Der Folter-Prozess Daschner: Die Motive des Staates sind immer „edel“

Hier hat jemand offen körperliche Folter angedroht: ein
Polizeichef, der Frankfurter Vize- Polizeipräsident Wolfgang Daschner. Er
entschuldigt sich mit edlen Motiven: Es ging um den Mord an einem 11-jährigen
Kind. Wegen dieser edlen Motive erhielt er nun einen faktischen Freispruch. Er erhält
eine Verwarnung und eine Geldstrafe auf Bewährung. Ein Schwarzfahrer in der
Straßenbahn wird da härter bestraft.

Das Gericht spricht von der „Verankerung des absoluten Folterverbots in
der unantastbaren Menschenwürde“
und „Die
Menschenwürde sei durch die Ewigkeitsklausel im Grundgesetz geschützt.“

Trotzdem erhält der Verantwortliche für eine solche Verletzung der
Menschenwürde, des Folterverbots und des offenen Bruchs des Grundgesetzes
praktisch keine Strafe.

 

Zweierlei Maß

 

Als die Folter durch US-Soldaten im
irakischen Gefängnis Abu Ghreib bekannt wurde, standen die bundesdeutschen
Medien zu Recht Kopf. Der US-Regierung wurde vorgeworfen, Menschen – auch wenn
sie unter Verdacht stünden, Terroristen zu sein – müssten immer wie Menschen behandelt
werden. Man dürfe da keine Ausnahme zulassen. Man brachte den USA Moral bei.

Nun gibt es einen, wenn auch kleineren
Folterskandal im eigenen Land. Und die Medien sowie das Gericht zeigen auf
einmal „Verständnis für die edlen Motive“.

Doch auch die Folterer von Abu Ghreib nahmen
für sich „edle Motive“ in Anspruch: sie jagten „hochgefährliche Terroristen“.

Überhaupt ist ja jedem Kind bekannt, dass
staatliche Stellen immer nur edelste Motive haben und nur aus edlen Gründen
foltern – es sei denn es sind Staaten der „Achse des Bösen“ wie George Bush so
einfach und einleuchtend darstellte.

Wozu braucht der deutsche Staat zwei Maßstäbe
für die Beurteilung von Folter? Einen strengen Maßstab für den Konkurrenten
US-Imperialismus und einen lockeren für die „edlen Motive“ im eigenen Land? Eine
Großmacht braucht immer eine Rechtfertigung für die Brutalitäten bei der
Beherrschung der Menschen in fremden Ländern wie auch im eigenen Land. Und es
braucht moralische Entrüstung über die Verbrechen der anderen. Deshalb ist
Folter bei der Bundeswehr immer „ein Einzelfall“, beim Konkurrenten USA immer „moralisch
verwerflich“. Deshalb hat man an dem Fall Daschner exemplarisch und mit großem
Propagandaaufwand klargemacht, dass deutsche staatliche Stellen immer nur aus „edlen
Motiven“ heraus Recht und Menschenrechte verletzen. Deshalb wurde über die
Verbrechen der DDR an der Mauer (und es waren wirklich Verbrechen, auch wenn
das viele „Linke“ nicht wahrhaben wollen) der moralische Stab demonstrativ
gebrochen, während die erheblich zahlreicheren Toten an den Grenzen der EU (die
ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer ebenso wie in der Oder) kaum eine
Erwähnung finden.

Der Prozess gegen Daschner ist ein
politischer Prozess mit dessen Ausgang der deutsche Imperialismus sehr gut
leben kann: Prinzipiell sind wir ein „Rechtsstaat“, in dem Folter verboten ist.
Das Grundgesetz bleibt auf dem Papier als Beweis unserer „edlen“ Gesinnung gültig.
Aber wenn dann aus dieser besonders edlen Geisteshaltung heraus hier und da mal
„die Bösen“ gefoltert und in ihrer Menschenwürde verletzt werden, dann bleibt
das wegen der „edlen Motive“ straffrei.

„Das Urteil schafft Rechtssicherheit für die
Polizei und hat die äußerst schwierige menschliche Konfliktsituation der
Angeklagten berücksichtigt“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der
Polizei, Konrad Freiberg. Und natürlich auch für das Militär in Afghanistan, in
Somalia, im Kosovo usw. „Rechtssicherheit“ bedeutet im Klartext Straffreiheit
man muss nur beachten, dass man aus „edler Gesinnung“ foltert!