dass Volk wollte nicht mehr
regiert werden wie bisher.
In den folgenden Jahren wurde die parlamentarische
Demokratie Schritt für Schritt ausgehölt.
Die NSDAP trat mit nationalistischer und sozialer Demogagie
auf, „allen wurde alles versprochen“! Bei den Reichstagswahlen konnte die NSDAP ihren Stimmenanteil von 2,6% im Jahre 1928 auf bis zu 37,3% im Jahre 1932 ausbauen. Die
absolute Mehrheit erreichte die Nazipartei bei „demokratischen“ Wahlen bekanntlich nie. In
der zweiten Reichstagswahl des Jahres 1932 sank ihr Stimmenanteil auf 33,5%. Die KPD
dagegen konnte 700.000 Stimmen im Jahre 1932
hinzugewinnen und ihr Stimmenanteil stieg von 14,1% auf 16,9% an.
Mit durchdachter Demogagie gelang es den Nazis, Millionen
Menschen zu desorganisieren und auf die Zerschlagung der Weimarer Republik und später auf
Krieg einzustellen.
Doch Martin Löwenberg gehört nicht zu denjenigen, die nur
das von den Nazis „verführte Volk“ sehen. Denn auch den tiefsitzenden
Chauvinismus und Antisemetismus in breiten Teilen der Bevölkerung sprach er an. Unterstützt wurde Löwenberg in
seinen Aussagen hierin von einem 93-neunzigjährigen Zeitzeugen, der ebenfalls
Verfolgung und Konzentrationslager überlebt hat. Erlebt hatte er bereits eine begeisterte deutsche
Bevölkerung, die ihre Soldaten an den Bahnhöfen in den 1. Weltkrieg verabschiedete.
Löwenberg versuchte mit seinen weiteren Ausführungen einen
schnellen Überblick über die weiteren historischen Ereignisse zu schaffen:
Zweiter Weltkrieg, erneute Niederlage aus Sicht der Kriegstreiber, über das Potsdamer Abkommen und seiner
baldigen Revision.
Die damaligen Kriegsziele konnten oftmals im Verlauf der
Nachkriegszeit ohne Ausübung militärischer Gewalt mit ökonomischer Durchdringung erreicht
werden. Heute ist Deutschland Hegemonialmacht in Europa. Im zweiten Teil
schnitt Löwenberg die Parallelen der BRD zu Weimar an, wobei er nochmals ausdrücklich darauf hinwies,
dass die BRD nicht die Weimarer Republik sei, besonders nicht zu ihrer Endzeit 1933.
Die Paralellen, wie Massenarbeitslosigkeit, reaktionäre
Sozialpolitik, die völkische und chauvinistische Phraseologie der Faschisten heute, wurden
z.T. auch inhaltlich konkreter behandelt. So ging er z.B. auf die NPD auf ihre nationale und
soziale Demogagie ein, die mit ihrem Vorbild der NSDAP vergleichbar ist. Mit
Parolen wie „unser Kampf ist national“ und Phrasen von einem „volksbezogenen
Sozialismus“ begleitet von einer Hetze gegen Ausländer wies Löwenberg auf die
Gefährlichkeit der Nazipartei hin; beschränkte sich nicht nur auf eine
Verbotsforderung, sondern rief auch zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung
mit der Nazi-Ideologie auf.
Die Funktion der Neonazis für das Kapital heute sei eine
Kanalisierung der Unzufriedenen in rechte Kreise. So seien sie eine Hilfe bei der Umwandlung in
einen autoritären Staat, die Neonazis sind quasi Stichwortgeber für die Ausländer- und
Asylpolitik der Bundesregierung. Viele Gesetze und Verordnungen wurden in diesem Bereich
inzwischen schon umgesetzt.
Aktuell sah Löwenberg in seinem Resümee keine Gefahr vor
einem „neuen 1933“, weil das Kapital nicht gerne zur unverschleierten Herrschaftsform des
Faschismus greift, zukünftig sei die Gefahr jedoch nicht generell auszuschließen.
Ein interessanter Vortrag, der es vermied, ein historisches
Ereignis pauschal auf die heutige Situation zu übertragen.
[rab]