Am 26. Dez. messen Experten der US-Erdbebenwarte in Colorado
mit einer Stärke von 8,9 das weltweit stärkste Erdbeben seit 40 Jahren. Doch
das Epizentrum des Bebens befindet sich tausende Kilometer entfernt im
Indischen Ozean vor der indonesischen Insel Sumatra. Auch in der 1125 Kilometer
entfernten Hauptstadt Jakarta wird das Seebeben gemessen. Es bilden sich
Flutwellen die schon kurz darauf Sumatra treffen. Mit einer Geschwindigkeit von
bis zu 800 Kilometern in der Stunde breitet sich die Welle fast unmerklich aus,
um sich dann in Küstennähe meterhoch aufzutürmen. Im Nordwesten bricht sie über
Sri Lanka und Indien herein und im Nordosten verwüstet sie die Küstenregion von
Burma und Thailand. Sehr viel später und in rund 5000 Kilometer Entfernung
erreicht sie den Afrikanischen Kontinent und zerstört den Küstenstreifen von
Tansania, Kenia und Somalia. Das Ausmaß der Katastrophe wurde erst nach und
nach deutlich. In den Nachrichten schnellten die Opferzahlen stündlich in die
Höhe. Mit Sicherheit kann man jetzt von mehr als 125.000 bis 165.000 Toten
ausgehen, wobei die meisten Opfer in Indonesien und Sri Lanka zu beklagen sind.
Da auch immer mehr Strände touristisch erschlossen wurden, wie zum Beispiel in
Thailand, sind unter den Opfern auch zahlreiche Touristen. Neben mehreren
Dutzend bestätigten deutschen Toten werden noch über Tausende vermisst. Jetzt
drohen den verwüsteten Regionen Gefahren durch Seuchen, wie Cholera und Typhus,
und Trinkwassermangel, wodurch noch weitere Hunderttausend Tote befürchtet
werden.
Das Unglück traf die „Ärmsten der Armen, die nur
selten versichert sind“ erklärt ein Analyst die Tatsache, dass der
Schaden für die Versicherer kein Grund zur Sorge gibt. Es ist allerdings auch
kein Zufall, dass 95 Prozent der Todesopfer von Naturkatastrophen in so genannten
Entwicklungsländern leben. Denn in diesen Ländern fehlt es meistens an der
materiellen Möglichkeit technisch mögliche Vorkehrungen zu treffen, wie etwa
einer erdbebensicheren Bauweise oder eines Frühwarnsystems. Hätte sich das
Seebeben nur einige Tausend Kilometer weiter östlich ereignet, im Pazifischen
Ozean, dann hätte das gleiche Ausmaß der Katastrophe die Weltwirtschaft
wahrscheinlich in den Abgrund gerissen, denn dann wären mit Japan und den USA
die Werte der größten Monopole betroffen. Doch diese Länder, im besonders
Tsunami gefährdeten pazifischen Raum, haben ein Frühwarnsystem installiert, das
es ermöglicht, im günstigen Fall, Stunden vor der Flutwelle zu warnen. Das
„Pacific Tsunami Warning Center“ auf Hawaii überwacht mit Hilfe von
Drucksensoren am Meeresboden und damit verbundenen Funkbojen, die ihre Daten
via Satellit übermitteln, die Region. Über ein Katastrophenwarnsystem können so
in kürzester Zeit Menschen in einer bedrohten Region gewarnt und evakuiert
werden. Hätte man über Lautsprecher am Strand die Menschen gewarnt, dann hätte
es nie das Ausmaß dieser Katastrophe gegeben. Oft hätte ein Rückzug von weniger
als einem Kilometer in das Landesinnere genügt, um die Menschen in Sicherheit
zu bringen. Spätestens nach dem Einschlag der Flutwelle in Sumatra war klar,
dass das Beben einen Tsunami ausgelöst hat. Jetzt hätte sogar ein Telefonanruf
genügt, denn erst Stunden später sollte die Flutwelle Indien treffen, aber
niemand hat die Menschen gewarnt. Die US-Wissenschaftler der NOAA, die die
Stärke des Bebens gemessen hatten, sendeten lediglich eine E-Mail an die
indonesischen Behörden. Dass nichts unternommen wurde, hat aber nicht nur mit
schlechten Kommunikationswegen, Armut, korrupten und volksfeindlichen
Regierungen zu tun, sondern auch mit den wirtschaftlichen Interessen der sich
rapide entwickelnden Tourismus-Industrie. Denn die Wahrscheinlichkeit eines
falschen Alarms ist nicht gering, da nicht jedes Seebeben zu einem gefährlichen
Tsunami führen muss. So warnte das Seismologische Institut in Thailand 1999
unbegründet vor einem Tsunami. Daraufhin wurde die Einrichtung angehalten in
Zukunft zurückhaltend bei Warnungen zu sein, man will ja schließlich keine
Unruhe im profitablen Tourismusgeschäft.
Für nur wenige Millionen Dollar hätte man das effektive Frühwarnsystem
des Pazifiks auf den Indischen Ozean ausdehnen können. Mit Sicherheit hätten
man den Tsunami nicht verhindern können, aber seine Auswirkungen wären nicht in
dem verheerenden Ausmaß gewesen. Nun werden hunderte Millionen Euro von
Regierungen, Einrichtungen und Spenden
von Privatpersonen aufgebracht, um das Leiden abzufangen, wobei die Sorge nicht
unbegründet sein wird, dass wohl viele Hilfsleistungen nicht bei den
Hilfsbedürftigen ankommen. Die Regierung in Sri Lanka hat den Hinterbliebenen
eine Entschädigung von umgerechnet 70 Euro für jeden Toten versprochen. Das
lässt ahnen, dass das meiste Geld wohl in die Infrastruktur und die
Instandsetzung der Feriengebiete fließen wird, damit die devisenträchtige
Tourismus-Industrie wieder schnell in Gang kommt. Die Menschen haben weltweit
Anteilnahme am Schicksal der betroffenen Menschen und es entwickelte sich
sofort eine große Solidarität. Wir halten es für sinnvoll
Selbsthilfeorganisationen zu unterstützen oder wo möglich Spenden über direkte
Kontakte weiterzuleiten. (J.T.)