Werte Genossen, Ihr habt für den 3. Januar unter dem Namen »Agenturschluss«
dazu aufgerufen, Arbeitsagenturen und Personal Service Agenturen lahm zu legen.
Eure Motive und Argumente für so eine Aktion habt ihr in gemeinsamen Gesprächen
auf den Sitzungen des Kieler Bündnisses gegen Sozial und Lohnraub, auf der
letzten Montagsdemo und auf euren Veranstaltungen erläutert. Wir teilen eure
Wut und eure Empörung über Hartz IV und die Agenda 2010. Auch die in dem Aufruf
vertretene Auffassung, dass im Kampf gegen den, auf Betreiben des Kapitals von
der Bundesregierung betriebenen Sozialkahlschlag, das Bündnis von Erwerbslosen
und denjenigen, die noch Arbeit haben, von entscheidender, zentraler Bedeutung
ist, findet unsere volle Zustimmung.
an den geplanten Aktionen beteiligen. Die Blockade und das Lahmlegen von
Arbeitsagenturen kann nach unserer Auffassung nur sinnvoll sein, wenn sie von
einer breiten Bewegung getragen wird und die Sympathie und Unterstützung
breiter Teile der arbeitenden Bevölkerung hat. Wenn ein großer Teil des Arbeitslosenheeres in unüberschaubaren
Formationen gegen das Arbeitsamt vorrücken würde, würde es Sinn machen. Sie
wird sinnlos, scheinradikal und politisch schädlich, wenn sie als
Stellvertreteraktion, von einer Handvoll Aktivisten, ohne breiten Rückhalt in
der Arbeiterschaft durchgeführt wird. Gerade diese Tendenz sehen wir aber in
der von euch geplanten Aktion. Wir denken, dass es jetzt, in der gegebenen
Situation, nicht darauf ankommt, die Aktivitäten darauf zu konzentrieren, zu »überlegen,
ob und wie wir uns Zutritt verschaffen«. Unserer Meinung nach kommt es jetzt
darauf an, daran zu arbeiten, die Bewegung gegen Hartz IV, gegen die Agenda
2010, gegen den Sozialkahlschlag und gegen den breit angelegten Angriff des
Kapitals auf die Löhne zu verstärken und in die Reihen der Betroffenen und in
die Betriebe hineinzutragen. Dafür ist eine Verstärkung und vor allem
Ausweitung der Aufklärung, der Mobilisierung und der organisierenden Arbeit in
den Betrieben, in den Stadtteilen und in den Schulen absolut notwendig. In
diesem Sinne sollte der 3. Januar und die Zeit danach genutzt werden. Unsere
Gegner sind die Konzerne und die jeweilige Regierung die ihnen die Wege zum Höchstprofit
ermöglichen – nicht die Arbeitsagenturen, die aus Menschen bestehen, die morgen
oder übermorgen selber ALG2-Empfänger werden können.
bei der Auszahlung der Beträge führen kann. Die Leidtragenden wären die
diejenigen, die wir für gemeinsame Proteste gewinnen wollen. Das kann nicht
unser Ziel sein! Außerdem geben wir den Behörden mit solchen Aktionen auch
Scheinargumente dafür, wenn aus Schikane oder Schlendrian das Geld nicht
rechtzeitig ausbezahlt wird. Die Agentur
für Arbeit wird sich die geplanten Aktionen, als Eingriff in ihre Aufgaben,
nicht gefallen lassen und mit aller Macht zurückschlagen. Sie werden mit dem „kleinen
Häufchen“ kurzen Prozess machen. Die „Störer“ durch einen hoch aufgerüsteten
Polizeitrupp in die Enge schlagen, vielleicht sogar zusammenschlagen,
inhaftieren und als Grundlage für Hausfriedensbruch- und Schadensersatzprozesse,
erkennungsdienstlich behandeln lassen. Fortschrittliche junge Menschen so zu
verheizen, ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch schädlich, weil übereilter
Aktionismus auch ganz schnell zu Resignation führen kann.
Bitte habt deshalb Verständnis dafür, dass wir uns nicht
oder nur als Beobachter an den planten Aktionen beteiligen werden. Danach geht
der Kampf weiter und wir werden uns nach Kräften für eine breite Front gegen
den rapiden Abbau von Sozialleistungen einsetzen.
Alle gemeinsam gegen
Hartz IV und das Kapital!
Leserbrief
Liebe GenossInnen!
Ich habe Euren Offenen Brief zur Aktion Agenturschluss gelesen. Ich bin bei den Internationalen KommunistInnen aus Berlin organisiert, der Brief ist aber eine Einzelmeinung. Unsere Homepage lautet www.interkomm.tk, wir bitten um die Aufnahme in Eure Linksammlung.
Weil wir selber LinkskommunistInnen sind, haben wir natuerlich Interesse, wie Ihr als KommunistInnen zu Eurer Einschaetzung kommt.
Es scheint sehr traditionell, wenn ihr schreibt, dass die Aktion nur sinnvoll sein kann, wenn sich breite Teile der Bevoelkerung beteiligen. Das war immer ein Argument, um neue Aktionen zu verbreitern. Gerade als KommunistInnen muessten Ihr doch eigentlich dem Avantgardekonzept, etwas abgewinnen koennen. Wenn man erst auf die Mehrheit der Bevoelkerung wartet, waere nie beispielsweise eine Revolution passiert, die Oktoberrevolution schon gar nicht. Nein, das Argument von der fehlenden Mehrheit hat letzlich immer zu einer reformistischen Politik gefuehrt.
KommunistInnen sollen nicht der Mehrheit nach dem Mund reden, sondern Aktionen voranbringen, auch wenn die Mehrheit noch nicht so weit ist.
Auch ist es falsch, die AktivistInnen nicht als Teil der Lohnabhaengigen zu bezeichnen. Sicher gehoeren sie mehrheitlich nicht zu den traditionellen Teilen der fordistischen ArbeiterInnenklasse. Allerdings fragen wir euch, ob ihr immer noch unter Arbeiterklasse, die bei Euch auch nur maennlich zu sein scheint, jedenfalls habt ihr keine geschlechtsneutrale Schreibweise gewaehlt, nur diese
fordistische Kernarbeiterschicht begreift.
Seht ihr die Veraenderungen in der Klasse im Postfordismus nicht. Ist die Prekarisierungsdebatte an Euch spurlos vorьbergegangen? Wenn nicht, muesset ihr sehen, dass grosse Teile derjenigen, die die Aktion Agenturschluss tragen, zu dieser neuen Klasse der Lohnabhaengigen gehoeren.
Ich halte es fuer falsch, diese Veraenderungen in der Klassenstruktur nicht auch in die politische Arbeit als KommunsitInnen mit einfliessen zu lassen.
Mit kommunistischen Gruessen
ein Genosse der Internationalen KommunistInnen Berlin
Antwort der Redaktion:
zunächst einmal vielen Dank für Deinen Leserbrief. Für die
späte Antwort bitten wir um Entschuldigung.
Mit Deiner Kritik hast Du tatsächlich einen Fehler in dem „Offenen
Brief“ unserer Kieler Genossen aufgegriffen, wenn Du schreibst: „Es scheint sehr traditionell, wenn ihr schreibt, dass die Aktion nur sinnvoll
sein kann, wenn sich breite Teile der Bevölkerung beteiligen.“
Tatsächlich beteiligen wir uns nicht erst dann an Aktionen,
wenn sie von einer breiten Bewegung getragen wird. Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht führten ihre ersten Demonstrationen gegen den imperialistischen 1.
Weltkrieg zunächst auch nur mit ein paar hundert Teilnehmerinnen und
Teilnehmern durch. Ihr Ziel war allerdings immer die Gewinnung breiter
Unterstützung und letztendlich der Mehrheit.
Da kommst Du unserer Meinung nach aus Deiner berechtigten
Kritik allerdings zu falschen Schlussfolgerungen.
Das „Avantgardekonzept“ besagt nicht, dass Kommunistinnen und Kommunisten
gleichgültig sein soll, ob sie die Menschen ansprechen und gewinnen können. Im
Gegenteil, es enthält die Aufgabe, durch Agitation und Propaganda breite Teile
zu überzeugen und zu mobilisieren. Im Gegensatz zu Deiner Meinung, die Du nicht
begründest, sind Revolutionen immer zumindest von einer breiten Bewegung
getragen gewesen – auch die Oktoberrevolution. In der Regel hatten sie sogar
die Sympathie und Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Erst mit breiter
Unterstützung sind sie nämlich möglich. Anders ist dies selbstverständlich in
nicht-revolutionären Zeiten, wo nur eine kleine Minderheit für das Ziel einer
revolutionären Veränderung eintritt. Diese Minderheit, will sie sich nicht
isolieren und scheitern, hat aber die verdammte Pflicht, unter der Mehrheit der
Menschen zu arbeiten und diese im alltäglichen Klassenkampf schrittweise von
der Notwendigkeit einer Revolution zu überzeugen.
Insofern haben wir schwere Bedenken gegenüber Aktionen, die
nicht darauf abzielen, immer mehr Menschen zu gewinnen und zu mobilisieren.
Leider waren die „Agenturschluss“-Aktionen so angelegt.
Natürlich gibt es in der Arbeiterklasse Veränderungen. In
unserer „Erklärung der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen
Arbeiterpartei Deutschlands“ setzen wir uns intensiv damit auseinander und
kommen zu der Schlussfolgerung: „Die
Struktur der Arbeiterklasse hat sich somit verändert. Trotz der sinkenden
Arbeiterzahl nimmt die Bedeutung der Arbeiterklasse für die Volkswirtschaft zu.“
Bei Interesse kannst Du diese Erklärung gern bestellen.
Als Letztes noch: Wenn wir „Arbeiterklasse“ schreiben, dann
meinen wir nach dem geltenden Sprachverständnis immer Frauen und Männer. Wir
halten nichts von modischen Anhängseln. Das wird hoffentlich einer sachlichen
Auseinandersetzung nicht schaden, da ja der Sinn immer verständlich ist.
Solidarische Grüße
Redaktion „Arbeit Zukunft“