Presseerklärung: 20.11.04 Arnstadt: Die Kapitulation der Anständigen -Nazis skandieren „Sieg und Heil“, Gegendemonstranten werden in Handfesseln genommen

Die Verantwortlichen in
Kommunalpolitik und Polizei in Arnstadt haben aus der neuen Offensive der
Rechtsextremen nichts gelernt. Dieses Resümee zieht die
Landesarbeitsgemeinschaft Antirassismus/Antifaschismus nach den Vorfällen am
vergangenen Samstag in Arnstadt. Die rechtsextreme Szene hatte eine Kundgebung
gegen Hartz IV angemeldet. Doch obwohl die Anmeldung der Stadtverwaltung schon
mindestens eine Woche lang bekannt war, gab es keinen Aufruf des
Bürgermeisters, sich den Rechtsextremen entgegen zu stellen. Erst einen Tag vor
der Kundgebung sickerte die Information nach außen und Mitglieder aus PDS,
Jusos, evangelischer Kirche und GewerkschafterInnen riefen kurzfristig zum
Protest auf. Erfreulich viele Personen – etwa 250 – nahmen dennoch an der
spontanen Gegenkundgebung teil,  vor allem viele Jugendliche. Nach dem
Bürgermeister oder anderen VertreterInnen der Stadtverwaltung suchte man
vergeblich.

 Die Aktion gegen die
Nazi-Kundgebung wäre ein Erfolg gewesen, hätte die Polizei ihren Anteil zur
Bekämpfung des Rechtsextremismus geleistet. Obwohl die Gegenkundgebung
ausreichend von der Nazi-Kundgebung entfernt war, fuhr die Polizei mehrere
Kleinbusse vor die Gegenkundgebung, so dass Menschen und Gegen-Transparente
nicht mehr zu sehen waren. Auf der anderen Seite des Platzes konnte für eine
halbe Stunde mit Musik und Trillerpfeifen gegen die Nazi-Kundgebung protestiert
werden, bis die Polizei einen Kessel bildete und 95 GegendemonstrantInnen in
Gewahrsam nahm. Bei der Einkesselung ging die Polizei gewaltsam vor: mindestens
zwei Männer wurden zu Boden geworfen, wobei der eine kurzzeitig das Bewusstsein
verlor und dem anderen die Brille zerbrach. Einem Jugendlichen wurde
Pfefferspray in die Augen gesprüht und es wurde nicht zugelassen, ihn an einen
Ort zu bringen, wo die Augen ausgespült werden können. Die Polizei zog mehrere
Personen, die sich außerhalb des Kessels befanden, in den Kessel hinein. Ein
Mann wollte sich weigern und wurde daraufhin mit den Worten bedroht, ihm werde „aufs
Maul gehauen“, wenn er nicht mitkommen würde.

 Anlass für den Kessel
waren mehrere mit Farbe und Wasser gefüllte Luftballons sowie zwei bis drei
Flaschen, die in die Richtung der Nazi-Kundgebung geworfen wurden. Dass hier
tatsächlich Gefahr drohe, schien die Polizei auch selbst nicht zu glauben, denn
es gab keine Durchsuchung der Personen und ihrer Taschen. Erst nach zwei
Stunden im Kessel, als die Nazi-Kundgebung zu Ende war, wurden alle Personen
durchsucht, in Handfesseln genommen und zur Polizeiinspektion gefahren, wo sie
fotografiert und die Identitäten festgestellt wurden. Auf dem Weg zur
Polizeiinspektion bezeichnete ein Polizist einen Jugendlichen als „Ratte“.

 Die Neonazis, darunter
der vorbestrafte Patrick Wieschke aus Eisenach und der Jenaer Kader des
„Thüringer Heimatschutzes“ André Kappke konnten zufrieden sein. Ungehindert
verbreiteten sie ihre Hasstiraden, forderten ein „deutsches Deutschland“ und
skandierten „Sieg und Heil der Nationalen Opposition“. Spätestens hier hätte
die Polizeiführung eingreifen und die Kundgebung wegen verbotener Verwendung
nationalsozialistischer Parolen abbrechen müssen. Aber nichts geschah.

 Die
Landesarbeitsgemeinschaft Antirassismus/Antifaschismus wird die Personen
unterstützen, die Strafanzeigen wegen Beleidigung, Bedrohung und
Körperverletzung gegen die Polizei stellen wollen. Die Arbeitsgemeinschaft
erwartet, dass der Vorfall in Arnstadt ein kommunalpolitisches und in der
Thüringer Landesregierung ein polizeiliches Nachspiel hat.